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Robert A. Herzner: "Schamanismus", S. 36-38:           

         
Solche unsichtbaren Beobachter sind auch die Geister. Womit wir beim eigentlichen Thema gelandet sind, einem durchaus praktischen Thema, nicht nur für Schamanen. Wie gehen wir damit um? Können wir damit überhaupt umgehen? Oder sind es Geister, die „umgehen“? Oder umgehen wir das Problem durch Verleugnen, durch Wegschauen? Und was bedeutet „wegschauen“ bei sowieso unsichtbaren Wesenheiten? Fragen, die wir uns selbst stellen müssen, wenn wir schamanisch praktizieren oder ein religiöses Leben führen wollen. Daran führt kein Denkmodell vorbei, sei es schamanisch, spiritistisch, esoterisch, mystisch oder religiös. Materialistisch denkende Menschen ersparen sich derlei Probleme natürlich – zumindest imKopf!

Durchaus in Übereinstimmung mit der naturwissenschaftlich orientierten Erforschung solcher Phänomene – der sogenannten Parapsychologie – läßt sich über Geister und Geistwesen aller Art aussagen: Sie haben keine Form, keinen Geruch, keinen Geschmack, keinen Namen, sie fühlen sich nicht an und sie schauen nicht aus wie irgend etwas. So betrachtet sind Geister – auch diese Bezeichnung ist sicher nicht korrekt, aber hilfreich fürs Verstehen – einfach Kraftfelder, sind „nur“ Kraftfelder, nichts als Kraftfelder!           

Doch Vorsicht! Auch wir Menschen sind Kraftfelder. Ich meine jetzt nicht im, bei gebildeten Esoterikern heute so beliebten, quantenphysikalischen Sinn, sondern ganz alltäglich gesprochen: Die Fotografie zeigt unser Lichtkraftfeld (vom Körper reflektierte Lichtenergie), die Infrarotfotografie zeigt unser Wärmekraftfeld (vor allem vom Körper selbst erzeugt) usw. Trotzdem sagen wir zueinander nicht „Hallo Kraftfeld“, sondern Fritz oder Lore, Mama oder Papa, Herr Inspektor oder Frau Minister. Sogar zu unseren tierischen Freunden sagen wir Waldi oder Mauz.           

So ist es vom menschlichen Standpunkt aus höflich, klug und nützlich, auch Geister nicht bloß als Kraftfelder zu betrachten, sondern als Persönlichkeiten; genau das sind sie für den Schamanen nämlich, obwohl ohne – im physikalischen Sinn – materiellen Körper! Betrachten wir das immaterielle Kraftfeld einfach als ihren Körper und die Persönlichkeit als ihren Geist. So kommen wir der schamanischen Praxis näher und vermeiden die für unsere Zwecke unpraktischen Denkmodelle der Parapsychologie und verwandter Disziplinen, die sich ausschließlich mit der Erforschung und Manipulation von Kraftfeldern befassen.      

All dem entgegen stehen die Gefühle und Erfahrungen von religiösen Menschen, von Schamanen und Spiritisten. Denn wann immer Menschen Begegnungen mit Geistwesen haben oder hatten – das gilt auch für die Praktizierenden des Kernschamanismus –, präsentierten sich diese Wesen in für sie charakteristischer Art: Sie „schauen aus“, sie „reden wie“, sie „riechen nach“ und so weiter. Andererseits ist diese Selbstdarstellung der Geister sehr unterschiedlich und eher unbeständig. Es gibt kaum zwei hellsichtige oder mediale oder sonstwie „fühlige“ Menschen, die ein und denselben Geist in absolut gleicher Art sehen, hören, riechen oder sonstwie wahrnehmen. Was wiederum Argumente und Anlaß bietet, Geister als bloße Projektionen menschlicher Vorstellungen aufzufassen, als Phantasiegebilde ohne eigene Realität. Ähnliches gilt übrigens für die Archetypen des Tiefenpsychologen Carl Gustav Jung, die (relativ) beständige Konfigurationen eines allen Menschen gemeinsamen kollektiven Unbewußten sein sollen.     

„Wir versuchen nicht klüger zu sein als wir sind“, wurde für mich eine brauchbare Lebensregel. Ich weiß auch nicht mehr als andere Schamanen, medial Begabte oder Dr. C. G.Jung. Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen und der mir geschilderten Erlebnisse anderer mit Geistern aller Art, habe ich mir folgende „Erklärung des Zauberers“ (ein Begriff von Carlos Castaneda) zurechtgelegt:      

Ja, alles was wir von Geistern „sehen“, „hören“, „riechen“ usw., sind tatsächlich Projektionen unserer bewußten oder unbewußten Vorstellungen und Erinnerungen, die auch durch andere Menschen in uns gelangt sein können (Märchen, Sagen, Romane, Filme, Bilder usw.): Sie werden aber von unserer Persönlichkeit und der Persönlichkeit des Geistes als gemeinsames Verständigungsmittel ausgewählt … nicht willkürlich oder zufällig, sondern gezielt! Es ist, wie wenn ich als Deutschsprachiger mit einem Japaner englisch rede: Nur mittels dieser von beiden Personen (mehr oder weniger) beherrschten Fremdsprache ist eine Verständigung möglich. Wir beide haben diese Verständigungsmöglichkeit für uns entdeckt und benützen sie …        

Der Geist benützt in mir gespeicherte Erinnerungen verschiedenster Art, um seine Persönlichkeit zum Ausdruck bringen, eventuell zugleich eine Botschaft zu übermitteln. Wenn sich etwa meine verstorbene Großmutter mitteilen will, so wird sie mir im Traum (eventuell in ihrer mir erinnerlichen Gestalt) erscheinen, vielleicht aber auch jünger oder sonstwie verändert; über ein Sprechmedium wird sie (vielleicht) ihre Stimme oder Sprechweise hören lassen, über ein Schreibmedium (vielleicht) in etwa ihre Handschrift zeigen. Ursache dieser Phänomene sind die Persönlichkeit der Verstorbenen plus meine Erinnerungen an sie. Ohne ihr (immaterielles) Kraftfeld könnte sie sich schwerlich als meine Großmutter deklarieren – zumindest im Rahmen meines Denkmodells für den Umgang mit Geistern.             

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