GOTT IST MÖGLICH oder

Vom Metaphysischen in der Naturwissenschaft

von Univ.-Lektor Prof. Mag. Dr. Walter W. Weiss

I. PHILOSOPHISCHER ANSATZ

Alles, was als einzelnes da ist, wird. Eigentlich wird alles. Nichts existiert, das sich nicht veränderte. Und zwar seit jeher, ohne - logisch- kausalem - Anfang, und natürlich auch ohne logisch-kausalem Ende. Denn - und man sollte das nie vergessen - anfangen kann etwas nur innerhalb des Bezugsystems von Raumzeit und Bewegung; Raumzeit und Bewegung selbst können nicht beginnen; auch nicht enden, da "enden" nur Ende von Vereinzeltem gegenüber anderem bedeutet und Ende "von allem" einen Widerspruch darstellt. Ende wem oder was gegenüber? Gegenüber dem Nichts?1)

Auch Ruhe beginnt und endet nicht; Ruhe ist - wie die Zeit selbst - weder zeitlich noch (sic!) bewegt, Ruhe ist - jeder Physiker wird es bestätigen - gar nicht. Die Welt ist in Bewegung und alles ist beständig in Veränderung: "Alles fließt", sagte schon Heraklit und: "Man kann nicht zweimal in denselben Fluß steigen", was dasselbe bedeutet.

Was aber ist ein Einzelnes? Was bedeutet Existenz?2) Was Veränderung und Bewegung?

II. METAPHYSISCHER ANSATZ

Dieses unbedingte Aktive (=Bewegung, Veränderung) in and an allem wird in der chinesischen Philosophie als "Tao" (=der Weg) bezeichnet. Es entspricht dem abendländischen "Geist Gottes", der in allem "webt" bzw. wirkt, es entspricht dem "unbewegten Beweger", der alles antreibt. Lao Tse, Kung Fu Tse und die anderen - alten - chinesischen Philosophen fühlten sich dem Doppelprinzip von Yang und Yin verpflichtet, durch das sich das EINE (=Tao) entfaltet (=realisiert). Zoroaster sprach vom "Kampf des Gottes des Lichtes" gegen jenen des Dunkels, und ihr metaphorischer Kampf einte beide. Es ist eine dualistische Lehre, deren beide Pole einander bedingen, wie im Taoismus. Aristoteles hingegen nannte (den einen!) Gott den "unbewegten Beweger" und führte damit - erstmals - das Rationalprinzip der Kausalität in die Philosophie ein: nur Bewegtes kann bewegen bzw. nur Verursachtes kann verursachen. Da solches Denken aber in den unendlichen Regreß führt, muß der erste Anstoß zu Bewegtem selbst ruhen, die erste Ursache unverursacht sein: ein logischer Widerspruch, aber die einzige Möglichkeit, jenen des unendlichen Fortschreitens von Bewegungsanstößen zu kappen. Mit dieser - an sich unlogischen - Verquickung von Wesensungleichem, nämlich Unbewegtem (=Ruhe) und Bewegtem, gelingt Aristoteles monistische Verein(heitlich)ung: Unbewegter Beweger und Bewegtes sind keine (logischen) Widersprüche mehr, sondern bedingen (=polarisieren) einander, wobei dem aktiven Element (dem unbewegtem Beweger) ein Primat zukommt: Ruhe nicht als Widerspruch zum Bewegen (Tao: = Weg), sondern als deren Bedingung.

III. NATURWISSENSCHAFTLICHE DEDUKTION

Wie kommt das postwissenschaftliche Denken des postaufgeklärten (oder "abgeklärten") Menschen mit solchen Aussagen zurecht? Wie vertragen sich metaphysische Begriffe mit solchen der (Natur-)Wissenschaft, der Logik, des Messens und Experimentierens, der Exaktheit und der Widerspruchsfreiheit? Seit dem Beginn der Aufklärung, also seit gut 300 Jahren, hat sich das abendländische Denken der absoluten Widerspruchsfreiheit verschrieben: Was widersprüchlich ist, kann nicht Bestand vor dem scharfen, zweiwertig-logischen Denken des Rationalisten haben. Widersprüche müssen überwunden werden (das ist der Motor der Technik schlechthin), oder sie gelten schlichtweg als falsch(e Theorie), oder beschreiben Unwirkliches, Spekulatives, "Metaphysisches" eben und werden in den Bereich des Glaubens verwiesen.

Was ist überhaupt Metaphysik? Der Begriff ist nicht eindeutig. So unterscheidet man in rationalistische und irrationalistische Metaphysik. Rationalistische Metaphysik verwendet die Deduktion, die Methode der Ableitung einer Aussage aus einer anderen, als Erkenntnisweg; die irrationalistische Metaphysik beschränkt sich auf die Intuition, das unvermittelte Innewerden einer Erkenntnis (besser: Erfahrung). Die Rede ist in dieser Arbeit nur von der rationalistischen Metaphysik, da nur deren Erkenntnisse mit denen der Naturwissenschaften vergleichbar sind. Die Erkenntnisse aller anderen Metaphysiken sind nicht verallgemeinerbar, sondern verbleiben stets im Subjektiven, sind damit willkürlich und beschränken sich ergo dessen auf reine Glaubensinhalte.

"Gott würfelt nicht",

meinte schon Einstein. Und er wollte damit nur zum Ausdruck bringen, daß Gott sich nicht auf so etwas Unexaktes wie den Zufall verläßt, der Einstein - siehe seine Widerstände gegen die Quantentheorie! - immer unheimlich war; un"heimlich" durchaus im Sinne Freuds, daß Einstein sich in ihr nicht "heimisch" fühlte: das fühlte sich Einstein nur in der Welt der exakten Mathematik, der Berechenbarkeit, der Widerspruchsfreiheit, des Zweiwertig-Logischen. Gott war für Einstein durchaus Mathematiker, der nichts dem Zufall überläßt.3)

"Zufall" ist ja nur eine Metapher für: "Ich kann keine kausale Verknüpfung erkennen" und hängt damit von zwei Prämissen ab: vom Glauben an die unbedingte Gültigkeit der Kausalität und von der Erkenntnisfähigkeit des Urteilenden. Zufall ist also niemals etwas An-sich-Seiendes, etwas, das es außerhalb des menschlichen Denkens bzw. Begreifens gäbe, sondern nur Ausdruck der Beschränktheit menschlicher Erkenntnisfähigkeit.

Natürlich "würfelt" "Gott" nicht - es wäre ja auch noch schöner, hätte "ER" es nötig, sich menschliche Unzukömmlichkeit zum Schaffensprinzip zu machen. Und es wäre absurd, basierte die Welt auf einem Unzulänglichkeitsprinzip menschlicher Erkenntnisfähigkeit. Nein: "Gott" würfelt weder noch ist er Mathematiker. "ER" dürfte sich weder der Logik und ihrer Widerspruchsfreiheit verpflichtet fühlen, noch der Kausalität, sind doch beide nur Denkkategorien menschlicher Verstandestätigkeit bzw. Grundvoraussetzungen seiner Vernunft. Und Vernunft ist allemal etwas Menschliches und nichts Göttliches. (Auch wenn Hegel das Gegenteil gelehrt hat: Hegel war zwar ein großer Mann aber nicht unfehlbar.) Nein, "Gott" steht nicht in der Alternative von Zufall und Kausalität; der aufgeklärte Geist des modernen Menschen ist gar nicht so aufgeklärt - sonst konstruierte er nicht Zufall (Chaos) und Kausalität (Ordnung) zu weltkonstituierenden Prinzipien, um die Welt erklären und verstehen zu wollen.

Nun: Erklären vermag die Vernunft die Welt ja noch können - wenn auch ihre Modelle stets nur Modelle bleiben müssen und am Eigentlichen Sosein der Welt bestenfalls vorbeischrammen. Sind diese Modelle aber noch verständlich?4)

Von den Grenzen des Vorstellbaren

Verständlich meint doch, sich ein Bild von etwas zu machen oder - formal ausgedrückt - etwas bislang Unbekanntes, Unverständliches in das heimelige Welt"bild" integrieren zu können. Dabei ist es wie beim Kreuzworträtsel: paßt das Wort und ergibt sich auch der entsprechend sinnvolle Querbegriff, ist die Lösung "richtig". Mache ich mir ein Bild von etwas (dazu die Bibel: Du sollst Dir von Gott kein Bild machen!) und fügt es sich wie ein Mosaiksteinchen ins große Mosaik meines Weltbildes, bin ich um ein Euzerl klüger, weiß ich "mehr" - durchaus im Sinne von Quantitativem, nach dem das Wissen um die Welt bloß vermehrbar ist, aber kaum etwas an seiner Qualität ändert.5)

Sollte für den naturwissenschaftlich denkenden Menschen Qualität nur ein Mehr an Quantität bedeuten? Und sich im Konstruieren von Anschaulichem (=Bildern) erschöpfen? Kann Vorstellbarkeit Maß für Gültigkeit, Richtigkeit und Wahrheit meinen? Oder ist Vorstellbarkeit nicht vielmehr ein deutliches Indiz dafür, sich mit Ab-Bildern oder bildhaften Entwürfen zufrieden zu geben, anstatt das fälschlich Abgebildete ganz anders (=philosophisch) denken zu wollen?

Das Bild von der Endlichkeit unserer Welt (derzeit gültiger "Durchmesser" des bekannten Weltalls: 20 Milliarden Jahre) ist ein gutes Beispiel für die Grenzen der Vorstellbarkeit. Denn unwillkürlich drängt sich dem (vorstellenden) Verstand die Frage auf: "Und was kommt dahinter?" Der Spin von Elementarteilchen ist ein anderes Beispiel für die Grenze der Vorstellung: Was immer man unter "Spin" verstehen mag - es dreht sich nichts; also kann man sich auch nichts vorstellen. Was aber ist "Spin" "wirklich"? Was bedeuten ganz- und halbzahlige Spinwerte von 0, 1, 2... und 1/2, 3/2 und 5/2 und zwar jeweils in Einheiten der Quantentheorie?

Auch das Bohr'sche Atommodell ist eine falsche Vorstellung: Kein Physiker hält sie heute für noch gültig: weder sind Elektronen "kleine, gelbe Kügelchen" (wie es Heisenberg einmal, den Frager arg verulkend, ausdrückte), noch "kreisen" sie um den Atomkern. Vielmehr gelten die Elektronen"schalen" heute als "verschmierte Ladungswolken", "in denen" (z. B. beim Heliumatom) die zwei Elektronen nicht einmal als zwei getrennt existierende Entitäten in der Ladungswolke lokalisierbar sind: einerseits aufgrund der Unschärferelation, andererseits aufgrund des Schildeffektes der virtuellen Teilchen (Spektrum Ticker vom 11. 2. 1998). Man spricht also besser von "Doppelelektron" als von "zwei Elektronen" - was die Vorstellung nicht gerade erleichtert. Was soll man sich also unter einem oder einem "Doppelelektron" vorstellen?.

Am besten gar nichts. Das raten zumindest kluge Physiker; und rechnen "bloß" mit ihren (erfundenen) Begriffen innerhalb der selbst aufgestellten Parameter ihrer Wissenschaft. Diese ihre Naturwissenschaft war lange ein streng kausales und finales Denkgebäude, das - noch immer - auf logischer Widerspruchsfreiheit6) basiert und auf das Eintreten theoriekonformer Prognosen baut. Logische Stringenz in die Vergangenheit (=Ursache) und solche in die Zukunft (=Wirkung) lautet(e) das Rezept, nach dem das naturwissenschaftliche Weltbild zubereitet war und nach dem es funktioniert(e). Das technisch Machbare liefert(e) bemerkenswerte Beweise für die Richtigkeit des Vorausgesetzten: anything goes. Fast alles...

Bilder und Vorstellung

Solange in der Naturwissenschaft die Widerspruchsfreiheit nicht verletzt wird (ein Axiom und damit eine Art Dogma mit nicht mehr weiter hinterfragbarer - also unwissenschaftlicher! - Gültigkeit) ist der Phantasie beim Entwerfen von Begriffen und deren Umsetzung in Bildern keine Grenze gesetzt: Cluster, Strings, Membranen, Antimaterie; Schwarze und Wurmlöcher, n-Dimensionalität; ein Universum, n Universa. Wie läßt sich die Singularität des Urknalls "vorstellen"? Wie die "vierdimensionale Krümmung" des Raum-Zeit-Kontinuums (RZK)? Was hat man sich eigentlich unter Zeit vorzustellen? Wie bildet sich der "leere Raum" ab, das Vakuum. in dem es quantentheoretisch virtuelle Fluktuationen "gibt"?

Vor den Bildern, die uns (Astro-)Pysiker, Kosmogonen aber auch Chemiker als Hilfestellung für unsere Vorstellung bieten, wird - korrekterweise - schon in der Gebrauchsanweisung dazu gewarnt: Achtung! So nicht. Aber vielleicht so ähnlich! Die Darstellungen werden damit zwar als unzutreffend klassifiziert, bleiben aber im Gedächtnis der Studierenden (Bohr'sches Atommodell) oder interessierten Laien (Raumkrümmung als Sattelfläche oder Trichter) haften. Ein wenig erinnert solches Vorgehen an das von Religionen und Ideologien: in beiden Bereichen wird mit anschaulichen Symbolen gearbeitet, weil - Kant hat es so unnachahmlich formuliert - Begriffe ohne Anschauung leer sind und Anschauung ohne Begriffe blind ist. Der grundlegende Fehler solchen Vorgehens besteht nun darin, das Bild oder Symbol für das zu halten, wofür es steht, und zu vergessen, daß es sich nur um ein Bild oder Symbol handelt.

Philosophen mühen sich nun, ohne Bilder auszukommen - wie kluge Physiker übrigens auch. Der Preis für diese Mühe ist ein hoher: philosophische Begriffe werden ob ihrer Unanschaulichkeit gerne in den Bereich der (hoffentlich rationalistischen) Metaphysik verwiesen und als unwissenschaftlich entwertet oder verunglimpft. Und dies, obwohl in der Naturwissenschaft analoge Begriffe verwendet werden, sie bloß andere Namen haben - und in falschen Bildern vorgestellt werden. Als Beispiel dafür mögen die immer wiederkehrenden 3-dimensionalen Darstellungsversuche des 4- (in der Theorie der Supergravitation gar 11!) dimensionalen RZK dienen - obwohl schon der Begriff der 4- Dimensionalität aufgrund seiner Nicht-3-Dimensionalität gar nicht vorstellbar ist! Trotz allem gilt der Begriff der n-Dimensionalität als "wissenschaftlich", jener des dimensionslosen (Null-Dimensionalen) All-Einen der monistischen Philosophie aber als metaphysisch - und damit als negativ besetzt.

Selbstverständlich ist auch der Begriff des "unbewegten Bewegers" ein widersprüchliches Bild - ein anthropomorphes noch dazu, aber aufgelöst in die Begriffspaare "Voraussetzendes" für "unbewegter Beweger" und "Vorausgesetztes" für "Bewegung" bzw. für "Mögliches" und für "Wirkliches" wird er aller Bildhaftigkeit entkleidet. "Das Mögliche" oder "das Wirkliche" lassen sich beim besten Willen nicht mehr vorstellen oder gar abbilden und meinen doch, was in der Physik als "Allumfassende Theorie" (engl.: Theory of everything) angestrebt wird: durch das Schaffen (Entwerfen) von eindimensionalen "Objekten", den Strings, aus deren Schwingungen die Elementarteilchen entstehen (Superstringtheorie), eine Theorie, die später in das Konzept der sogenannten M-Theorie, die Theorie der 11-dimensionalen Supergravitation aufgegangen ist. Heute erscheint sie in der 10-dimensionalen Superstringtheorie "vereinfacht", obwohl dabei mehrere Dimensionen als "eingerollt" verstanden werden. Jeder Sinn des Begriffes "eingerollt" geht allerdings verloren, wenn er auf den Begriff "Dimension" angewandt wird, da sich nur Stoffliches, also 3-Dimensionales einrollen läßt.

Solche Begriffsvermengungen sind aber in der Kosmogonie gang und gebe. Dabei wird die philosophische Grunderkenntnis außer acht gelassen, daß Allgemeinbegriffe (wie "Dimension" einer ist) nicht vorstell-, geschweige denn abbildbar sind. Überhaupt läßt sich kein Allgemeinbegriff (weil er immer abstrakt ist) vorstellen. Weder "Freiheit" und "Wirklichkeit", noch "Kraft" und "Energie" lassen sich vor-stellen, in dem Sinn, daß ich ein Abbild vor mich (geistig) hinstelle.

In die Kategorie des Unvorstellbaren gehört auch so Banales wie das schlichte Hilfszeitwort "sein". Wie will man es sich denn vorstellen? Als Buchstabenkombination? Oder "bloß" in jener Form, in der es im jeweiligen Satzkonstrukt eingebaut ist: also abwechselnd als "gewesen", "war", "ist" oder "wird sein" und "wird gewesen sein". Wie stellt man sich gar den Konjunktiv von "sein" vor? "Wäre" etwa?

Es sollte klar geworden sein: Allgemeinbegriffe sind nur Verallgemeinerungen von Einzelbegriffen, denen alleine - wenn überhaupt - Vorstellbarkeit zukommt; Allgemeinbegriffe haben keine "Eigenexistenz" - außer jene ihrer jeweils konkreten Bezeichnung. Abstraktes ist nicht vorstellbar! Vor-ge-stellt werden kann nur Konkretes, also ein ganz bestimmtes Dieses, das jetzt hier ist: dieses Auto; dieser Mensch; diese Form und Bedeutung von "sein" in diesem ganz konkreten Satz.

Auch der Begriff der Energie ist nicht vorstellbar, genausowenig wir jener des Stroms. Oder der Kraft. Energie wird wirklich z. B. als jene ganz konkrete Wärme, die ich fühle. Strom wird wirklich, wenn er die Lampe zum Glühen bringt, einen E-Motor treibt oder wenn ich in die Steckdose greife. Und Kraft wird wirklich, wenn ich z. B. etwas hebe. In all diesen Fällen konkretisiert sich der jeweilige Allgemeinbegriff. In seiner jeweils allgemeinen, abstrakten Form ist er weder real noch wirklich, existiert er also weder objektiv, noch wirkt er auf mich. Er existiert als Allgemeinbegriff bestenfalls als jene Definition als die er mir im jeweiligen Weltbild geboten wird: im Falle der Energie im naturwissenschaftlichen Denken also entweder - in Worten - als (als eine Möglichkeit unter mehreren) "Arbeit pro Zeiteinheit" oder - in Form einer Formel - als (ebenfalls als eine Möglichkeit unter mehreren) E =m . c2.

Die Lüge von der Wahrheit der Wahrheit

Warum klammern wir so sehr an der Vorstellbarkeit von etwas? Warum gilt uns nur Vorstellbares als Wahres - und alles andere als unwahr oder (noch schlimmer) als falsch oder unrichtig? "Falsch" ist das Gegenteil von "richtig" aber nicht von "wahr" - aber "richtig" und "falsch" gelten als "Wahrheitszustände" innerhalb jedes Systems, das der zweiwertigen Logik folgt. "Richtig" und "falsch" sind zwei banale Zustände des Strebens nach Widerspruchsfreiheit (=richtig), in dem der Widerspruch als falsch bewertet wird. Mehr nicht.

Vorstellungen können daher - in diesem strengen Sinn - gar nicht richtig oder falsch sein. Sie müssen vielmehr immer wahr sein, weil stets das wahr ist, was ich für wahr halte! Auch wenn andere Wahrheitstheorien "wahr" anders definieren: Wahr und wirklich sind immer identisch, wahr ist immer nur etwas Korrespondierendes - nämlich die Übereinstimmung einer Aussage mit einer anderen.7)

Schon aus diesem Grund kann es keine Wahrheit der Wahrheit (="absolute Wahrheit") und ergo auch keine "absolute Gerechtigkeit" geben, da "Wahrheit" oder "Gerechtigkeit" nur bedeuten können, daß j e m a n d dies - und nur das! - für gerecht (=wahr, also wirklich) hält: Meine Wahrheit korrespondiert im Falle von meinem Gerechtigkeitsempfinden nur mit meiner Vorstellung von Recht (=allgemeingültig, durch Macht verordnete Wahrheit). Da eine solche Vorstellung allerdings leicht und gerne in die Willkür führt, muß es immer eine oberste Instanz geben, die (mich relativierend) garantiert, daß das Recht allgemeingültig bleibt: durch die Macht des OGH, des Europäischen Gerichtshofes, durch die Einklagbarkeit der Menschenrechte. Auch Ideologen (und Wissenschafter?) folgen diesem Schema - nur rigider: Ideologie (=Religion) als Wahrheitsverkürzung setzt (oder: satzt) autoritär, was als wahr zu gelten hat und ergo Recht ist, und kreiert Fundamentalisten, Idealisten und Orthodoxe; aber auch Nazis und Kommunisten, Juden, Christen und (andere) Sektierer. Der Unterschied bzw. Übergang zwischen den einzelnen Gruppen bzw. Begriffen ist fließend - was manchem wehtun mag. Sie alle aber erklären unterschiedliche Bilder (=Vorstellungen) zur "absoluten" Wahrheit.

Die jeweils gültige Wahrheit (=dominante Theorie) in der Naturwissenschaft folgt den gleichen Mechanismen: Wer im elfenbeinernen Turm der Wissenschaft mächtiger ist (=etabliert ist, über mehr Forschungsmittel verfügt, mehr Publikationen in den angesehenen Fachzeitschriften aufweisen kann), gibt den Mainstream der Forschung (=das gültige Weltbild) vor.

Vorstellungen sind daher zwar stets wahr, aber nur als Vorgestellte - aber diese haben mit dem, das mit dem Vorgestellten "erklärt" werden soll, rein nichts gemeinsam.8) Sie sind bestenfalls Maß oder Prüfstein der Phantasie des Vorstellenden - aber nicht mehr. Sie sind für wahr gehaltene bzw. als für wahr erklärte Bilder, die sich der Vorstellende selbst entwirft - oder die ihm durch Schule und Erziehung geboten werden, und die er nun mit seiner Umgebung (dem oder den anderen) in Einklang zu bringen sucht.

Religionskriege und Gelehrtenstreite sind die diesbezüglichen Spuren in der Geschichte.

Meist werden solche Bilder "eingebrannt": je diktatorischer die Erziehung bzw. das politische System, desto unbedingter. Solange sich der auf diese Weise "Gebrannte" im Umfeld gleich Gebrannter (Das gebrannte Kind scheut übrigens das Feuer!) befindet, wird er an seiner Wahrheit (=Weltbild) nicht (ver-)zweifeln. Ändert er jedoch sein Umfeld, sei es durch Bewußtseinserweiterung etwa vom Weltbild des Glaubens (Kirchen) zu dem der Vernunft (Wissenschaften) - siehe Galileo Galilei -, sei es durch räumlichen Wechsel (Kolonialismus, Entwicklungshelfer; Reisen in andere Kulturen; interkulturelle Heiraten etwa) oder sei es gar durch politischen Systemwechsel [Revolution; Ideologie(=Partei-)wechsel], gerät der Gebrannte in Schwierigkeiten: Die eigene Wahrheit oder die der anderen kommt ins Wanken - je nach Machtverhältnissen.

Wahrheitsverschiebungen in der Wissenschaft

Solche Wahrheitsverschiebungen passieren auch in der Wissenschaft - und zwar beständig. Der wohl tiefstgreifende war jener vom Vorstellbaren zum Unvorstellbaren. Galt das physikalische Weltbild noch bis zum Beginn unseres Jahrhunderts als durchaus vorstellbar (es war ja auf Vorstellbarkeit konzipiert: nämlich auf die Mechanik, dem Inbegriff des Vorstellbaren; was ist simpler als ein Hebel?), änderte sich das mit den Erkenntnissen der Relativitätstheorie. Die ist zwar auch "nur" eine Theorie und deshalb nur innerhalb ihres eigenen Systems wahr, aber dieser Umstand wird gerne vernachlässigt. Vielmehr wird sie - im Sinne der Verallgemeinerung (=Ideologisierung) und damit der Wahrheitsverkürzung - gerne verabsolutiert. Was eine bildliche (natürliche immer: Fehl-)Interpretation prinzipiell unvorstellbarer Gleichungsfunktionen und - ergebnissen ist, wird keck als wahres Abbild (!) des willkürlich Abgebildeten hingestellt! Vierdimensional gekrümmt ist das Raum-Zeit-Kontinuum natürlich nur in dieser Interpretation der Bemühungen, die Relativität der Zeit zu beschreiben; als zweite

Interpretations-Möglichkeit läßt sich auch der Parameter der Längenverkürzung in Bewegungsrichtung einführen. Die Rechenergebnisse sind die gleichen.9)

Noch weniger vorstellbar wurde die Quantentheorie (vor der sogar Einstein kapitulierte), waren Schrödingers Wellenfunktionen, sind die virtuellen Teilchen (die Fluktuationen des Quantenfeldes), Schwarze Löcher, "Wurmlöcher", "Zeitschleifen", "Hyperräume" usw. Das Paradoxe an all diesen Wortkreationen der modernen Physik ist, daß - natürlich - zum Verständlich-Machen ihrer, mit der Namensgebung verbundenen, Erfindung, auch Vorstellbares geschaffen werden mußte. Vorstellbar ist allerdings nur ein Bild.

Bild und Ab-Bild

Es gibt freilich zwei Klassen von Bildern: Bilder, die man sich von etwas macht (=Ab-Bilder), und Bilder, die man sich zurecht konstruiert, weil es eine abbildbare Vorlage nicht gibt. So kann ich mir leicht (und gerne) von (m)einer Frau ein Bild machen und mit mir (als Foto etwa) herumtragen. Wie sollte ich mir aber von Gott ein Bild machen? Was diente mir als Vorlage?10) Oder von der 4. Dimension? Oder von einem String?

Worauf gründet die Unmöglichkeit, sich weder von Gott ein Bild machen zu können noch eines von einer vierdimensionalen Krümmung? Doch wohl offenbar darauf, das weder Gott noch eine vierdimensionale Krümmung abbildbar, also etwas sind. Wobei "etwas" immer ein einzelnes unter vielen, ein von anderem Ge- oder Unterschiedenes bedeutet. Aber nur von einzelnem (einem Ding also) kann ein Ab-Bild gemacht werden. Nur ein Ding kann gesehen, erfahren, empfunden, erlebt werden und kann ergo dessen fotografiert, abgezeichnet, nachmodelliert und in der Erinnerung wiedererstanden werden lassen.

Die Reproduktionsmöglich- oder fähigkeit ist es, die ein Ding zum Ab-Bild befähigt - und Phantasie (die nur in Bildern möglich ist!) tut nichts anderes, als verschiedene Ab- Bilder oder Ab-Bildinhalte kreativ (=schöpferisch) zu neuen Bildern oder Bildinhalten zusammenzusetzen, zu konstruieren. Darum haben Marsmännchen Antennen und sind grün, schaut E. T. so putzig aus und sind die Klingonen so böse. Nur deshalb "hat" Gott einen Bart und "ist" "er" ein Mann. Für Feministinnen ist "sie" folgerichtig eine Frau und in Schwarzafrika ist die Madonna eine Negerin und das Jesuskindlein ein Negerbaby: Vorgestelltes wird nur nach bekannten Mustern nachgezeichnet.11)

Es ist immer wieder nur eine Frage von Kultur und Bewußtseinsstufe, von Auf- oder Abklärung, ob, daß und welches Bild entworfen wird. Bilder sind immer aus Bekanntem und Vorgestelltem abgekupferte Ikonen, vermischt mit - je nach Originalität und/oder politischen Absichten verbundenen - Abweichungen vom ursprünglich Gemeinten. Vergessen und Phantasie schöpfen unzählige Welten in den Köpfen der Menschen, die dann nach politischer oder medialer Macht verbreitet, kodifiziert und als "Wahrheit" transportiert, gelehrt und verkauft werden. Zwischen der "Göttlichkeit" Jesu, dem Rassenwahn der Nazis und n-dimensional gekrümmten Räumen sind nur marginale Unterschiede: alle sind sie nur Bilder im Kopf - aber keine Abbilder, da es nichts Konkretes gab oder gibt, das abbildbar wäre.

"Elaborierte Bilder"

"Gott", das Raum-Zeit-Kontinuum, die "vierte" Dimension, virtuelle Teilchen, Wellen ohne Substrat (das Licht z. B.) haben nichts Erlebbares, Empfindbares, Erfahrbares an sich; sie sind nichts einzelnes unter vielen, nichts "Wirkliches" in jenem Sinn, in dem Wirkliches nur verstanden werden darf: als etwas nämlich, das auf mich wirkt - und zwar sinnlich, empirisch, raum-zeitlich, also durchaus im naturwissenschaftlichen Sinn. "Gott" ist kein (einzelnes) Ding in Zeit und Raum, dem ich begegnen kann12).

Raum erlebt man nicht als Raum: Man erlebt Dinge "in ihm", die voneinander geschieden sind und Abstand haben. Zeit wird nicht erfahren; was als Zeit erlebt wird, ist die Dauer der Bewegung bzw. die Veränderung der Dinge zueinander - und zwar als Nacheinander. Die 4. Dimension als räumlich gekrümmte verstanden ist ohnedies nur eine Fehlinterpretation und virtuelle Teilchen sind schon per se nicht wirklich. Auch Licht wird nur als Helle von Dingen und Gasen (auch Gase sind in diesem Zusammenhang Dinge, weil stofflich) erlebt und nicht als Wellenpaket oder Korpuskelstrom. Vorstellbar ist längst nichts mehr im Gebäude der Physik: Demokrits "Atome und das Leere" haben sich aufgelöst in unanschauliche Kräfte, von denen die einzig permanent erlebbare, die Gravitation nämlich, zwar ihren Platz im physikalischen Bild der Wechselwirkungen hat, im Grunde genommen aber überhaupt nicht erklärt ist: weder sind Gravitationswellen noch ist das Graviton experimentell nachgewiesen.

Die Natur-(sic!)Wissenschaft hat sich seinerzeit aufgemacht, die erfahrbare Welt zu erklären: relativ unbeholfen (für unser heutiges Verständnis) schon vor rund 2400 Jahren, relativ eßlaboriert seit rund 300 Jahren (Galilei: "Alles messen, was meßbar ist; alles meßbar machen, was nicht meßbar ist."). Die Natur [also das grundsätzlich Erfahrbare, nämlich unsere Welt, wie wir sie als wirkliche (=auf uns wirkende) erleben] sollte erklärt werden - alles Transnatürliche, also "Gott", die "Dämonen" und "Geister" sind nur deswegen aus der Naturwissenschaft eliminiert worden. Denn "Gott", "Geister" und "Dämonen" sind nicht zu erklären: sie stehen anstatt einer Erklärung; sie sind die Erklärung - allerdings nur für nicht rationale Bewußtseine und deren Weltbilder (Mythos, Glaube, Magie). Man spricht daher auch von der "Entdämonisierung der Natur". Kein blinder Wille ("Gott kann auch auf krummen Zeilen grade schreiben") wirkt in der Natur, sondern ein Quadrupel von Kräften ist es, das "die Welt im Innersten zusammenhält" - wie wir heute meinen -, und dann zwingen wir diese endlich entgöttlichte Welt mit unserer scheinbar stringenten Kausalität wieder in Bilder von Pseudo-Vorstellbarem, die keine Ab-Bilder mehr sind, sondern reine Phantasieprodukte.

Quanten- und Chaostheorie haben mittlerweile gezeigt, daß vom Modell der durchgängig stringenten Kausalität, die die Welt durchweben soll, keine Rede mehr sein kann. Vielmehr spricht man von "höherer oder geringerer Wahrscheinlichkeit" des Eintreffens von Ereignissen und von "statistischer Häufigkeit" des Auftretens von Phänomenen. Auch die Dimensionen sind nicht mehr ausschließlich ganzzahlige (also vorstellbare, solange man sich auf drei beschränkt), sondern n-zahlige (wobei schon die sogenannte 4. ganzzahlige als räumlich gekrümmte nicht mehr vorstellbar ist - und als nicht-räumliche schon gar nicht), darunter auch die fraktalen, also gebrochen-zahligen. Mit dem Entdecken dieser Fraktale als Basis der modernen Chaostheorie erhielt das Gegensatzpaar Ordnung - Chaos tatsächlich eine neue Dimension: Die Ordnung ist plötzlich auch chaotisch, das Chaos hingegen auch geordnet. Das alte Symbol des Tai-chi, in dem Yang in Yin übergeht und es miteinschließt und umgekehrt, ist durch die Theorie der Fraktale plötzlich auch naturwissenschaftlich aktuell geworden.

Die Welt: ein Fraktal menschlicher Vorstellungskraft.

Der Fortschritt von der Wirklichkeit

Die Naturwissenschaft hat sich auf diese Art ihres Fortschreitens tatsächlich von dem entfernt (ist sie von ihm fort-geschritten), was sie ursprünglich beabsichtigt hatte: die Welt erklären zu wollen. Heute erklärt sie nur mehr scheinbar: Sie formalisiert die Welt in mathematische Funktionen n-dimensionaler, fraktaler Wahrscheinlichkeiten, postuliert chaotisch-strukturierte (nur in der Alltagssprache ein Widerspruch!) Ordnungen und berechnet die Wahrscheinlichkeit, mit der computeranimierte Modelle der "Wirklichkeit" entsprechen.

Selbst der Begriff der "Wirklichkeit" ist entwirklicht worden. Galt bisher als "wirklich", was wirkte, ist heute Wirklichkeit, was als "wirkend" erklärt wird. Watzlawicks ernstgemeinte Satire "Wie wirklich ist die Wirklichkeit?" geht nahtlos in die Frage über: Was ist wirklich wirklich? Kann das, was moderne Physik und Kosmogonie als "Wirklichkeit" (und nicht als Modell der Wirklichkeit!) lehren, noch als Wirklichkeit bezeichnet werden?

Wie wirklich ist die Wirklichkeit wirklich? Oder wäre es nicht an der Zeit für eine Umformulierung dieser Frage in:

* Wie möglich ist die Wirklichkeit?

* Ist Wirklichkeit überhaupt möglich?

* Wird gar nur Mögliches wirklich?

Was ist das überhaupt: die Wirklichkeit? Und was das Mögliche?

Zwei Welten

Es ist ein alter Philosophen-Hut, daß in "Realität" und "Wirklichkeit" bzw. in "objektive Welt" und "subjektive Welt" unterschieden werden muß. Diese Begriffssplittung ist notwendig geworden, seit der Solipsismus als wohl denkmöglich, aber unwirklich durchschaut worden ist. Selbstverständlich konstruieren wir mit unserem Gehirn (= grob: Bewußtsein) die Welt rund um uns, und der Gehirn-(=hier: Bewußtseins)forschung ist es gelungen, zu entdecken, daß unser Gehirn tatsächlich nur zu einer einzigen Art von Reizübertragung fähig ist: Egal, von welchem Organ unser Gehirn Signale empfängt, die neuronale Reizübertragung ist immer von gleicher Art. Wir schaffen (=konstruieren) uns tatsächlich jeder für uns (siehe auch Maturana) die eigene Wirklichkeit - die offensichtlich (und das ist - abgesehen von Solipsisten - unbestritten) der Reizung von "außen" bedarf. Diese "Außenwelt" - als Gegensatz zur "Innenwelt" des Bewußtseins - ist jenes Objektive (Kantens Ding-an-sich), das unabhängig von Bewußtsein existiert.

Ich nenne diese Welt "die Realität". Andere bezeichnen diese Welt als "die Wirklichkeit" und jene des Bewußtseins als "real". Es ist die Art der Bezeichnung letztlich egal, man muß nur wissen, welcher Autor mit welchem Begriff w a s meint. Wichtig ist, daß die Unterscheidung in z w e i Welten gemacht wird. Die Dreiwelten-Theorie Karl Poppers paßt gut hierher; seine beiden ersten meinen genau die eben unterschiedenen, über seine dritte Welt, die der Ideen, Theorien und Gedanken als objektive Realität, wollen wir - aus Ehrfurcht vor dem Altmeister - in dieser Arbeit kein weiteres Wort verlieren. Als intersubjektive Wirklichkeit wollen wir Poppers "Dritte Welt" aber gerne gelten lassen.

Diese zwei Welten des Realen und Wirklichen dürfen aber nicht als gleichwertige (= wesensgleiche) Welten verstanden werden, die getrennt existierten. Diese Zweiteilung ist bloß eine abstrakte Begriffssplittung, die signalisiert: Achtung! Die Welt der Atome und Moleküle (allerdings sind auch diese, so wie sie vorgestellt oder abstrahiert werden, Erfindungen des Menschen) entspricht der "objektiven Welt", wie sie auch existierte, wenn es kein(e) Bewußtsein(e) gäbe. Die "subjektive Welt" hingegen ist jene Welt des jeweiligen Bewußtseins, die es sich aus dem Substrat der objektiven Welt bildet (sic!): und zwar sowohl ab-bildet als auch bildet im Sinne von konstruieren.

Es ist die Welt, die das jeweilige Bewußtsein als wahr erlebt. Und "erleben" bedeutet hier das Interpretieren all jener Tatsachen13) in der realen (=objektiven) Welt, wie sie dort stattfinden, von uns aber subjektiv gedeutet werden. Daraus erhellt schon, daß Werte (=Bedeutungen) niemals objektiv sein können, sondern stets subjektiv sein müssen und im besten Fall intersubjektiv sein können [wenn eine Gemeinschaft etwas für so oder so (für wahr oder falsch) hält].

Wirklich und somit praktisch wahr (aber nicht notwendigerweise "wahr" im korrespondierenden Sinn) ist also nur das subjektiv Erlebte. Alles andere ist Übereinkunft und Für-wahr-Halten - egal jetzt ob es sich um Glaubens- oder wissenschaftliche Inhalte handelt.

Bilderbögen

"Intersubjektiv" hat daher sehr viel mit faktischer Wahrheit zu tun. Alles, was zwischen Subjekten (zwischen Bewußtseinen, üblicherweise also zwischen Menschen) kommuniziert wird, steht in der Alternative von wahr (oder richtig) und falsch: "wahr", wenn es sich um eine Überzeugung handelt, "richtig", wenn es um Systemkonformität geht. Intersubjektives ist also etwas gänzlich anderes als Objektives. Erst intersubjektiv werden subjektive Wertungen zu anerkannten oder bekämpften - und alles, was Menschen aussagen, sind letztlich Wertungen (auch "Kalküle" oder "Urteile" genannt). Und selbstverständlich unterliegt auch das sogenannte Objektive der subjektiven und intersubjektiven Wertung: Alle Glaubensinhalte, Ideologien und natur-wissenschaftlichen - ursprünglich subjektiven - Theorien werden erst dann intersubjektiv gültig, wenn sie von einer repräsentativen Gruppe als wahr anerkannt sind.14) Werte sind daher niemals unabhängig (=objektiv) Wahres, sondern stets nur transportierte Bilderbögen, die von Bewußtsein(en) entworfen werden (wurden).

Jeder Solipsist wird argumentieren, daß schon der Terminus "entworfen" voraussetzt, daß die Welt eines jeden nur in seinem Bewußtsein da ist. Bingo, verbleibt hier nur zu konzidieren - Solipsisten sind per se nicht aushebelbar. Der Unterschied zum Realistischen Kontruktivisten besteht allerdings darin, daß jener dem an sich (und nur!) logischen Standpunkt des Solipsisten den Primat des Praktischen entgegensetzt und wie Rupert Riedl argumentiert: Dieser stellt sich einige Solipsisten in der Steppe im Schatten eines Baumes vor. Plötzlich nähert sich ein Nashorn und greift an. Riedl verwettet alles dafür, daß sich selbst der radikalste Solipsist auf den Baum flüchtet - wo sich doch (der Überzeugung des Solipsisten nach) das Nashorn nur im Kopf des es Erlebenden befindet!

Das (nicht erlebbare!) Objektive ist also die Welt der Physik. Und selbst diese Welt füllen wir mit Produkten unserer Vorstellung und Phantasie: da werden punktförmige Ladungen als "Teilchen" oder "Welle" (Analogie des Partikels und der Schwingung) erklärt15) (In der Mathematik ist ein Punkt die Abstraktion eines Kreises, dessen Radius gegen Null geht); da sind Atome aus Leptonen und Hadronen zusammengesetzt, wobei sich letztere wieder aus Quarktriplett konfigurieren, die ihrerseits aus Rishonen oder Strings "zusammengesetzt" sind (Analogie des immer weiter Teilbaren); Kräfte (in physikalischem Neudeutsch: Wechselwirkungen) wirken (man beachte die Wortverwandtschaft mit "wirklich") durch den Austausch von Teilchen (Gravitonen, Photonen, intermediäre Vektorbosonen, Mesonen bzw. als Quarkbinder Gluonen); dies entspricht der Analogie des Billardspiels respektive der Nahwirkung, derzufolge Energie nur durch Anstoß bzw. Impuls, also von Ding zu Ding (von Stofflichem zu Stofflichem) übertragen werden kann16).

Analogien

Angesichts solcher Konstrukte drängen sich Analogien mit irrational Metaphysischem (dem nicht direkt Erfahrbaren. Aber wer hat schon je ein W-Boson direkt erfahren?) und Glaubenswahrheiten auf. In allen drei Denkbereichen, sowohl in jenen der irrationalen Metaphysik und des Glaubens als auch in dem der Naturwissenschaft ist die Grenze zum Verständlichen längst überschritten. In allen drei Bereichen gelten Wahrheiten nur aufgrund willkürlicher Bilderbögen, die einzig und allein ihre Ursache in der unanschaulichen Natur des mit ihren Hilfe Vor- oder Dargestellten haben.

Warum gilt aber dem "aufgeklärten Geist" des logisch-kausal denkenden Rationalisten das rationalistisch Metaphysische als obskur oder zumindest unwissenschaftlich, das Naturwissenschaftliche aber als "richtig", "zeitgemäß" und "wahr" und als "die Welt in ihrem Sosein" (=Objektivität) zutreffend(!) beschreibend? Herrschen hier nicht Willkür oder - gelinde gesagt - Ignoranz vor, wo doch zwar im Bereich der irrationalen Metaphysik gravierende Vorstellungs-Fehler begangen werden, nicht aber im Denkgebäude der rationalistischen Metaphysik - wohl aber in dem der popularisierenden Naturwissenschaft?

Zwischenresümé:

Wir haben die Natur der Fehler im Zuge der bisherigen Arbeit aufgezeigt: Sie liegt im Konstruieren von Bildern, wo Bilder nichts verloren haben. Und wenn sich Naturwissenschaft und irrrationalistische Metaphysik voneinander unterscheiden, dann nur in der Qualität der von ihnen verwendeten Bilder. Verkommt die irrationalistische Metaphysik zu einer durchaus anschaulichen, aber mit inadäquaten Bildern erfüllten Welt eines "Jenseits", plagt sich der Wissenschaftsgläubige mit ebensolchen inadäquaten Bildern von im Prinzip unanschaulichen Begriffen aus einer mathematisierten Modellwelt des Abstrakten. Nur die rationalistische Metaphysik - und der kluge Physiker! - begehen den Fehler des Abbildens nicht. Die Ideen Platons sind keine Bilder17), sondern deren Wesen könnte am besten mit "Allgemeinbegriffe" in die heutige Sprache (und in heutiges Verständnis) übersetzt werden.

Hegels Absolutes ist als Total-Abstraktion völlig entkonkretisiert. Es wirkt allerdings - und zwar nur - in Konkretem. Wie? Übersetzt in unsere moderne, durchaus physikalisch dominierte Begriffswelt wären "Kraft" (Bewegung) oder "Möglichkeit" [=Potential(ität)] durchaus adäquate Bezeichnungen für Hegels so spekulativ anmutendes Absolute. Und die physikalischen Begriffe von Raum und Zeit sowie Masse und Energie entsprechen in der rationalistischen Metaphysik (man könne auch sagen: in naturphilosophischer Sicht) im Sinne der Voraussetzungsproblematik (Was setzt was voraus?) dem "Voraussetzenden". Dieses (es ist allerdings kein "Dieses" im Hier und Jetzt, also etwas Konkretes, sondern meint nur den Vorgang des Hinweisens!) ermöglicht erst das in der Raumzeit als Masse oder Energie Erscheinende: als "Vorausgesetztes", Konkretes und damit Realisiertes, das uns jedoch als Verwirklichtes erscheint, das auf uns wirkt. Das RZK als physikalischer Modellbegriff ist für das Konkretisieren (=in Existenz treten) alles Erscheinenden Voraussetzendes, das als Vorausgesetztes im und am RZK erfahrbar und erkennbar (in naturwissenschaftlicher Sicht: meßbar) ist.

Fazit: Rationalistische Metaphysik und metaphysische Rationalität sind nur zwei Seiten ein und derselben Medaille: jener der bild- und vorstellungslosen und damit unanschaulichen Interpretation der Welt nämlich, die aber frei von Widersprüchen ist und somit jenem Begriff am nächsten kommt, wofür er ursprünglich steht: dem Wahren.

Dagegen verwenden Glaube und Mythos ausschließlich anthropomorphe Bilder, in denen die menschliche Gestalt in Form von Göttern, Geistern und Dämonen (Engeln) wiederkehrt. Aber auch in allen Versuchen, den naturwissenschaftlichen Grenzbereich des ebenfalls Nicht-Erfahrbaren vorstellbar zu machen, treten Bilder auf - diesmal allerdings in moderner Verkleidung aus der Welt der Mathematik und Geometrie: Krümmungen, punktförmige Ladungen (durchaus im Sinne von "etwas tragen", also als substanzielle, aber auch akzidentielle Eigenschaften!), Wellen ohne Substrat, Elementarteilchen ohne Ruhmasse usw. Dazu kommen Bilder von Impulsen als Stöße (Austausch von Kraftteilchen), dem Spin (als "Dreh"impuls), von asymptotischen Annäherungen (Singularitäten), Unstetigkeiten (Quantensprünge) und die Quanten selbst (also genau abgepackte "kleinste" Mengen), sowohl als diskrete als auch als virtuelle.

Wird naturwissenschaftlich Unanschauliches mit Anschaulichkeit beladen, entstehen inadäquate Bilder: sie bilden bloß eine Abstraktionsebene ab - die mathematische nämlich. Aber selbst die ist - siehe: "Gott würfelt nicht" - auch nur ein Modell, und zwar ein rein formales, das auf zweiwertiger Logik basiert. Und die ist bestenfalls eine von vielen möglichen Logiken und schon aus diesem Grund mit Sicherheit nicht d e r Zugang, um ein adäquates Wissen von der Welt zu vermitteln.

Dies zu ermöglichen ist allein der rationalistischen Metaphysik vorbehalten - und letztlich arbeiten all jene Physiker auf diesem elitären Niveau, die wissen, daß auch ihre Wissenschaft dort angekommen ist, wo die Philosophie schon seit 2600 Jahren war: beim Unaussprechlichen, Unvorstellbaren, Einen. Bei Tao.

IV: PHILOSOPHISCHE INDUKTION

1. Prämisse: Der philosophische Ansatz

Wenn sich alles bewegt und verändert - siehe "philosophischer Ansatz" dieser Arbeit - und Beginn und Ende allgemeiner Bewegung und Veränderung nicht möglich sind, sind dieser Beginn und dieses Ende auch nicht verwirklicht, da nur Mögliches wirklich werden kann - aber nicht wirklich werden muß. Unmögliches hingegen kann überhaupt nicht verwirklicht werden. Das bedeutet: Es gibt keine erste Bewegung und keine letzte Veränderung; sie sind nicht realisier- oder konkretisierbar. Die Welt hat also weder einen Beginn noch ein Ende, vielmehr i s t die Welt nur durch Bewegung und Veränderung wirklich - im Sinne von auf uns Wirkendem.

Auf uns wirken kann nur Drei-Dimensionales. Dimensionen sind aber bloß Konstrukte des menschlichen Geistes. Die drei Dimensionen des Raumes (Länge, Breite, Höhe), jeweils rechtwinkelig aufeinander gedacht, sind formalisierte Abstraktionen des Ausgedehnten. Sie haben als reine Abstraktionen selbst keine eigene Existenz, sondern fungieren bloß als Ordnungsgerüst des ordnen müssenden menschlichen Geistes - zumindest im Bereich seiner Vernunft. 18)

Als solche Ordnungsmuster können Dimensionen allerdings zur rationalen Erklärung der Welt herangezogen werden - sie müssen es sogar, da sich sonst keine Ordnungen (=Hierarchien) aufstellen lassen. In diesem Ordnungsschema entspricht nun

1. die Null-Dimensionalität dem Möglichen, noch nicht Verwirklichten. Diese Null-Dimensionalität ist natürlich nicht nichts, genausowenig, wie das Möglich nichts ist: es ist eben nicht nicht, sondern möglich. Erst das Unmögliche entspräche dem Nichts - aber das ist ja, wie sich schon aus der Begriffsdefinition ergibt, unmöglich. Im Formalismus der Mathematik entspricht diese Null-Dimensionalität dem - ausdehnungslosen! - Punkt, in der Physik der kleinsten Einheit des jeweils Meßbaren, also den "Ladungen"19). Da Ladungen (=Eigenschaften) nichts Vorstellbares sind (und als Null-Dimensionales auch nicht vorstellbar sind!), werden sie als "(Elementar-)Teilchen" oder "(Zustands-)Welle" umgedeutet. Die Klammerbegriffe weisen aber darauf hin, daß es sich nicht wirklich (bzw. realiter) um Ausgedehntes oder Schwingendes handeln kann. Leider wird in der Physik hier aber sehr oft das - falsche - Abbild von Ausgedehntem und Schwingendem mit transportiert (Durchmesser, Masse, Geschwindigkeit, Spin und Isospin etc.)

2. Die Ein-Dimensionalität entspricht im Formalismus der Mathematik der Abstraktionsform einer sich nur in die Länge erstreckenden Linie; die Physik versucht diesen Formalismus als "in der Zeit bewegtes20) Null-Dimensionales" mit dem Begriff des "String" zu fassen. Medium der Ein-Dimensionalität ist also die Zeit, genauer gesagt, die Dauer, da Zeit bereits eine gedankliche Verknüpfung von Veränderung (als Bewegung) und Beobachtung (als Erinnerung) ist. Nur "in der Zeit existieren", also "dauern" kann aber Ein-Dimensionales nicht, da nur Drei-Dimensionales dauern, das heißt Existenz haben kann.

3. Daher muß reales Drei-Dimensionales über das wirkende Zwei-Dimensionale mit dem möglichen Ein-Dimensionalen eine (untrennbare) Einheit (=Trinität) ergeben. Dabei entsprechen dem Zwei-Dimensionalen im Bild der Physik die Kräfte oder Wechselwirkungen, die das Ein-Dimensionale (die Strings) zum Dreidimensionalen konkretisieren. Zwei-Dimensionales ergibt ohne Ein- oder Drei-Dimensionales keinen Sinn - es ist begriffsleer und fungiert nur als Bindung.21) Es gibt allerdings nichts Zwei-Dimensionales an sich - genausowenig, wie es Ein-Dimensionales an sich gibt oder gar Null-Dimensionales gäbe (man beachte den hier verwendeten Konjunktiv als das Mögliche meinend!). Zweidimensionales tritt also nur auf, indem es (sich an) Drei-Dimensionales/m konkretisiert - was den physikalischen Wechselwirkungstheorien ja durchaus entspricht: Die Felder als Kraftpotentiale22) (besser: Potentiale der Wechselwirkungen - vier kennen wir zur Zeit) werden wirklich (=wirken bzw. sind meßbar) nur bei konkretem Vorhandensein von Drei-Dimensionalem - und sei es als schieres Elementar"teilchen", das als Meß"fühler" fungiert, durch das erst eine Wechselwirkung mit dem Feld induziert wird (=Messung).23)

4. Drei-Dimensionales ist also immer das Verwirklichte, das sich aus der Möglichkeit des Null-Dimensionalen via Ein-Dimensionales durch das Zwei-Dimensionale realisiert (=vereinzelt) hat. Erst als dieses Ausgedehnte (formalisiert im Dimensionentripel) kann es auf uns wirken und vorgestellt werden; erst von ihm können wir uns Bilder machen.

5. Null-, Ein- und Zwei-Dimensionales sind daher grundsätzlich nicht vorstell- und abbildbar. Sie existieren nicht als Null-, Ein- und/oder Zwei-Dimensionale; sie bringen aber Drei-Dimensionales aber hervor, lassen es in Existenz treten (lat: existere = heraustreten). Sie sind das Voraussetzende (Aktive) des (von ihnen) Vorausgesetzten (Passiven).

2. Prämisse: Der metaphysische Ansatz

1. Schritt: Da nur bereits Bewegtes anderes bewegen kann, führt die Suche nach einer kausalen ersten Bewegung in den unendlichen Regreß24).

2. Schritt: Da die Welt selbst aus Endlichem besteht und Unendliches nirgendwo als Konkretes, Realisiertes, einzelnes auftreten kann (weil ja ein konkretes Einzelnes niemals unendlich sein kann)25), kann das Geschehen in der Welt nicht Ergebnis einer unendlichen kausalen Verkettung von Bewegungsanstößen sein, sondern muß Bewegung akausal begründet sein.

3. Schritt: Das begriffliche Gegenteil von kausal ist spontan und meint unverursachtes Auftreten von etwas. In der klassischen Physik kommt so etwas nicht vor, sie basiert auf stringenter Kausalität. In der Quantenphysik treten spontane Ereignisse sehr wohl auf (Fluktuationen der Quantenfelder). Rechnerisch werden sie durch Wahrscheinlichkeiten oder Statistiken beschrieben.

Akausal bedeutet also, daß einem ganz bestimmten konkreten Ereignis keine es erzeugende (es auslösende) Ursache zugeschrieben werden kann. Akausal bedeutet aber nicht willkürlich. Spontane Ereignisse treten vielmehr nur als erwartete (als mögliche) auf: bloß der Zeitpunkt ihrer Verwirklichung ist unsicher (z. B. Betazerfall). Akausales Eintreten bedeutet daher nur, daß zwar Mögliches wirklich wird, aber diese Möglichkeit selbst unverursacht ist.

4. Schritt: Wenn Unverursachtes nicht willkürlich auftritt, sondern erwartbar, dann bedeutet "erwartbar" nicht unbedingt einen Zeitpunkt sondern nur, daß sich Mögliches verwirklicht. Unmögliches wird nicht.

5. Schritt: Mögliches und Wirkliches sind weder über die Zeit, noch über die Kausalität verkoppelt; sie sind überhaupt nicht trenn- oder verknüpfbar, sondern beschreiben die untrennbare Einheit zweier Seinszustände. Sie befinden sich damit außerhalb menschlicher Verknüpfungsparameter wie der zwei- oder auch dreiwertiger (n-wertiger) Logiken und bedürfen nicht mehr der Aussagen des Bewußtseins.

3. Conclusio oder Die zehn Gebote

1) Bewegung und Veränderung der Welt sind ohne Anfang und Ende und nicht verursacht, sondern erfolgen spontan.

2) Spontan bedeutet, daß etwas Mögliches wirklich wird.

3) Bewegung und Veränderung sind die Grundvoraussetzungen für die Wirklichkeit des Erscheinenden - alles Wirkliche ist bewegt und verändert sich.

4) Mögliches ist nichts Wirkliches und daher weder bewegt noch verändert es ruht.

5) Ruhe beginnt und endet nicht - genausowenig wie die Bewegung und die Veränderung.

6) Ruhe entspricht damit dem Begriff des Ewigen

7) Nicht beginnende Bewegung und nicht endende Veränderung entsprechen ebenso dem Begriff des Ewigen

8) Aus der Ruhe des Möglichen (dem Möglichen der Ruhe) wird die Bewegung des Wirklichen (die Wirklichkeit des Bewegten)

9) Der religiöse Begriff für diese Einheit in der Dreiheit lautet "Gott"

10) Gott ist eine Metapher für die Möglichkeit des Wirklichen - Gott ist möglich.

Fußnoten

1) Die Welt als Ganze [= All(es)] könnte nur einem oder etwas ihr Entgegengesetztem gegenüber beginnen oder enden. Was wäre dem All(em) aber außerhalb? In der Religion gibt es dafür die Bezeichnung "Gott" - den aber kennt die Naturwissenschaft nicht; von "ihm" hat sie schon vor 300 Jahren abgesehen.

2) In der Physik wird "existieren" mit "meßbar" gleichgesetzt. In der Naturphilosophie bedeutet "Existenz" das Hiersein eines Dinges oder - naturwissenschaftlich ausgedrückt - etwas dreidimensionales Ausgedehntes.

3) Läßt Gott den Zufall zu, ist Gott nicht allmächtig. Es pfuschte ihm ja der Zufall beständig in seine Schöpfung und wäre somit deren eigentlicher "Herr". Im Christentum wird dieser Pfuscher übrigens mit "Teufel" oder "Luzifer" (=Lichtträger) bezeichnen, womit ein irrationalistisch-metaphysischer (besser: mythischer) Begriff durchaus naturwissenschaftlich Relevantes umschriebe: "Lichtträger" sind Photonen, die Quanten der elektromagnetischen Kraft. Und Quanten sind per se unverursacht, weil spontan in ihrer Entstehung, und somit - zumindest vordergründig oder vorläufig: zufällig!

4) Als Beispiel dafür diene der Artikel von Michael J. Duff "Neue Welttheorien: von Strings zu Membranen" in: Spektrum der Wissenschaft, April 4/1998, pp 62-69

5) Wie gezeigt werden wird, hat sich an der Qualität des Wissens seit Demokrit und Aristoteles nicht viel geändert. Nach wie vor pendelt das naturwissenschaftliche Denken zwischen "den Atomen und dem Leeren" (heute: Masse-Energie-Äquivalent und wechselwirkende Nahwirkung) und Zufall und Kausalität (Wahrscheinlichkeit und Spontaneität).

6) Der Welle-Teilchen-Dualismus gilt nicht als Widerspruch, da mit seiner "Entdeckung" (besser: Einführung) in der Physik bewußt wurde, daß die "Natur" des Lichtes (also das "Eigentliche" des Lichtes!) und später aller Elementarteilchen nur in Bildern von Partikeln oder Wellen vorstell- und damit verstehbar war. Licht ist weder Welle noch Partikel; es kann interpretiert werden einmal als Welle und einmal als Photon. Dieser letzte Rest von Vorstellbarkeit ist mit der Einführung der virtuellen Teilchen der Quantenphysik endgültig dahin - von eindimensionalen Strings und "Membranen" gar nicht zu reden.

7) Tarski sagt zwar: "... Übereinstimmung mit einer Tatsache" - aber auch über eine Tatsache muß erst Konsens, also Einvernehmen hergestellt werden!

8) Auch der Verliebte sieht die Angebetene durch die sprichwörtliche rosarote Brille - und nicht den Menschen, wie er "wirklich" ist. Wer Strings "sehen" will, erklärt die ganze Welt mit ihnen, obwohl Eindimensionalem keine Existenz zukommen kann, da Existenz nur eine Eigenschaft des Dreidimensionalen ist.

9) Es ist dabei tatsächlich eine delikate Frage, mit welchem Bild die Vorstellung weniger Schwierigkeiten hat: mit der prinzipiell unvorstellbaren 4. (fälschlich als gekrümmt interpretierten) Dimension (mit der vielmehr die Zeit bezeichnet wird!) oder der vorstellbaren, aber der Erfahrung zuwiderlaufenden Längenkontraktion in Bewegungsrichtung. Paradoxerweise hat sich die Unvorstellbarkeit des 4-D-Raumes in der Fach- und Populärliteratur durchgesetzt.

10) Das Bilderverbot des Islam geht übrigens auf diese Einsicht zurück, und basiert auf Gottes Auftrag Moses gegenüber (Exodus 20, 4-5). Die Mißachtung dieses Gebotes und die Konstruktion des Goldenen Kalbes (als Bild eines Bildes) führte übrigens zur Massenabschlachtung von 3000 Israeliten durch die Leviten (Exodus 32, 1-6; 25-29).

11) Jesus ist - nur aus diesem Grund natürlich - auch der "Sohn Gottes": weil er in einer pateranalistischen Kultur erfunden wurde, in der Frauen und Sklaven nicht einmal eine Seele hatten, und weil Söhne in einer solchen Kultur ihrem Vater unbedingt gehorchen. Und weil das ganze Bild des Erlösers - siehe oben - eine umgebungsbedingte Wahrheit ist, deren Gültigkeit sich nur soweit erstrecken kann, als sie auch für wahr gehalten wird. Dabei muß "soweit" keine Entfernungsangabe bedeuten: Bekanntlich hält Jesu eigenes Volk ihn nicht für den Erlöser!

12) Jesus wurde als "wahrer Mensch und Gottes Sohn" (im Originaltext: "filioque") erst 300 Jahre nach seinem Tod erfunden - im Konzil von Nicäa (325 n. Chr.) nämlich: als Gott zum Anfassen sozusagen, dem man - zu seinen Lebzeiten - auch begegnen hatte können.

13) Wittgenstein: "Die Welt ist, was der Fall ist."

14) Was repräsentativ ist, ist von Fall zu Fall verschieden. Es gibt Wahrheiten, die nur zwischen Paaren gelten (Liebe z. B.), und Wahrheiten, die Weltreligionen speisen (Christentum), Wirtschaftssysteme sanktionieren (Kapitalismus z. B.) und Weltbilder konstituieren (das naturwissenschaftliche etwa).

15) Der kluge Physiker definiert "punktförmig" daher pragmatisch als "Grenze des Meßbaren". Alles, was kleiner ist als die kleinstmögliche Meßgröße, gilt als "punktförmig". Das geht auch konform mit einer anderen physikalischen Definition: alles, was nicht meßbar ist, existiert nicht. Ein Widerspruch tritt also - so gesehen - gar nicht auf. Allerdings existieren für dieses Denken auch keine Liebe und kein Ich - eigentlich eine ziemlich verarmte Welt. Und die soll "wahr" sein bzw. die Welt "wahr" beschreiben?

16) Das Photon selbst ist zwar ein theoretisch vereinzelbares "etwas", hat aber keine Ruhmasse (es gibt außer dem Photon nichts theoretisch Vereinzelbares, das nicht Ruhmasse hätte, da Masse Trägheit innewohnt und Trägheit der Inbegriff von Materie ist. Was das Photon daher "wirklich" ist, ist zumindest widersprüchlich - und Widersprüche sind in der Naturwissenschaft verboten! Aber es ist denknotwendig (im System der Relativitätstheorie logisch schlüssig), daß ein Photon keine Ruhmasse haben darf: es könnte sonst nicht mit der Geschwindigkeit c "reisen", das seine Masse sonst gegen unendlich ginge und aus Trägheitsgründen nicht die Geschwindigkeit c erreichen könnte.

17) Nach Platon ist vielmehr unsere reale Welt nur ein Quasi-(Ab-)bild der Ideen in unvollkommener Konkretion der an sich idealen Ideen.

18) Der Bereich der Gefühle ordnet nie, ebensowenig der dritte Bereich, jener der Intuition.

19) Ladungen werden nur wirklich, wenn sie abgegeben (oder gemessen) werden: indem sie - mit anderem - wechselwirken.

20) (=Dauerndes, dargestellt als auf einer "Weltlinie" "im" Raum Seiendes; besser wäre es: den Raum - oder: das entsprechende "Feld" Schaffendes)

21) "Bindung" ist hier nicht als "Klebstoff" - also als getrennt existierendes Drittes zu verstehen (wie das physikalische Bild der Bindungs"teilchen" es insinuiert!) -, sondern als Konstituierendes, es erst Ermöglichendes. Genausowenig wie es kein oben ohne unten, kein vorne ohne hinten, kein rechts ohne links gibt und alle Begriffe nur Sinn als "Richtung" ergeben (die Drei-Dimensionalität eben), gibt es nichts Drei-Dimensionales, ohne das es Zwei-Dimensionales "mit" Ein-Dimensionalem "aus" Null-Dimensionalem (dem Möglichen) schafft (in die Wirklichkeit bringt). Unter Anführungszeichen müssen "mit" und "aus " stehen, weil unsere Sprache als Kommunikationsmittel dreidimensionaler Wesen in einer dreidimensionalern Welt nur auf Drei-Dimensionales rekurrieren kann.

22) Der Begriff "Potential" drückt schon aus, was er meint: es ist die Möglichkeit zur Verwirklichung.

23) Die Frage, ob es die Gravitation gäbe, wenn es keine Massen gibt (oder Licht, wenn es keine Körper gibt, das es aussendet oder reflektiert) ist müßig: natürlich nicht, da ein Feld "nur" das Potential des - gemäß seiner Möglichkeit - Verwirklichten ist und nichts An-sich-Seiendes darstellt. "Gemäß seiner Möglichkeit" nun meint nichts anderes als daß nichts x-Beliebiges entstehen (=werden) kann, sondern nur Mögliches. Was das Mögliche und was das Unmögliche ist, versucht die Physik heraus zu bekommen. Da wir uns aber nur nach dem Verwrklichten als Prüfstein richten können, ist dieses gesteckte Ziel ein prinzipiell unerreichbares!

24) Kausalität als Ursache-Wirkungs-Kette beinhaltet immer auch den Begriff der Zeit. Zeit ist aber - wie die Kausalität selbst - ebenfalls nur eine Kategorie des Bewußtsein (nach Kant: eine Anschauungsform). Anders ausgedrückt: Die Zeit ist in der Welt, aber die Welt ist nicht in der Zeit (siehe auch: Conturen)

25) Unendlichkeiten gibt es zwar im formal Abstrakten der Mathematik, nicht jedoch im inhaltlich Konkreten der Physik. Wann immer in der Physik Unendlichkeiten auftreten, muß die Gleichung verändert oder sinnvoll (mit einem endlichen Ergebnis) interpretiert werden. An dieser simplen Forderung scheiterte schon so manche Theorie. Weil in ihren Grundgleichungen Lösungen mit dem Wert "unendlich" auftraten, für die man keine realen Entsprechungen finden konnte bzw. kann.