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Ein amtliches Schreiben lautet so:

Sehr geehrter Herr L.

Der Erzbischöfliche Ordinariat teilt auf ihre Anfrage mit, daß Sie laut Reskript der S.C. pro Doctrina Fidei, Prot. Nr. 2074/xx, vom 9. Mai 19xx, auf Ihr Ansuchen hin laisiert und vor allem aus, den höheren Weihen stammenden Verpflichtungen‚ einschließlich der Verpflichtung zum Zölibat, dispensiert wurden.

Sie dürfen keine priesterlichen Funktionen ausüben, ausgenommen die sakramentale Absolution in Todesgefahr, nicht predigen und auch sonst keine liturgischen Funktionen (z.B. Kommunionspender) übernehmen.

Daraufhin meine telefonische Nachfrage (laut Protokoll):

L: Grüß Gott‚ Herr Kanzler! Hier ist L!

Kanzler:  Grüß Gott! Bitte schön.

L: Gestern habe ich die Bestätigung meiner Dispens, die Sie unterschrieben haben, bekommen.

Kanzler: Wie war der Name?

L: Ludwig L.

Kanzler: Ja, ich erinnere mich. Bitte sehr.

L: Mit diesem Brief bin ich in ein Dilemma geraten.

Kanzler: Nun, wieso?

L: Sie schreiben, daß ich keine liturgische Funktion übernehmen darf (wie zum Beispiel Kommunionspendung). Wissen Sie, ich mache das seit Jahren.

Kanzler: Ah so? Sie haben aber dafür keine Erlaubnis, nicht wahr?

L: Nein, aber ich bin doch Priester

Kanzler: Schon, aber rechtlich sind sie ein Laie und als solcher brauchen Sie dafür einen Kurs und Erlaubnis seitens des Ordinariats.

L: Wieso das? Mein Theologiestudium und meine Priesterweihe genügen nicht?

Kanzler: Für einen Laien schreibt Rom vor, daß er nur mit bischöflicher Erlaubnis die Kommunion austeilen darf.

L: Das ist allerhand! Und was ist nun damit: Ich verlese die Fürbitten und bin auch Tenorsolist im Kirchenchor – beides auch eine Mitwirkung an der Liturgie.

Kanzler: Sicher! Läßt sich denn niemand finden, der statt Ihnen singen kann?

L: Sicher ließe sich derjenige finden, aber wozu? Ich dürfte dann ja auch nicht ministrieren?

Kanzler: Ich würde sagen: Nur wenn Sie darum gebeten werden. Denn hier könnte man die liturgische Funktion als Notfall deuten, weil sonst niemand anderer da wäre.

L: Das ist schon arg.

Kanzler: So ist es nun einmal vorgeschrieben.

L: Schauen Sie, Herr Kanzler, da ist noch etwas: Ich habe am Land ein kleines Haus mit Garten. Bei den üblichen Maiandachten geht es noch, aber im Oktober wird zusätzlich das Allerheiligste ausgesetzt. Der Pfarrer ist alt und gehbehindert. Sein Mesner, ein Landwirt, nimmt meistens die Monstranz. Wenn aber die Zuckerrübenernte ausbricht, hat er keine Zeit, und so hat mich der Pfarrer gebeten, in diesem Falle das Allerheiligste auf den Tabernakel zu stellen. Dann ist ja auch diese Handlung wahrscheinlich nicht erlaubt?

Kanzler: Hier liegt die Sache anders: Sie werden darum gebeten. Ich sagte das schon vorher. Es wäre natürlich besser, wenn sich jemand von der Pfarre finden würde …

L: Herr Kanzler, was soll ich aber konkret tun, wenn er abermals an mich herantritt? Wie würden Sie sich persönlich – nicht als Kanzler – verhalten?

Kanzler: Eine schwierige Frage! Noch schwieriger die Antwort. Sie könnten aber viele andere pastorale Aufgaben erfüllen, die nicht im Widerspruch mit dem Inhalt dieses Schreibens stehen. Denken Sie einmal darüber nach und versuchen Sie Ihre jetzigen Aufgaben langsam zu reduzieren.

L: Das fällt mir aber sehr schwer.

Kanzler: Ich verstehe, aber Sie werden gewissensfreier leben.

L: Nun gut Herr Kanzler. Ich werde mein Bestes tun. Chorleiter und Pfarrer werden befremdet sein, daß ich mich zurückziehe. Die Begründung werde ich nicht bekanntgeben. Ich finde es furchtbar.

Kanzler: Es geht doch um die Befreiung von der Gewissensbelastung.

L: Trotz allem: Ich danke Ihnen für den Brief und das Gespräch.

Kanzler: Bitte sehr‚ Gott segne Sie!

L: Auf Wiederhören.

Beim Auflegen des Hörers mußte ich lachen. Aber eigentlich hätte ich über den Zustand der Mutter Kirche weinen sollen.

Heiliger Spagat

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