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Seien wir uns ehrlich: Viel mehr Bereiche unseres Lebens, als wir wahr haben wollen, sind voll von Geheimnissen. Die Schulweisheit funktioniert hier nicht. Abseits von den regulären Wissenschaften öffnen sich uns ständig Einblicke in Qualitäten und Zusammenhänge unserer Existenz, wo Wirklichkeit nicht geleugnet, aber auch nicht auf den gewohnten objektiven Prüfstand gestellt werden kann. So bleiben wir in wichtigen Zonen unseres Daseins ohne Hilfe der Instanzen unserer modernen Gesellschaft. Was mit den offiziell gepflegten Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften nicht vereinbar ist, wird weggewischt - oft mit einer aus Verachtung und Sorge gemischten kategorischen Verneinung.
Was wir in der Folge durchstreifen und erforschen wollen, ist dieses phantastische Land der schwebenden Wirklichkeit, in das man gelangt, wenn man die vordergründige Welt des rational Erfaßbaren verläßt. Es sei betont: Dieser Schritt ist mit allem hohen Respekt vor den klassischen Naturwissenschaften und mit aller Dankbarkeit zu tun, die ihnen zu zollen ist. Sie versetzen uns ja überhaupt erst in die Lage, dieses unser gemeinsames Nachdenken anzustellen. Unser Leben können wir - vor allem, wenn es ein "angenehmes" (Brecht) sein soll - nur dann bewältigen, wenn es dabei sehr handfest zugeht. Nur: Was ist realer bei einer Sinfonie - das mit Druckfarbe versehene Notenpapier (alles chemisch analysierbar), unsere CD-Anlage (ein Wunder elektronischer Technik), die genau meßbaren Töne (Schwingungen im Medium Luft) auf der einen Seite? Oder auf der anderen der beglückende Kunstgenuß, der uns als Ergebnis all dieser faktischen Voraussetzungen ins Bewußtsein tritt und den wir dann er-leben? Zwei Dimensionen unserer menschlichen Existenz gibt es. Wieviel Legionen hat der Papst, wurde einmal spöttisch gemeint. Die Frage ist falsch gestellt, denn die größte Macht ist bekanntlich die des Wortes. Genauer genommen des Gedankens, der hinter dem Wort steht, also des Geistes.
So "sicher" alles ist, was wir über die erste, die materielle Dimension unserer Existenz wissen, so unsicher ist alles, was sich auf die zweite bezieht, welche für jede Form von Glauben die höhere und damit die eigentliche ist und die zu erklären sich alle bemühen, aber dabei immer auf schwankendem Boden stehen. Die beschrittenen Wege sind vielfältig: leugnen und wegschieben (Materialismus und Hedonismus), auf geoffenbarte, regelhafte Erklärungsmuster zurückführen (Religionen), zwischen Demut und Hochmut schwankend geistig durchackern (Philosophie) oder auf Erfahrungen, Ahnungen und Gefühle aufbauend deuten (Esoterik). Schulen der Verkündigung existieren heute nebeneinander in verwirrender Vielfalt. Sie bilden in einer freien Gesellschaft geachteter Menschenrechte einen üppigen Markt wie den für Waren.
Unternehmen wir also einen möglichst geordneten Gang durch diese "schwebende Wirklichkeit". Er kann und will nicht mehr versuchen, als auf Wahrnehmbares hinzuweisen, also Gedanken und Sicht zu sammeln. Die Gefahr, dabei in die Irre zu gehen, ist freilich groß und muß uns bei unserem Wandern bewußt sein. Der kritisch unterscheidende Geist, die höchste Gabe des Menschen, soll uns dabei begleiten. Das Wort "Wandern" wurde mit Bedacht gewählt. Ermüdend schwierige Schriften und Werke gibt es ja genug, die uns voll Bemühen Wissen erschließen wollen. Hier sei ein anderer Weg gewählt. Der Leser versetze sich in einen gemeinsamen und immer wieder neu aufgenommenen Spaziergang, der durch Gottes freie Natur führt, wo man ins Denken und Reden kommt. Verbunden mit der ständigen Einladung, sich - so wie ich es immer tue - eigener Erfahrungen und Berichten aus der persönlichen Umwelt aufmerksam zu öffnen.
Folge mir also, mein Freund, folge mir, meine Freundin.
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