Elegie auf Schwarz | Bestellen? Zurück Home |
Herbert Kohlmaier: "Elegie auf Schwarz", S. 26-28
Von allen Parteien - die hier zu vernachlässigende KPÖ ausgenommen - hat es die Volkspartei bisher am wenigsten verstanden, den geänderten Herausforderungen an die Politik gerecht zu werden. Ihre Situation ist ernst. Verfolgt man die Kurve ihrer Wahlergebnisse seit Beginn der Zweiten Republik, schwankt sie bis 1986, also durch vier Jahrzehnte, zwischen etwa 40 und 50 Prozent der Stimmen, ohne daß man einen langfristig wirkenden Trend erkennen kann. Danach erfolgt ein dramatischer Abbruch. Heute ist die einstige Großpartei eine mittlere geworden, die unter 30 Prozent liegt und befürchten muß, von der einstigen Kleinpartei FPÖ überholt zu werden. Es zeichnet sich keine Trendwende ab. Die Partei ist in nicht geringem Maß demoralisiert. Bis zu einem gewissen Grad war sie das immer. Nach der Wahl des Jahres 1975 erzählte man sich in der ÖVP folgenden Witz, der nach schriftlicher Quelle von damals wörtlich wiedergegeben sei: "Bei der Nationalratswahl 1999 (!) sagt ein Freund zum anderen: 'Ich habe ÖVP gewählt.' Antwort: 'A, du warst das also!'" Handelt es sich hier um die Folgen einer gleichsam unabänderlichen Entwicklung, welche gegen die großen politischen Lager und deren Parteien verläuft? Wäre das der einzige Grund für den Abstieg der Partei, hätten es zwei andere nicht besser verstehen können, mit dieser Tendenz fertig zu werden. Dazu kommt etwas ganz Wichtiges. Unter der Flagge der ÖVP kann man auch heute siegen, wenn es sich nicht um Nationalratswahlen handelt. Die ÖVP ist insgesamt gesehen sehr stark in den Bundesländern und in den Gemeindestuben. Sie ist als Europapartei nach wie vor glaubwürdig und anerkannt. Sie stellt den Bundespräsidenten. In wichtigen Bereichen lebt sie also durchaus kraftvoll, ist aber in der Bundespolitik bis in die Substanz geschwächt. Dies ist keine Schwarzmalerei. Immerhin geistern seit einiger Zeit beharrlich Ideen einer Neugründung dieser oder einer anderen Partei des gleichen Zuschnitts herum. In der Bundeshauptstadt ist die ÖVP zur Kleingruppe geschrumpft, die an den roten Rockschößen hängt. Sie versteht es nicht mehr, über ein treues Stammpublikum, das freilich immer kleiner wird, hinaus zu kommen. Sie bietet den Menschen keine Motive, gerade sie, aber sonst niemanden zu wählen. Man kann diese Entwicklung nüchtern-distanziert, aber auch mit besorgter Anteilnahme verfolgen. Es gibt politische Denker, die der Volkspartei nicht nahestehen, aber davon überzeugt sind, daß es einer starken konservativen Kraft christlich-demokratischer und auch christlich-sozialer Prägung in unserem Land bedarf. Sehr viel von dem, was in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde, ist ja den Christdemokraten zu verdanken. Dabei geht es nicht nur um historische Verdienste, für die in der Politik bekanntlich niemand etwas gibt, sondern um eine fortbestehende Ausgewogenheit politischer Ziele und Repräsentanz. Man kann über die ÖVP denken, wie man will, aber niemand wird ihr absprechen können, daß sie stets versucht hat, eine besonnene, patriotische und sachorientierte Politik zu verfolgen. Recht und Freiheit waren bei ihr immer in so zuverlässigen Händen, wie man es sich wünschen muß. Sie ist der Versuchung der Zusammenballung politischer und wirtschaftlicher Macht weniger ausgesetzt, als ihr großer Konkurrent SPÖ. Der Wähler honoriert das allein aber nicht. Mit Ausnahme von Deutschland und insbesondere Bayern hat die Christliche Demokratie überall in Europa Boden verloren und ist zum Teil bis zur Bedeutungslosigkeit abgesunken. Oft auch aus eigener Schuld. Wenn man sich vor Augen führt, wie die Democrazia Cristiana in Italien ihre frühere Macht mißbraucht hat, ist der totale Niedergang berechtigt. |
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