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Andreas Khol, schwarzer Parlaments-zuchtmeister, weiß zwar nicht mehr, wo Gott wohnt, schreibt ihm aber trotzdem ein Mail

Irdisches Jammertal, 
im Jahre des Herren 2002

Grüß Gott, Gott!

Ich weiß nicht, wie ich Sie ansprechen soll: Herrgott, lieber Gott? Egal. Der Wille fürs Werk. 

Ich sitze in meiner schmucken Tirolerstube im Herrgottswinkel und wende mich heute an Dich, weil Du bist der Allmächtige. Du glaubst noch an mich, umgekehrt findet dies nur mehr bedingt statt.

Die Meinungsumfragen deuten darauf hin, daß die Roten wieder ans Ruder kommen werden. In Hochwasserzeiten wie diesen, ist dies eine treffende Metapher meinerseits. Oh Herr, kannst Du nicht irgend etwas drehen, daß diesem Zeitenlauf Einhalt geboten wird? "Bewahre uns vor dem Bösen", möchte ich Dir an dieser Stelle in Erinnerung rufen. Früher warst Du so perfekt im Organisieren von Sintfluten, dies wage ich aber anläßlich der Pegelstände in Europa nicht zu wünschen. Vielleicht bringst Du eine kleine Seuche zustande, die nur die Roten befällt? Es wäre mir durchaus ein "Vergelt 's Gott" wert. Was heißt, ein Stoßgebet sende ich gegen den Himmel, Messen sonder Zahl würde ich lesen lassen, wenn dieser innige Wunsch meinerseits in Erfüllung gehen würde. Bin im Innersten meines reinen Herzens tief davon überzeugt, daß der Schüssel-Wolfi, bei positiver Erledigung einer Seuche, mit seinem gesamten Kabinett spontan zum Wanderstock greifen würde, um in Sack und Asche Mariazell zu bewallfahrten.
Wir reden übrigens oft über Dich, auch bei Klausuren. Der Wolfi wollte unlängst in einem Anfall von Größenwahn übers Wasser gehen, seitdem steht ihm selbiges bis zum Hals. Er wollte auch schon Wasser zu Wein verwandeln, aber außer Wasser predigen und Wein trinken ist ihm in dieser Angelegenheit, wie in vielen anderen auch, noch nicht viel geglückt.

Übrigens, Dein polnischer Sohn auf Erden hat einmal erklärt, daß er überall dort sein möchte, wo das Elend am größten ist. Was mich dann verwundert? Daß er noch nie bei uns im Parlamentsklub aufgetaucht ist. Hier muß ich eine gewisse Wortbrüchigkeit konstatieren, die ich sonst eigentlich immer nur vom Hojac gewöhnt bin. Bei dem denk' ich mir klammheimlich: "Wem das Herz voll ist, dem geht der Mund über." Beim Hojac ist das alles selten sehr appetitlich. Den könntest Du überhaupt in die Wüste schicken. Es müssen ja nicht vierzig Jahre sein, mir würden schon ein, zwei Legislaturperioden genügen, dann ziehe ich mich sowieso auf mein Tiroler Altenteil zurück, schau' in den Fluß und sehe die politischen Leichen vorüberschwimmen. Aber bis es soweit ist, wäre es mir noch sehr recht, wenn im Parlament mein Wille geschehe.

Auf meinem Altenteil habe ich vor, Bücher zu schreiben. "Der Marsch durch die Wüste Gobi" ist mir hervorragend geglückt. Die Zahl meiner Feinde hat sich binnen kurzem vertausendfacht. Aber Neid muß man sich verdienen. Nur was soll ich tun? Ich formuliere einfach so gerne. "Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit", habe ich einmal treffend vor mich hinphilosophiert. Frage mich bitte nicht, himmlischer Vater, was ich damit gemeint habe, aber für solche Sager bin ich berüchtigt.

Lieber Gott, laß mich noch ein bißchen am Nektar der Macht nippen. Früher zogen die Ritter ins Morgenland, um den Ungläubigen das Kreuz aufs Auge zu drücken. Auch wir Schwarzen sehen unsere Mission ähnlich. Solange nicht alle Roten aus den Ämtern geschossen und von den Futtertrögen verjagt sind, ist unser Kreuzzug in Schwarz-Blau noch nicht beendet. 

Auch wenn wir mit den Haiderianern so manches Golgatha durchlebt haben, für mich sind sie noch immer das kleinere Übel, und seit sie in die Regierung eingetreten sind, haben sie ihr Damaskus-Erlebnis hinter sich. Du verstehst, was ich meine.

Habe bitte für mein obengenanntes Ansinnen Verständnis: Die Roten sind gottlose Gesellen, sie verdienen Deine Demut nicht. Der Gusi ist so verschlagen, daß er sogar kirchlich heiratet, nur um sich bei Dir Liebkind zu machen und um gottgefällig zu scheinen. Ist das nicht ein klassisches Beispiel dafür, wie der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben wird, wenn ich meine Bibel richtig verstanden habe?

Großer Gott, ich möchte aus meinem Herzen keine Mördergrube machen, aber laß' bitte ein Wunder geschehen, sonst geben wir unsere Mehrheit, die so passabel war wie Abrahams Schoß, an die roten Gottseibeiunse ab. Der Antichrist in der Löwelstraße scharrt in den Startlöchern. 

Das Volk, also Krethi und Plethi, möchte demnächst die Stimmzettel in Denkzettel umformulieren. Das ist ihre unheilige und denkbar falsch verstandene Auffassung von "Schwertern zu Pflugscharen umschmieden". So sieht die Zukunft aus, und ich sehe schon jetzt das Menetekel an der baufälligen, brüchigen Wand der schwarz-blauen Koalition.
So wie es aussieht, werden wir nicht mehr von allzu vielen gewählt - vielleicht hilft in dieser Malaise womöglich das Gesundbeten? Überlege Dir, lieber Herrgott, daher bitte meinen Seuchenvorschlag nochmals eindringlich und genau. Es ist nämlich die einzige, wirkliche Chance, um noch Schaden von uns abzuwenden.
Im Anhang sende ich Dir, lieber Himmelvater, 84 Vaterunser und 174 Rosenkränze, gezeichnet von der gesamten ÖVP-Fraktion im Parlament, samt Sekretärinnen und Schreibkräften.

Gott zum Gruße
Dein unheiliger Andreas



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