ID: Credo
quia absurdum!

Kommentare eines tiefgläubigen Atheisten zu den Thesen eines amtsgläubigen Kardinals

 

von Univ. Lektor Prof. Mag. Dr. Walter W e i s s, Philosoph in Wien–Klosterneuburg

 

Lieber Gott

            wenn es dich gibt

            rette meine Seele

            wenn ich eine habe.

 

Am Mittwoch, dem 4. März 2009, hielt im Rahmen des Symposions zum Thema „Evolution – Die Grundlage für ein Verstehen des Wandels in der Welt“ der Wiener Erzbischof und Kardinal Christoph Schönborn den Vortrag „Schöpfung und Evolution – zwei Paradigmen und ihr gegenseitiges Verhältnis“. Der Philosoph Walter Weiss, der schon mehrfach dem Kardinal und seinen Thesen öffentlich widersprochen hatte (u. a. in KIRCHE IN, den „Conturen“ und in mehreren Büchern als Gastkommentator) nimmt auch diesmal Stellung zu den Ausführungen des Wiener Erzbischofs. Hatte Weiss in seinen bisherigen Repliken immer nur zu einigen besonders verqueren Aussagen des Kirchenfürsten Bezug genommen gehabt, kommentiert er diesmal direkt (in Kursivschrift) in die Sätze des Vortragenden hinein. Auf diese Weise wird sofort ersichtlich, mit welchen sophistischen Methoden und rhetorischen Kunstkniffen das Publikum manipuliert wurde. Aus urheberrechtlichen Gründen durfte der Vortrag des Kardinals allerdings nicht im Original wiedergegeben werden. Weiss hat daher das jeweils Vorhergesagte in eigenen Worten zusammengefaßt und nur die von ihm widersprochenen Sätze des Kardinals – und auch das nur teilweise – im Original belassen: Das gestattet das Urheberrecht nämlich: und zwar als „Kleines Zitat“.

 

 

Schönborn machte gleich in seinen Einleitungssätzen klar, daß es ihm – wieder einmal – um Evolution und im besondern um Darwin gehe. Und natürlich um Naturwissenschaft und Theologie. Daher ist seine erste Frage auch unausbleiblich:

 

Warum gibt uns „die Natur" Antworten? Warum ist sie „lesbar"? Warum kann sie entziffert, entschlüsselt werden?

 

Was bleibt mir daher anderes übrig, als ihm trocken entgegenzuhalten:

 

Weil wir es sind, die Fragen stellen. Und wir nur Antworten geben, die wir auch verstehen können.

 

Dann vergleicht der Kardinal die Schöpfung und damit die angebliche Dauer des Bestehens des Universums mit einem sogenannten „Weltenjahr“ und zitiert  hierzu die Darstellung des Physikers und Theologen Prof. Dieter Hattrup:

 

„Vergleichen wir dieses Alter mit einem Jahr von 365 Tagen! Dann entspricht einem Monat [etwa] eine Milliarde von Jahren. Mit dem Glockenschlag Null Uhr soll der Urknall am 1. Januar beginnen. Nach ein paar Wochen bilden sich die ersten Galaxien und Sonnen. Einige Zeit existieren sie, dann lösen sie sich auf, die großen Sonnen verbrennen sehr schnell, die mittleren langsamer, die kleinen ganz langsam. Sie verteilen ihr Gas wieder in den Raum, wo es sich erneut verdichten kann. In dritter, vierter oder fünfter Generation entsteht Mitte August unser eigenes Sonnensystem aus einer Wolke von Gas und Staub.“

 

Weiter geht es im Zitat:

 

„Die meiste Materie landet als Wasserstoff in der Sonne und wird immer mehr verdichtet, nach einem einzigen Tag in diesem Zeitraffer ist sie schon fertig. Wenig später bilden sich die äußeren Gasplaneten und die inneren Festplaneten, unter ihnen die Erde. Am 16. Dezember gibt es die ersten Wirbeltiere im Wasser, am 19. Dezember betreten die Pflanzen das feste Land. Zu Weihnachten beginnen die Säugetiere ihren Aufstieg. Fünf Minuten vor Zwölf am 31. Dezember leben die Neandertaler, fünfzehn Sekunden vor Zwölf wird Jesus Christus geboren, und vier Sekunden vor Zwölf haben wir das Jahr 1500 und den Beginn der Neuzeit.“

 

Die Conclusio des Professors :

 

„Wenn es hoch kommt, dauert das Leben eines Menschen in diesem Weltalljahr eine Sekunde, meistens aber nur die Hälfte davon." (Zitiert von Schönborn  aus „Der Traum von der Weltformel oder Warum das Universum schweigt", Freiburg 2006, S. 78f)

 

Natürlich kommt vom Kardinal sofort, was kommen muß: Der Mensch sei im Vergleich zu diesem kosmischen Jahr nur ein Wimpernschlag! „Was soll die Existenz des Menschen in diesem 99,9 (periodisch) Prozent menschenleeren Universum, von dessen ,Geschichte´ er nur ein Zigtausendstel ausmacht?“ fragt der Kardinal daher in bewährter sophistischer Manier. Meine Entgegnung darauf:

 

Das Universum mag wohl menschenleer sein (und was ist mit uns, Herr Kardinal? Gehören wir etwa nicht zum Universum?), aber nicht ohne auch anderes – also nicht irdisches – Bewußtsein. Die Annahme nämlich, daß wir alleine im Universum seien ist genauso wenig bewiesen wie daß es Myriaden anderer Selbstbewußtseine außerhalb unseres Sonnensystems gäbe. Woher nehmen Sie Ihre Gewißheit? Aus der Bibel?

 

Dann behauptet Schönborn, daß sich Bewußtsein (nach Schönborn im OT: Das Wissen-Können) erst in den „letzten Sekunden“ dieses Weltenjahres gebildet habe, und es kommt die rhetorische Frage: „Was bedeutet dieses flüchtige Wissen, dieses vergängliche Bewußtsein?“ Meine Entgegnung darauf:

 

Wissen mag flüchtig sein, Bewußtsein hingegen ist ewig. Warum? Weil Bewußtsein ohne Anfang und Ende ist und Zeit erst schafft. Ohne Bewußtsein kein Anfang und kein Ende ... Wissen Sie das nicht. Eminenz?

 

Der Kardinal weiter: „Ist es (das Bewußtsein, Anm. W. W.) nicht ein sinnloses Spiel, eine Fata Morgana in den endlosen Wüsten des Weltalls?“

 

Nein, Eminenz, das Weltall ist beileibe keine Wüste; woher haben Sie das? Es nur zu behaupten, ist jedenfalls kein Argument für seine Wahrheit! Vielmehr ist das Weltall ein „Garten Eden“ des Lebens. Das ist zwar auch nur eine Behauptung – aber eben genauso eine, wie die Ihre! Warum sagen Sie das nicht Ihren Zuhörern? Weil es nicht in Ihre Deduktion paßt ... na ja, sophistisch eben.

 

Dann wird vom priesterlichen Redner – überraschend: Wer hätte das auch erwartet? – gar Friedrich Nietzsche zitiert. Und zwar aus seiner Schrift „Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn“. Das hat natürlich etwas, wenn ein Kardinal es tut:

 

„In irgendeinem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge Thiere das Erkennen erfanden. Es war die hochmüthigste und verlogenste Minute der „Weltgeschichte": aber doch eine Minute. Nach wenigen Athemzügen der Natur erstarrte das Gestirn, und die klugen Thiere mußten sterben. - So könnte Jemand eine Fabel erfinden und würde doch nicht genügend illustrirt haben, wie kläglich, wie schattenhaft und flüchtig, wie zwecklos und beliebig sich der menschliche Intellekt innerhalb der Natur ausnimmt; es gab Ewigkeiten, in denen er nicht war; wenn es wieder mit ihm vorbei ist, wird sich nichts begeben haben. Denn es giebt für jenen Intellekt keine weitere Mission, die über das Menschenleben hinausführte. Sondern menschlich ist er, und nur sein Besitzer und Erzeuger nimmt ihn so pathetisch, als ob die Angeln der Welt sich in ihm drehten".

 

Schönborn sinniert anschließend über das „kurze Gastspiel des Lebens auf unserem privilegierten Planeten, das noch viel kürzere Aufflackern des Bewußtseins, des Geistes auf diesem unseren Raumschiff Erde“ und stellt die Frage, was denn dieses Spiel bedeute angesichts des „Untergehens des Menschen“. Ihm – dem Kardinal – kann ich darauf nur entgegnen:

 

Das Bewußtsein flackert eben nicht nur in dieser „einen, verlogensten Minute“ auf unserer Erde auf, sondern ewig und jederzeit und immer – im gesamten All. Beweisen Sie das Gegenteil! Sie haben da jedenfalls ein ganzes Heer von Astronomen gegen sich – und mich natürlich, was Sie aber nicht sonderlich erregen wird!

 

Schönborn legt daher auch nach – und wieder mit Nietzsche: „Nach wenigen Athemzügen der Natur erstarrte das Gestirn, und die klugen Thiere mußten sterben". Dann bemüht der Kirchenmann sofort die drei Kränkungen des Menschen: die kopernikanische, die darwin´sche – auf die wird ja hingearbeitet – und die freud´sche. Diesen setzt der Theologe flugs eine vierte hinzu: jene der Einsicht in die unerbittliche Vergänglichkeit von allen nämlich. Die erfindet der Kardinal zwar, aber die Zuhörer sind beeindruckt und bedenken nicht, daß diese Behauptung durch nichts belegt ist – ganz im Unterschied zu Darwin, dessen Theorie als die am besten abgesicherte von allen zur Zeit anerkannten ist. Also bleibt mir nichts anderes über, als dem Erfinder von angeblichen Wahrheiten abermals entgegenzuhalten:

 

Unsere Erkenntnisse sind keineswegs vergänglich, sondern vielmehr das Zu-sich-selbst-Kommen des Ein-Allen – soll sein (und in Ihrer Sprache) „Gottes“! Woher nehmen Sie Ihren Glauben, daß es nur irdisches Bewußtsein gäbe? Aus der Bibel? Aber gehen S´! Bin ich etwa gar gläubiger als Sie, Eminenz? Denn das Ein-Alle ist philosophisch-monistisches Fundament und damit Gewißheit, Ihr Gott aber nur Ihr persönlicher Glaube: nämlich an den Dualismus und die Trennung der einen Welt in ein Dies- und Jenseits ... Und was machen Sie mit jenen, die Ihnen da nicht folgen? Dazu gehören nämlich jede Menge aufgeklärter (Basis-)Christen – und Theologen!

 

Des Kardinals Vortrag ist jedenfalls subtil aufgebaut: Der Redner schmückt sich gerne mit fremden Federn und zitiert sogar Kardinal König, dem er allerdings  Kant´sche Worte einer anderen Dreiheit, leicht abgewandelt, in den Mund legt: „Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und: Welchen Sinn hat mein Leben?" Kardinal König habe diese Worte in seinem Vorwort zu Walter Thirrings „Kosmischen Impressionen“ geschrieben ...

 

Thirring und König sind immer gut! Kant wird verschwiegen! Daher muß ich den Kardinal darauf aufmerksam machen:

 

Diese drei Fragen stammen ursprünglich von Kant … Aber es freut mich, daß Sie den großen Kardinal König zitieren!

 

Weil aber Schönborn weiterhin die Angstkeule schwingt und das Ende unseres Sonnensystems und damit auch unsere Endlichkeit zum Thema macht, preist er als Lösung die Religionen an – das war zu erwarten gewesen: Religionen dien(t)en immer dazu, Angst zu erzeugen und daraufhin mit Trost zu antworten! Der Kirchenmann preist daher „...die jüdisch-christliche Antwort ist der Glaube an den Schöpfer des Himmels und der Erde.“ Dann kommt der Hammer mit Jesus – auch das war zu erwarten gewesen: „Himmel und Erde werden vergehen", wird  Jesus zitiert, und dann gleich darauf die Offenbarung: Es werde „einen neuen Himmel und eine neue Erde" geben, gemäß der Offenbarung des Johannes (Offb 21,1). Dann sprudeln die heiligen Zitate nur so: aus Hebr 13,14 wird zitiert, „...daß wir hier auf Erden keine bleibende Stätte haben" und es wird – man ist an Zuckerbrot und Peitsche erinnert – darauf hingewiesen, daß unsere Erde kein „zugiger, unfreundlicher Wartesaal zur Abreise in eine bessere Welt“ sei, sondern vielmehr „Schöpfung, also von einem Schöpfer gewollt.“

 

Darauf haben natürlich alle gewartet – das war schon fällig gewesen. Das nächste Zitat – ohne solche geht es wohl nicht; wird das eigene Wortgewicht als zu gering eingeschätzt? – bringt die Worte des Nobelpreisträgers Jacques Monod: Wir seien keine „Zigeuner am Rande des Weltalls", sondern vielmehr Geschöpfe „nach Bild und Gleichnis" (Gen 1,26) des Schöpfers.

 

Da drängt sich mir natürlich sofort die Gegenfrage auf: Sind wir Menschen mit unserem Selbstbewußtsein wirklich „nur“ Bild und Gleichnis? Sind wir vielmehr nicht sogar „ER“, besser ES? Wir durch „IHN“, „ER“ durch uns? (Die Feministinnen mögen mir das „Ihn“ und „Er“ verzeihen …)

 

Doch Schönborn ist nicht mehr zu bremsen: „Sind wir gewollt oder sind wir von einem blinden Schicksal ins Dasein geworfen?“ fragt er vom Podium.

 

Weit gefehlt, muß ich dem Eiferer entgegenhalten, wir sind weder „gewollt“, noch „geworfen“ – wir sind gemußt! Ohne Selbstbewußtsein keine Welt – was wäre das denn auch: eine Welt ohne Erkenntnis?

 

Dann erstmals aufkeimende Einsicht des Polterers wider Darwin. Er erklärt überraschend seinen NYT-Artikel als „holzschnittartig“ und gibt zu, dieser „hätte noch einiger Differenzierungen bedurft.“

 

Spät kommt Ihr (drauf), Eminenz, doch Ihr kommt! fällt mir dazu nur ein.

 

Aber es bleibt bei der Rhetorik, denn jetzt wird – wieder – eine falsche Alternative aus der Trickkiste geholt: Sind wir „Zufallsprodukt“ oder nicht?

 

Nein, Eminenz, Ihre Alternative ist falsch: Zufälle gibt es nur im kausalen Denken, und das ist genau jenes, das für die anstehende Frage das Falsche ist. Aber das hatte ich Ihnen schon des langen und breiten in meinem KIRCHE IN-Artikel auseinandergesetzt gehabt: Die Evolution ist nicht zufällig – sie ist notwendig!

 

Dann verwirrt Schönborn seine Zuhörer mit dem sogenannte NOMA-Prinzip von Stephen Gould, demzufolge man die zwei Denkwelten, nämlich Schöpfungsglaube und die Evolutionstheorie, als Non-Overlapping-Magisteria nebeneinander stehen zu lassen habe – und Schönborn fragt, ob das denn auch funktionieren könne. Eine Neuauflage der sogenannten „doppelten Wahrheit“ also, nach der es eine theologische und eine naturwissenschaftliche Weltsicht gäbe. Gleichberechtigt? Auch dieser Griff in die Historie war zu erwarten gewesen. Völlig unnötig natürlich, denn:

 

Wir sollten „bloß“ anders denken – und nicht doppelt!

 

Sofort distanziert sich der Scholastiker allerdings von der doppelten Wahrheit, indem er beklagt: „Ginge das, dann gäbe es nicht die heftigen, leidenschaftlichen, oft bitteren Debatten, die seit nun gut 200 Jahren immer noch die Geister und Gemüter bewegen.“ Und greift in die unterste Schublade seiner Trickkiste und zitiert Darwin, indem er behauptet, daß Darwins Forschungen diesen „in immer schärferen Konflikt mit seinem traditionellen Glauben an Schöpfer und Schöpfung gebracht“ hätten. Der geschulte Rhetoriker untermauert dies mit einem Schreiben Darwins an seinen Freund Joseph Hooker: „Inzwischen bin ich überzeugt davon, daß die Arten nicht (es ist, als gestehe man einen Mord) unveränderlich sind." Zitiert wird exakt: aus J. Neffe, Darwin. Das Abenteuer des Lebens, München 2008, 241.

 

„Als gestehe man einen Mord?“ fragt Schönborn anklagend in den Saal: „An wem? Am Schöpfer?“

 

Das ist natürlich Sophisterei pur! Denn genau das wird Darwin nicht gemeint haben – aber man kann ihn natürlich nicht mehr fragen, und das weiß auch unser Kämpfer gegen ihn. Näherliegend wäre die folgende Interpretation: Darwin gestand seinem Freund bloß den „Mord“ an der eigenen, eingelernten Überzeugung. Immerhin sollte Darwin ja ursprünglich Pastor werden ...

 

Erst jetzt nähert sich der blendende Rhetoriker dem Eingemachten: indem er

Darwins Theorie von der „Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl" der tradierten Sicht, daß die Arten nämlich unveränderlich seien, entgegenstellt. Gott habe doch Jegliches „nach seiner Art" geschaffen! Und beschwörend wird gefragt: „Wenn für die Entstehung der Arten eine natürliche Erklärung gefunden werden kann – wird dann der Schöpfer nicht überflüssig?“

 

Nein; er war es schon vorher! Kann ich da nur antworten. Einen Schöpfer brauchen nur Deisten und Theisten – aber nicht wahrhaft gläubige Christen und monistisch denkende Philosophen ...

 

Unser Frontkämpfer ist weiterhin mit Zitaten nicht geizig: Jetzt ist der Brief Darwins an den amerikanischen Botaniker Asa Gray daran: „Als ehrlicher Mensch muß ich Ihnen sagen, daß ich zu dem ketzerischen Schluß gekommen bin, daß es so etwas wie unabhängig voneinander erschaffene Spezies nicht gibt – daß die Spezies nur ausgeprägte Spielarten sind." Brav zitiert: J. Neffe, a. a. O., S. 285. Und wieder fragt Schönborn: „Ein Mord am Schöpfer? Eine Ketzerei?“

 

Nein, bleibt mir hier nur zu erwidern, bloß Erleuchtung des um Wahrheit und Durchblick ringenden Darwin!

 

Unser Zitiermeister holt zum nächsten Schlag aus (aus „Origin of Species", 15.  Kapitel): „Da dieses ganze Werk nichts weiter ist als eine lange Kette von Beweisen, so wird es dem Leser willkommen sein, wenn ich die hauptsächlichsten Tatsachen und Folgerungen kurz wiederhole." Schönborn mokiert sich in der Folge über die „Beweise" und die  „Tatsachen" Darwins und gibt zu bedenken, daß Darwin doch selbst zugegeben habe (!), daß sich gegen seine Theorie „viele gewichtige Einwände vorbringen lassen" (aus dem gleichen 15. Kapitel zitiert). Und Schönborn führt Klage darüber, daß Darwin sogar überzeugt gewesen sei, daß sich alle Einwände durch seine weitere Forschung wegwischen lassen würden.

 

Für mich erhebt sich da die Frage: Warum setzen Eminenz „Beweise“ und „Tatsachen“ (in der schriftlichen Ausführung Ihrer Rede) unter Anführungszeichen bzw. betonen diese sosehr? Es sind nämlich tatsächlich solche – vor allem im Vergleich zu Ihrer sogenannten bloß  geoffenbarten „Wahrheit“ des angeblichen Wortes Gottes! Was ist an Beweisen und Tatsachen so schlecht? Daß man sie nicht widerlegen kann – Ihre Offenbarung aber schon?

 

Was Schönborn von Darwin wirklich hält, entlarvt sein folgende Satz: „Von der Schöpfung spricht er hingegen als von einer Theorie, ja von der Schöpfungshypothese!“ Und der Eiferer zitiert – zur Untermauerung (wovon eigentlich?) sofort wieder: Die Begriffe „Theorie“ und „Schöpfungshypothese“ entstammten dem Originaltext der „Ursprung der Arten“, und zwar dem Kap. 15, Reclam-Ausgabe, S. 657.

 

Da muß ich natürlich erstmals dem so brav Zitierenden recht geben:

 

Ja, das ist eindeutig falsch von Darwin: Die Schöpfung ist natürlich keine „Hypothese“ und schon gar keine „Theorie“: Sie ist bloßer Mythos, also Märchen, denn: Tatsachen und Beweise sind nur deswegen welche, weil man sie (theoretisch) widerlegen könnte und Experimente, Funde, Beobachtungen oder Tatsachen sie bestätigt haben. „Schöpfung“ hingegen kann man nur glauben – wenn man leichtgläubig ist.

 

Schönborn sucht sofort weitere Hilfe bei Berühmteren: bei Laplace. Der hat ja bekanntlich Napoleon bei dese Frage nach dem „Platz Gottes“ geantwortet: „Sire, diese Hypothese benötige ich nicht.“ Schönborns Analyse dieser Aussage: „Laplace soll sie nicht zynisch oder atheistisch gemeint haben. Er korrigierte nur zu Recht die newton'sche Idee, daß es ,Lücken´ in der Natur gäbe, in denen Gott eingreifen müßte, um das Werk der Natur zu ergänzen ...“

 

Aha. Gedreht, wie man ´s braucht: Darwin hat die „Hypothese Gott“ nie benötigt! Und Laplace natürlich auch nicht in dem von Schönborn ihm unterschobenen Sinn. Aber wer widerspricht schon einem Kardinal bei dessen öffentlichen Vortrag, noch dazu im Auditorium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften?

 

Irgendwie scheint es Schönborn sogar selbst aufgefallen zu sein, denn er zitiert flugs: „Die ,herkömmliche Schöpfungsansicht´ (aus Entstehung, a. a. O., S. 655), dessen war er (Darwin; Anm. W. W.) sich sicher, konnte inskünftig als überwunden gelten.“

 

Eben.

 

Dann stellt der Kardinal sogar Darwins Überzeugung als ehrliche in Frage, indem er abermals einen Originalsatz Darwins vorliest: „Ich sehe keinen vernünftigen Grund, warum die in diesem Werk entwickelten Ansichten irgendwie religiöse Gefühle verletzen sollten." (Entstehung, a. a. O., S. 666)

 

Da hat Darwin aber recht gehabt, Herr Kardinal: Bei wahrhaft Gläubigen tun seine Ansichten das ohnedies nicht, nur bei Kleingläubigen … Und – Ihnen gesagt, Herr Kardinal – mit diesem Satz wollte Darwin sicherlich nicht „beschwichtigen“, wie Sie Ihren Hörern, geschickt in einer Frage kaschiert,  unterstellen!

 

Schönborn ist da freilich anderer Ansicht: „Sie taten es, bei vielen.“

 

Nein, Eminenz, nur bei solchen, für die „Gott“ der „Deus ex machina“ ist.

 

Für diese gewagt Aussage ruft der Erzbischof von Wien sogar Darwin selbst (!) in den Zeugenstand: indem er ihm nämlich ankreidet, über seine Forschungen und Theorien zum Agnostiker geworden zu sein.

 

Wer jetzt noch nicht wußte, was Sophismus ist, der hatte eben ein Musterbeispiel miterlebt, denn: „Agnostiker“ heißt natürlich nur, daß Darwin „Gott“ nicht erkennen konnte (oder wollte) … und erkennbar im naturwissenschaftlichen Sinne ist „Gott“ ja auch wirklich nicht. Wer sucht  „Gott“ schon mit der Taschenlampe?

 

Weil die eigene Überzeugungskraft – offenbar – nicht ausreicht, zitiert der Erzbischof weiter: „Wissenschaft gegen Mythologie, Naturgesetz gegen Wundertat ... ein blind wirkendes Gesetz gegen die Erschaffung der Welt. Zufall statt Vorsehung." (aus Neffe, a. a. O., S. 290) Und Schönborn setzt hinzu: „War das notwendig? Mußte das so kommen?“

 

Und schon wieder Sophismus pur: Wissenschaft und Mythologie sind gar keine  Gegensätze, sondern ergänzen einander; Wunder heben keine Naturgesetze auf, sondern sind lyrische und literarische Kniffe, um Besonderes hervorzuheben. Und seitdem man das weiß, gibt es auch keine Wunder mehr, da mag die Kirche sich noch so mühen und welche erfinden – zwecks Heiligsprechungen nämlich …(Kaiser Karl, Subito Santo … auch Ratzinger wird wohl noch Wunder wirken …)

 

Da Nietzsche in einem erzbischöflichen Vortrag so eigentlich niemand erwartet, eignet der sich natürlich hervorragend zur Sophisterei: Er habe sich „heroisch der Radikalität der Welt gestellt“, hört man daher vom Podium. Alles sei „Täuschung", so Schönborns Kurzfassung von Nietzsches Einsicht; anstatt „stolzer Erkenntnis“ liege nur „verblendende Nebel über die Augen und Sinne der Menschen."

 

Was soll hier diese Phrase von der radikalen Endlichkeit der Welt? Setzt man anstatt „Täuschung“ den Begriff „Konstruktion“, so ist der „verblendende Nebel“ bloß die Brille, nur mit deren Hilfe der Mensch seine Welt wahrzunehmen in der Lage ist: aufgrund seiner Sinne und seines Selbstbewußtseins nämlich.

 

Zwei rhetorische Hammerschläge folgen: „Was bleibt nach Darwins Entthronung der Schöpfungshypothese? Ist Entwicklung ... der Ersatz für Schöpfung?“

 

Nein: Entwicklung ist kein „Ersatz“ für Schöpfung, sie  i s t  „Schöpfung“ in dem Sinn nämlich, daß „Gott“ erst dadurch als Selbstbewußtsein (bei uns Irdischen: im Menschen) zu sich kommt. Gott „hat“ nicht geschöpft, sondern er „schöpft“ (besser: verwirklicht) sich permanent im Selbstbewußtsein einzelner (natürlich auch außerirdischer Intelligenzen!).

 

Der dritte Hammerschlag ist jener der Frage nach dem Wohin der Entwicklung, ihrem Woher und Wozu.

 

Die Antwort darauf ist natürlich einfach: Weil Gott (= Selbstbewußtsein der vielen Vereinzelten) über die kosmische Evolution (von der die irdische natürlich nur ein Teil ist!) zu sich selbst kommen muß, damit überhaupt Welt sein kann!

 

Der vierte Hammerschlag ist dann die Frage nach einem Warum ohne Ziel!

 

Ein Warum gibt es freilich nur im kausalen Denken. Und ein Ziel nur dort, wo  Vollkommenheit nicht ist. Mehr als (= eine Überhöhung von) „Selbst“ ist allerdings nicht mehr denkbar: Selbst  i s t  Vollkommenheit! Also ist der Weg (der Evolution) das Ziel (der Selbstfindung): Die Evolution erst garantiert das   Ziel des Selbst: Und das findet sich nicht „in“ Gott, sondern (z. B.) im Menschen: als Selbstbewußtsein! Oder in irgendeinem Alien, der auch zum Selbst evolviert ist!

 

Die Rhetorik überschlägt sich, wenn der Erzbischof fragt: „Ist dann nicht die vierte Kränkung, die Nietzsche'sche, die ehrlichste Antwort? Kein Wozu, kein Warum!“

 

Richtig, Eminenz! Kein Wozu, kein Warum! Nur ist Evolution deswegen nicht sinnlos, sondern höchster und letzter Sinn: Das Ermöglichen des Zu-sich-Kommens von Selbstbewußtsein nämlich!

 

Das schönbornsche Furioso gipfelt freilich nicht in der obigen Einsicht, sondern in den folgenden drei Schlagworten: „Ertragen der Sinnlosigkeit!“

 

Ist ein solcher Fehlschluß eines Kardinals noch würdig?

 

Wieder will sich Schönborn bei Darwin absichern, indem er konzediert, gar nicht wissen zu können, wie Darwin letztlich „über die Sinnfrage gedacht hat“ und daß es Darwins „persönliches Geheimnis bleiben“ werde, wie solches übrigens Geheimnis eines jeden Menschen sei ...

 

Wirklich, Herr Kardinal? Gerade der von sich Überzeugte, also der wahrhaft Gläubige, macht aus seinem Wissen kein „Geheimnis“, sondern verkündet es! Das wäre wahre und wahrhafte christliche Verkündigung!

 

Übergangslos heißt es dann, daß alles Lebendige miteinander verwandt sei. Dies sei sogar gewiß!

 

Aha, verbleibt mir hier nur zu kommentieren: Dieser plötzliche Gesinnungswandel des Scholastikers Schönborn ist jedenfalls bemerkenswert!

 

Diese Gewißheit läßt sich Schönborn sogar von Darwin absegnen: „... es sei wahrlich etwas Erhabenes um die Auffassung, daß der Schöpfer den Keim allen Lebens, das uns umgibt, nur wenigen oder gar nur einer einzigen Form eingehaucht hat und daß, während sich unsere Erde nach den Gesetzen der Schwerkraft im Kreise bewegt, aus einem schlichten Anfang eine unendliche Zahl der schönsten und wunderbarsten Formen entstand und weiter entsteht." (zitiert aus der 2. Auflage der „Entstehung der Arten“, a. a. O. S. 678)

 

Diese Deutlichkeit Darwins hinterfragt der Zitierende natürlich sofort: ob dieser Schlußsatz Darwins nicht eher ein „Kniefall“ vor jenen gewesen sei, die Darwins Theorie „als blasphemisch“ abgelehnt hätten? Und der Kardinal fragt: „Wollte er ihnen doch noch ein Plätzchen für den Schöpfer übriglassen?“ Aber er grenzt gleich ein: „Aber nur am Anfang, ohne dann des weiteren in die Schöpfung einzugreifen...“

 

Weiß der Kardinal eigentlich, was er mit solcher Rhetorik anstellt? Wir wissen nämlich überhaupt nicht, was sich Darwin dabei gedacht hatte, als er diese Sätze schrieb. Warum müssen sie so negativ interpretiert werden, wie es der Kardinal hier tut? Vielleicht hat Darwin es genau so gemeint, wie ich eben weiter oben? Aus den „schönsten und wunderbarsten Formen“ (gemäß dem Originaltext Darwins) entsteht tatsächlich Selbstbewußtsein – wobei „schön“ und“ wunderbar“ natürlich nur konstruktivistische Attribute sind. 

 

Das folgende ist dem Kardinal sicherlich nur „passiert“, denn er bezeichnet die von ihm angedachte Auffassung (richtigerweise) als „Deismus", also Gott quasi als Uhrmacher, der sein Werk einmal aufgezogen habe und es jetzt nur mehr ablaufen lasse.

 

Genauso ist es auch: Deismus ist noch schlimmer als Theismus. Nur Un- oder Kleingläubige sind De- oder gar Theisten!

 

Jetzt erfolgt eine Zäsur im Vortrag des Missionars. Er erläutert, was „Schöpfung“ in der Tradition des Christentums bedeute, und weist darauf hin,

daß Darwin mit „seiner" Schöpfungstheologie lange gerungen und sich dann  von ihr gelöst habe: die „doppelte Wahrheit“ habe für ihn keine Gültigkeit mehr gehabt. Schönborn schulmeistert Darwin: „Ein fleißiger Theologiestudent dürfte er nicht gewesen sein.“ Und: Sein theologisches Verständnis von Schöpfung sei nicht gerade von höchstem Reflexionsniveau gewesen.

 

Potzblitz. Warum erteilen Eminenz dem großen – dem größten? – Forscher solche Zensuren? Gott sei Dank hatte Darwin kein „theologisches“ Verständnis von Schöpfung! Er hat sich vielmehr von einem solchen enggeführten gelöst und ist neue weite Wege (Der Weg ist das Ziel!) gegangen. Und muß sich von Ihnen jetzt mangelnden Fleiß nachsagen bzw. vorwerfen lassen?

 

Weiter filibustert der Darwin-Bekrieger: War für Darwin das wörtliche Verständnis des Sechstagewerkes der Schöpfung  mit seinen Kenntnissen der Erdgeschichte vereinbar oder nicht? Darwin habe ja „große Not“ mit der Auffassung gehabt, Gott hätte die Arten einzeln erschaffen.

 

Reinster Sophismus! Einerseits taktiert der Kardinal in seiner Originalrede (die ich aus urheberrechtlichen Gründen im vollen Originalwortlaut nicht  wiedergeben darf) mit Floskeln wie „keine Frage“, die gleich darauf mit „oder doch?“ relativiert wird, andererseits setzt er mit seiner Behauptung: „Sicher hatte er …“ eins drauf. Woher wollen Eminenz so „sicher“ wissen, ob Darwin „große Not“ hatte? Darwin hatte überhaupt keine „Not“ mit seiner Auffassung, sonst hätte er nicht über 600 Seiten darüber publiziert.

 

Schönborns Rede ist ein Lehrstück für Sophismus. Er stellt sich Fragen und beantwortet sie gleich. Er zitiert, wie es ihm paßt – und bewertet bzw. wertet die Zitate ab. Beispiele gefällig: Der Kardinal unterstellt Darwin einen „recht sarkastischen Ton“ in der „Origin of Species": „Glauben sie [d. h. die Vertreter einzelner Schöpfungsakte] wirklich, daß in unzähligen Perioden der Geschichte unserer Erde gewisse elementare Atome gleichsam kommandiert worden seien, sich plötzlich zu lebenden Geweben zusammenzuschließen? Glauben sie, daß bei jedem vermeintlichen Schöpfungsakt ein einziges Individuum oder gleichzeitig viele erschaffen wurden? Wurden alle die zahllosen Tier- und Pflanzenarten als Eier oder als Samen oder wurden sie gar gleich erwachsen erschaffen?" (aus: Die Entstehung der Arten, a. a. O., S. 669)

 

Nein, das glaubte Darwin tatsächlich nicht. Warum unterstellen Herr Kardinal ihm da einen „sarkastischen“ Ton?

 

Der folgende Satz entstammt allerdings auch dem bischöflichen Mund: „Nein, die Idee der Erschaffung fertiger einzelner Wesen oder Arten ist absurd.“

 

„Aber geh“, ist man da versucht, auszurufen! „Haben Sie damit aber recht!“ Erstmals in diesem Vortag gehe ich mit Ihnen konform – zuvor allerdings auch bereits mit den von Ihnen, sehr geschickt übrigens, ausgewählten Nietzsche-Zitaten, die man einem Theisten wirklich nicht zugetraut hätte. Aber das jetzt auch noch! Hut ab! Hat man Sie etwa gar von Rom aus geheißen, das zu sagen?

 

Und dann geht der Wiener Erzbischof tatsächlich auf die Kreationisten los! Er bezeichnet die „kreationistischen Thesen von einer Erschaffung der Welt in sechs 24-Stunden-Tagen“ als „pseudowissenschaftliche Spekulationen“! Und macht sich lustig über den Glauben an eine junge Erde,  eine historische Deutung der Sintflut usw.

 

Aha. Seit wann, Eminenz, ist man da freilich versucht zu fragen? Seit meinem KIRCHE IN-Artikel etwa, den Sie – ich nehme es zumindest an – vielleicht doch kennen werden? In der New York Times haben Sie jedenfalls noch anders geklungen! Oder hat das ganze Heer von aufgebrachten Evolutionisten seit Ihrem New Yorker Ausritt Sie schlußendlich doch auf den richtigen Weg gebracht? Oder war Ihnen auch hier Rom „behilflich“?

 

Was folgt, ist nachgerade unglaublich: Der Geläuterte (?) bezeichnet den Kreationismus plötzlich als „unstatthafte Simplifizierung“ und weist entrüstet von sich, diesen „mit einem fundierten Schöpfungsglauben in einen Topf zu werfen". Schlußfolgerung aus diesem Salto vorwärts: „Das Bibelverständnis des Kreationismus ist sicher nicht das der Katholischen Kirche ...“

 

Da schaut man aber! Und zu dieser Erkenntnis haben Eminenz den Umweg über die New York Times gebraucht?

 

Natürlich wird sofort relativiert: einem Schritt vor folgen zwei zurück. Das Schöpfungsverständnis Darwins sei „dem des fundamentalistischen Kreationismus viel näher“ als jenem „... der großen christlichen philosophischen und theologischen Auseinandersetzung mit dem Thema Schöpfung.“

 

Dachte ich mir ´s doch schon, daß hier noch ein dickes Ende nachgeschoben wird! Darwins Schöpfungsverständnis (im Originalton der Suada: „langes Argument“) ist pure Wissenschaft, Kreationismus hingegen pure Mißinterpretation eines Märchens (des der Schöpfung nämlich!), und beide seien einander „nahe“, nein: „näher“ sogar! Merke, Christoph: Märchen haben durchaus ihre Berechtigung! Sie sind eine wert- und sinnvolle Beschreibung der Welt im magischen und mythischen Verständnis derselben – soll sein auch im religiösen. Märchen sind also eine Bereicherung unseres Wissens. Diese aber rationalisieren zu wollen kann nur in Irrationalität, also schlicht in Unsinnigkeit enden. Und in solche Nähe rückt ein ehemals (?) papabler Kardinal die am besten abgesicherten Theorie der heutigen Wissenschaften! Kardinalstugend?

 

Daher erschlägt der Kämpfer gegen den Evolutionsdrachen Darwin diesen schlicht mit der erzbischöflichen Vermutung, Darwin habe sich „in seinem recht summarischen Theologiestudium ... kaum mit den christlichen Meistern auseinandergesetzt ...“

 

Und schon wieder vermutet Siegfried! Und Darwin kann sich gegen solche ungeheuerlichen priesterlichen Unterstellungen nicht mehr wehren. Einkalkuliert?

 

Recherchiert hat der Erzbischof allemal: Darwin habe immerhin William Paley gelesen, nämlich sein „The Evidence of Christianity". Dieser Zugang zum Christentum sei aber sehr apologetisch gewesen; große christliche Denktradition hätte Darwin dort nicht gefunden, dafür aber „einen stark pragmatischen Zugang“. Dieser wird auch gleich als von der angelsächsischen Kultur bevorzugt punziert. Und in einem Aufwaschen wird wieder der Deismus bemüht: von einem Theisten.

 

Schon wieder zensieren Eminenz. Sie sind es wohl gewohnt als Univ. Professor? Aber gegen Tote?

 

Dann bemüht der Univ. Prof. gar das Spätmittelalter und seine Strömungen des Nominalismus und konstatiert die „immer deutlichere Mechanisierung des Weltbildes“. Erzbischöfliche Conclusio: Kausalität werde auf die materielle Kausalität reduziert. Erzbischöfliches Lamento: Die einstmals klassische Lehre über die vier Ursachen ginge verloren, von der Finalursächlichkeit und der Formalursächlichkeit sei keine Rede mehr. Und weil ihm sein Schließen nicht zu genügen scheint, bemüht – erraten – der Erzbischof abermals einen Berühmteren: Werner Heisenberg. Nach diesem verkürze sich nach dem Mittelalter der Begriff der vier Ursachen immer mehr auf die Materie- und Bewegungsursache. Damit gemeint seien „die Regel von Ursache und Wirkung" (OT. W. H.) Die Folge?  Eine zunehmend auf das Materielle verkürzte Sicht der   Wirklichkeit. Der eifrige Zitierer verweist natürlich korrekt auf seinen Einsager: W. Heisenberg, Das Naturbild der heutigen Physik, Hamburg 1955, S. 24ff.

 

Bravo, Herr Kardinal: Damit haben Sie Ihre zweite richtige Aussage getan.

 

Erzbischöfliche Klassifikation: reduktionistisches Wirklichkeitsverständnis. Und: Es gibt nur von außen wirkende Ursachen. Der Kardinal nennt sie „extrinsezistisch“. Die Zuhörer werden sich über dieses Wort gefreut haben ...

 

Es mußte ja der Pferdefuß folgen! Denn: Ursachen kommen nie „von außen“, sondern immer „von innen“ – und unsere Vernunft ist damit gemeint. Ursachen per se gibt es überhaupt keine „in der Welt“! Ursachen sind immer von uns konstruierte – und wenn wir die Welt kausal interpretieren, egal jetzt ob auf „die Regel von Ursache und Wirkung mit der Folge einer zunehmend auf das Materielle reduzierten Auffassung“, wie Sie oben (im Original!) zu beschreiben geruhten, oder als Final- oder gar Formalursächlichkeit: Immer sind  w i r  es, die unsere (!) Welt so interpretieren. Ich habe schon in meiner ersten Replike auf Ihre Ausführungen in KIRCHE IN (offenbar vergeblich) gezeigt, daß Gott keine Ursache sein kann, und ich will mich hier nicht wiederholen. Wo keine (Verständnis-) Wille, dort eben auch kein Weg …

 

Jetzt erst folgt die erzbischöfliche Sicht von Schöpfung – und natürlich Kritik an seinen „Gegner“: Darwin verstünde die einzelnen Schöpfungsakte wie materielle Ursachen und lehne sie („zu Recht“ qualifiziert der Schulmeister) ab. Gott erscheine Darwin als „eine Ursache neben (der) anderen“, quasi als innerweltliche, materielle. Das könne wohl nicht Sinn von „Schöpfung" sein, moniert der Kardinal. Und er schließt messerscharf – und abermals (!) richtig: „Wenn der Begriff der Schöpfung einen Sinn haben soll, dann nicht als eine Ursache unter anderen in der Kette der Wirkursachen.“

 

Daher bin ich ein drittes Mal bei Ihnen, Eminenz: Natürlich kann Gott keine (Wirk-)Ursache sein. Aber ob man Finalität wie im aristotelischen und später im scholastischen Sinn als eine der von Ihnen oben angesprochenen Arten von Kausalität bezeichnen soll, ist reine Geschmacksfrage, vor allem wenn man, wie Sie es hier antönen, Gott Finalität unterstellt – und das Ganze dann „Schöpfung“ nennt. Gott hat natürlich auch kein Ziel – als Vollkommener? Armer Gott, der noch ein Ziel bräuchte! Nein: Evolution hat kein Ziel, sie IST – ich wiederhole mich jetzt – die Art und Weise, wie sich Selbstbewußtsein verwirklichen muß! Nur so kann „Gott“ sein! „Gott“ braucht die Evolution – und  i s t  sie somit! „Gott“ wird wirklich und wirkt erst durch Evolution! „Gott“  i s t  erst (!) durch die unabzählbar vielen Selbstbewußtseine des Kosmos: und zwar ewig, ganz ohne Schöpfung! Ewig, wie jedes Selbstbewußtsein ist! Nur daß man in Folge solcher Einsicht, die natürlich nicht jedermann gegeben ist, auf die Verwendung der Chiffre „Gott“ auch verzichten könnte – nein, Sie als Kardinal natürlich nicht.

 

Dann folgt die zweite Überraschung: Der Kardinal distanziert sich von der „Intelligent Design"-Schule und beklagt sich, daß er mit dieser immer noch in Verbindung gebracht werde. Zu Unrecht übrigens, wie er lamentiert.

 

Aber geh´n S´! Und Ihr Artikel in der New York Times? Schuld sind doch immer nur die anderen, nicht wahr?

 

Die erzbischöfliche „Erklärung“ für dieses „Mißverständnis“? Er sieht es im  Versuch, „die hohe Komplexität in der Natur als Aufweis oder Beweis für ein Intelligent design zu bewerten“. Es sei ein fundamentaler Denkfehler, Design, also Plan, Zielgerichtetheit nicht auch auf der Ebene der Kausalität zu suchen; immerhin beschäftige sich die naturwissenschaftliche Methode damit.

 

Ach ja, und wo sonst wäre ID zu suchen? Selbst auf der finalen Ebene, die Sie jetzt ins Spiel bringen – eine Art Verzweiflungsschritt, wie ich mutmaßen darf; aber ich möchte nicht in denselben Fehler wie Sie verfallen und andere (also Sie) interpretieren, wie Sie es mit Darwin jetzt schon mehrfach gemacht haben –, wirkt Kausalität: nur retrograd. Wie die Matura (oder Kardinalswürde) einen Schüler (oder Bischof) „magisch“ anzieht und ihn veranlaßt, all dies und genau das zu machen, um dieses Ziel auch zu erreichen. Gott als retrograder Streber? Aber Christoph!  

 

Der „Streber“ ist übrigens überzeugt, daß „sich in der Schöpfung ein Ursprung und ein Ziel“ erkennen lasse. Und das dürfe man ohne weiteres „Intelligent design" nennen.

 

Na so was! Wozu also das vorherige Verwirrspiel?

 

Es sei übrigens für den bischöflichen Denker „eine sinnvolle, vernünftige Sichtweise“. Welche? „... auf einen Schöpfer zu schließen.“

 

Bingo! Für Sie, Eminenz, für Sie! Aber bitte lassen Sie die anderen damit in Ruhe!

 

Das sei aber keine naturwissenschaftliche Sichtweise, entschuldigt der Kardinal sofort.

 

Ihr fünfter richtiger Gedanke!

 

Er erwarte auch von der naturwissenschaftlichen Forschung nicht, daß sie Gott beweise.

 

Ah, da schau her! Der sechste richtige Gedanke!

 

Das könne sie ebensowenig beweisen, wie das Gegenteil.

 

Und sieben!

 

Dann die priesterliche Hoffnung: Der Naturwissenschaftler könne („als Mensch“ – als was sonst, Herr Kardinal?) über die Natur nachdenken und sich fragen:  Woher, Wohin und Wozu?

 

Sie wiederholen sich, Herr Kardinal!

 

Und er (der Naturwissenschafter) könne gar zur Einsicht kommen, daß – und darauf hat die ganze Zuhörerschaft wohl schon gewartet! – „die Annahme eines Schöpfers die sinnvollere und vernünftigere Sichtweise“ sei. Und jetzt kriegt auch Friedrich Nietzsche eins drüber: Nihilist nennt ihn der Kardinal.

 

Na, dafür haben Sie Nietzsche aber bisher sehr ausgiebig zitiert! Und: Kann, Eminenz! Kann! Der Naturwissenschafter kann! Aber genauso, wie es großartige Kirchenmänner (z. B. den Dominikaner Giordano Bruno) gibt und weniger begabte, verhält es sich mit den Naturwissenschaftern! Oder denken Sie an Meister Eckhart – ebenfalls Dominikaner! Mein Gott (jetzt rufe ich als A-Theist sogar den Ihren an!), wer alles Dominikaner war – und heute ist!

 

Schönborns Argumente werden jetzt immer häufiger nachvollziehbar. So stellt er fest, daß „der naturwissenschaftlich interessierte Laie“ Schwierigkeiten haben könnte, sich die Schöpfung vorzustellen. Denn – bingo – vorstellen könnten wir uns nur Veränderung.

 

Und acht, Herr Univ. Prof.! Veränderung ist tatsächlich erlebbar: und zwar tagtäglich; und nur Erlebbares ist vorstellbar. Wer sollte sich schon  „Schöpfung“, einen leeren Begriff, vorstellen können? Inhalte ohne Begriffe (Anschauung) sind/ist leer, Begriffe  (Anschauung) ohne Inhalte sind/ist blind. Das wußte schon Kant.

 

Wieder deklamieren Sie, daß wir die Evolution des Lebens „nicht zur Gänze rekonstruieren können“, weil wir sie uns „nicht in allen Einzelheiten vorstellen“ können ...

 

Da haben Sie aber recht! Das Ganze ist immer mehr als die Summe seiner Teile – und daher nicht vorstellbar. Evolution wird nicht deswegen unvorstellbar, weil uns (noch) Puzzleteile fehlen, sondern weil ihr Ganzes prinzipiell unvorstellbar ist! Ihre „Schöpfung“ hingegen hat nicht einmal Teile … Und so etwas lehren Sie als Theologe?

 

Dann stellen Sie – völlig willkürlich und unpassend übrigens! – technische Entwicklungen und Schöpfung gegenüber! Und argumentieren: Bei der technischen Entwicklung würde immer Vorhandenes entwickelt, bei Schöpfung hingegen käme überhaupt erst die Welt ins Sein.

 

Also das muß einem erst einmal einfallen: eine Schimäre (die Schöpfung nämlich) mit technischer Entwicklung zu vergleichen. Hut auf, Eminenz!

 

Aber es ist noch nicht genug: Sie wollen der Schöpfung nahekommen durch das (Ihr?) Staunen: Warum es die Welt überhaupt gibt? Warum es Sie und uns  gibt? Und dann zermartern Sie sich öffentlich Ihr Hirn, ob es denn überhaupt einen Sinn habe, daß unsereiner ins Dasein gekommen sei ...

 

Auch das habe ich (Ihnen) schon ausführlich erklärt gehabt – und vergeblich, wie ich sehe: in meiner Replik in KIRCHE IN auf Ihren New York Times-Artikel, in meinem Buch „Gott. Wozu.“ – und in den Büchern anderer („Opus Dei“; „Gerettet vom Stephansdom“ etc …) Aber all das wird wahrscheinlich nicht zu Ihrer Lektüre zählen ... Sie erwarten zwar, daß man Ihre Worte für bare Münze nimmt – sonst hätten Sie nicht sogar die Akademie der Wissenschaften von der öffentlichen Darstellung Ihrer Thesen überzeugen (?) können, aber jedem Philosophen mit der Muttermilch bereits mitgegebene Erkenntnisse ignorieren Sie ...

 

Sie fragen abermals, wie sich die Formen des Lebens entwickelt hätten. Auch warum wir daseien und was das Ziel unseres Daseins eigentlich sei. Es ist erfreulich, daß Sie konstatieren, daß dies keine Naturwissenschaft beantworten könne, und wenn, daß sie den Boden ihrer Wissenschaftlichkeit verläßt. Sie bezeichnen dies dann als Weltanschauung.

 

Das zehnte Mal, daß Sie recht haben, da kann ich Ihnen nur beipflichten!

 

Was jetzt kommt, ist allerdings so sophistisch, daß ich Sie wortwörtlich zitieren muß: allerdings peinlich darauf bedacht, mich nur innerhalb der gesetzlichen Grenzen des „Kleinen Zitats“ zu bewegen, denn die Freude, mich wegen solch eines Kinkerlitzchens klagen zu können, möchte ich Ihnen doch nicht machen. Was sagten Sie also? „Man konnte Darwins Deszendenztheorie ideologisch für Rassismus und Eugenik, für Kommunismus und für Turbokapitalismus mißbrauchen. Deshalb ist eine Ideologiekritik des Darwinismus so wichtig, vor allem durch eine deutliche Unterscheidung zwischen der wissenschaftlichen Theorie und ihrer mißbräuchlichen Ausweitung.“

 

Wow. Das nenne ich einen Salto mortale! Noch dazu wenn Sie anschließend anführen, daß dazu „manches zu den Themen Soziobiologie, evolutionäre Erkenntnistheorie und Ethik zu sagen“ wäre. Denn Sie werden sogar gelahrt: Es gehe Ihnen nämlich darum, „eine Reduktion aller dieser Bereiche des Geistigen, Ethischen, Kulturellen und Religiösen auf die Ebene der rein materiellen Kausalität zu vermeiden“.

 

Bravo, Eminenz! Wie schön es doch ist, mit einem Bischof einer Meinung sein zu können!

 

Dann stellen Sie fest, daß wir „weder den Schöpfer noch die Vernunft, weder das Erkennen noch das Ethos rein naturwissenschaftlich erklären können“.

 

Zu beiden kann auch ich nur „ ja“ sagen. Aber Ihnen meine Beweggründe dazu auseinanderzusetzen, würde zu weit führen. Sie würden ihnen auch nicht folgen – nein, können schon, aber wahrscheinlich nicht wollen.

 

In Ihrem nächsten Satz freuen Sie sich, daß „wir“ (wer? Sie oder die Wissenschafter?) „enorm viel über die evolutiven Rahmenbedingungen kennengelernt“ hätten. Erst das mache Vernunft, Willen, Ethos und Religion möglich.

 

Jawohl, dazu hat Dawkins tatsächlich Bahnbrechendes geleistet! Den erwähnen Sie aber in Ihrem Referat mit keinem Wort!

 

Sie machen zwar die „Evolution des Lebens“ dafür verantwortlich, bezeichnen dies allerdings nicht als letzten Grund dafür. Geist, Wille und Freiheit könnten vielmehr nicht ausschließliches Produkt von Entwicklung sein. Und warum nicht? Weil wir uns von ihr sonst nicht „bis zu einem gewissen Grad“ emanzipiert haben und unsere kulturelle Entwicklung in die eigene Hand nehmen hätten können. Und mit ihr die ganze Verantwortung, die – Ihrer Meinung nach – damit verbunden sei.

 

Das freilich war Ihr tiefster Griff in die Trickkiste! Nach der gleichen „Logik“ könnten sich dann nämlich auch Kinder nicht von ihren Eltern emanzipieren. Schau, schau. Daß sich Kardinäle nicht von ihrem Papst emanzipieren können, ist allerdings erwiesen – und das ganz ohne Naturwissenschaft.

 

„Verantwortung - wem gegenüber?“ fragen Sie. „Den künftigen Generationen!“  geben Sie in altbewährter Manier gleich die Antwort. „Aber auch uns selbst gegenüber“, konzedieren Sie und fügen nonchalant hinzu: „... (auch) dem Gelingen des eigenen Lebens gegenüber.“

 

Dreimal gebe ich Ihnen da gerne recht.

 

Dann verlangen Sie allerdings auch Verantwortung gegenüber dem Schöpfer!

 

Einer Schimäre gegenüber sollte man Verantwortung empfinden? Aber Christoph! Ist das nicht ein wenig viel verlangt? Von einem A-Theisten z. B.? Deisten können Sie das hingegen schon zumuten, die werden hierbei wohl akklamieren! Aber ein Kardinal ein Deist?

 

In den folgenden Sätzen verlangen Sie Verantwortung jemandem gegenüber, dem man Antwort schuldet. Ein schönes Wortspiel. Schön, aber nicht nachvollziehbar für einen Nicht-Deisten bleibt es, wenn Sie Verantwortung  jemandem gegenüber fordern, „den wir vernehmen, verstehen können, der unsere Vernunft anspricht“. Also die meine spricht Ihr Deus nicht an. Und obwohl Sie behaupten, daß es dort, wo der Instinkt alles bestimme, keine Verantwortung gäbe, muß ich Sie darauf hinweisen:

 

Ich habe Verantwortung und ich bin nicht nur Instinkt alleine. Außerdem spricht Ihr „Gott“ meine Vernunft wirklich nicht an. Er widerspricht ihr vielmehr – und das seit Tertullian, der das aber so gar nicht gesagt hat: Credo quia absurdum.

 

Allmählich kommen Sie ja doch zum Schluß und zwar mit Ihrer Frage: „Spricht der Schöpfer auch durch eine evolutive Welt?“

 

Ich antworte darauf: Also Gott – wenn man IHN braucht; und ich brauche Ihn wirklich nicht – schon, der Schöpfer (eine bloße Schimäre) sicherlich nicht!

 

Dann machen Sie leider noch den schwersten Fehler, den man bei Evolutionskritik nur machen kann: Sie bezeichnen die Evolution als zufallsbestimmt.

 

Zum x-ten Mal, Herr Erzbischof: Die Evolution ist NICHT zufallsbestimmt. Können Sie – oder wollen Sie bloß nicht verstehen? Oder dürfen Sie etwa nicht?

 

Es sollte schon genug sein, aber Sie geben nicht auf: „Ist der Schöpfer auch durch die Evolution hindurch vernehmbar?“ setzen Sie fragend hinten nach.

 

Ein schmetterndes „Ja“, ist darauf meine Antwort – wenn Eminenz nur endlich aufhören würden, Gott als „Schöpfer“ zu verzwergen!

 

 

Consumatum est! Endlich danken Sie Herrn Präsidenten Prof. Schuster von der ÖAW für die Erlaubnis, diesen Vortrag gehalten haben zu dürfen. Und Sie danken auch Ihrem Universitätslehrer Prof. Ratzinger/Papst Benedikt XVI. – und (wen wundert ´s) zitieren ihn: und zwar aus seiner Antwort auf das Referat Prof. Schusters über „Evolution und Design". Ratzinger vermeldete also damals (und ich muß wieder kürzen, sonst verletze ich das „Kleine Zitat“):

 

„Die Naturwissenschaft hat große Dimensionen der Vernunft erschlossen ...  Aber in der Freude über die Größe ihrer Entwicklung tendiert sie dazu, uns Dimensionen der Vernunft wegzunehmen ... Ihre Ergebnisse führen zu Fragen, die über ihren methodischen Kanon hinausreichen ... Dennoch sind es Fragen, die die Vernunft stellen muß und die nicht einfach dem religiösen Gefühl überlassen werden dürfen. Man muß sie als vernünftige Fragen sehen und dafür auch vernünftige Weisen des Behandelns finden.“

 

Und weiter führte damals das Kirchenoberhaupt aus:

 

„Es gibt ... eine Rationalität der Materie selbst ... Sie hat eine Mathematik in sich, sie ist selbst vernünftig, selbst wenn es auf dem langen Weg der Evolution Irrationales, Chaotisches und Zerstörerisches gibt ... Zum anderen scheint mir, daß auch der Prozeß ... eine Rationalität hat ... Diese doppelte Rationalität ... führt zwangsläufig zu einer Frage ...: Woher stammt diese Rationalität? ... Die Naturwissenschaft kann ... darauf nicht ...  antworten ..., aber wir müssen ... es wagen, der schöpferischen Vernunft zu glauben ..." (Benedikt XVI: Schöpfung und Evolution. Eine Tagung mit Papst Benedikt XVI in Castel Gandolfo, hrsg. Von Stephan Otto Horn und Siegfried Wiedenhofer, Augsburg 2007, 151f.)

 

Zu solchen päpstlichen Leerworten fehlen sogar mir die Worte!

 

Fazit: Gott kann auch auf krummen Zeilen grade schreiben! Mich hat jedenfalls erstaunt, welch weiten Weg der Kardinal vom „Holzschnitt“ in der NYT bis zum aktuellen Vortrag zurückgelegt hat. Und es bringt mich nicht nur zum Staunen, sondern macht mir auch Freude, weil es auch Hoffnung macht. Das wird durch ein paar erzbischöfliche Schlenker zwar gemindert, aber nicht aufgehoben.

 

In diesem Sinn, Eminenz, werde ich nicht müde werden, Sie bei Ihren weiteren Bemühungen zu begleiten!

 

Venceremos!

Pax vobis!

Amen.

 

Univ. Lektor Prof. Mag. Dr. Walter Weiss, Philosoph in Wien–Klosterneuburg, Am Ölberg, 9. März 2009 und Kaumberg, am 28. März 2009

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Die urheberrechtlich geschützte Originalversion des Vortrages können Sie in Wort und Ton (!) lesen bzw. hören unter: http://www.katholisch.at/content/site/minidossiers/article/28922.html