Seiten 141-142:
Haider-Business
Zu den Eigentümlichkeiten der Ära, in der die Zweite Republik zu Ende geht, gehört es, daß weder der Austrointellektuelle noch die Wissenschaft/Philosophie von der Politik dem Beachtung schenkt. (Ähnliches gab es schon einmal: Die Implosion der Sowjetunion hat die seriösen Wissenschafter weltweit überrascht.) Der Austrointellektuelle beschäftigt sich vornehmlich mit Jörg Haider. Er verbeißt sich in dessen nicht korrekter Spruchpraxis. Was sich sonst in der kleinen und großen Welt tut, ist nicht so wichtig. Zur Zukunft Österreichs, Europas oder der Welt verschweigt sich der Austrointellektuelle. Er ist mit der Kritik an Haider präokkupiert. Es ist deshalb zulässig, manche Haider-Kritiker als "Die Haider-Macher" zu bezeichnen. Dies wird im gleichnamigen Kapitel 4.1, das sich auf Markus Wilhelm, dem Intellektuellen aus dem Tiroler Ötztal stützt, beschrieben.
Haider-Kritiker sind Haider-Macher, gewiß. Haider gewann (gewinnt er noch?), weil er als demagogischer Angst-Ausnutzer oder Angst-Erzeuger nur auf Amtsinhaber traf, die ihm nichts entgegenzuhalten hatten (haben?). Es fehlt in Österreich (nur hierzulande?) die Staatsfrau oder der Staatsmann, die dadurch ausgezeichnet sind, daß sie den Menschen Angst zu nehmen imstande sind. Das Fehlen dieser politischen Persönlichkeiten erklärt zu einem guten Teil die Zunahme der FPÖ unter Jörg Haider von knappen fünf (1983) auf gute fünfundzwanzig Prozent (1999). Noch wichtiger ist die Absenz des Staatsmannes, der Staatsfrau für die Erklärung des Rückganges der Wahlbeteiligung von zweiundneunzig Prozent anno 1983 auf neunundsiebzig Prozent im Jahr 1999. Es handelt sich um eine runde Million Wähler. Dies wird im Kapitel 4.2 angesprochen.
"Ein Wiedergänger des Hanswurst?" (Kapitel 4.3) führt - geschrieben zum Jahreswechsel 1999/2000, also nach der Nationalratswahl 1999 und vor den "Sanktionen" der EU-Vierzehn - die Position des Austrointellektuellen als gefährlich komische Figur vor. Was die alles gesagt haben! Politischer Romantiker soll Jörg Haider sein? Ein Occasionist im Sinne von Carl Schmitt? Welch ein Irrtum! So als verfolgte Jörg Haider nicht mit Geduld und occasionistischer Wandlungsfähigkeit ein unabänderliches Ziel: die Beendigung der Zweiten Republik und die Umwandlung Österreichs. Das ist der eigentliche Sinn seiner Attacken gegen tragende Institutionen. Daß ihm dabei der eine oder andere Bischof, bisweilen auch der Papst, hilft, ist kein Gegenbeweis.
Ob "Robin Hood" (Klaus Ottomeyer), "Erneuerer" (Robert Menasse und Andreas Mölzer), "Romantiker" (der Philosoph von Wien), Mephisto* vulgo Hanswurst* (frei nach Gerald Stieg) oder "Feschist"* (Armin Thurnher) und zuletzt als "Künstler an der Macht" (Peter Turrini, 2001), Jörg Haider wurde vor allem von der österreichischen Sozialdemokratie der Boden bereitet, und die "kritischen" Haider-Macher haben ihm die Trommeln gerührt. Das wurde zurecht als "Haider Business" bezeichnet (Gabriele Holzer 1998). Denn die Haider-Macher, als solche die Haider-Kritiker fungierten, haben daran verdient und sie wurden dafür geehrt.
Die vierzehn EU-Partnerländer haben das Erfolgsrezept Haiders von der österreichischen Provinz auf die Weltbühne gehoben. "Haider Business International" wurde dies treffend genannt (Gabriele Holzer 2000).
|
|