An
der Grenze zwischen Naturwissenschaft und Parapsychologie
von
Mag. Erwin Kohaut und Dr. Walter Weiss
1.
Teil: Das Experiment (von Mag. Erwin Kohaut)
Um die Abgrenzung zu demonstrieren zwischen jenem Bereich der
Wirklichkeit, den die Naturwissenschaften für sich in Anspruch nehmen, und dem
„Rest“, auf den sie wegen ihrer methodischen Beschränkung verzichten, habe
ich an meiner Schule schon mehrmals, sowohl im Wahlpflichtfach Physik als auch
(als Gast) im Wahlpflichtfach Psychologie jeweils ein bis zwei Doppelstunden
gestaltet.
Üblicherweise beginne ich mit dem Unterschied zwischen Hypothese und
Theorie sowie der Popperschen These, daß man, da in den Naturwissenschaften
nichts verifizierbar ist, nach Falsifizierung trachten solle (eine Hypothese,
die durch experimentelle Überprüfung nicht falsifiziert worden ist, kann zur
Theorie erhoben werden, bleibt aber immer noch falsifizierbar), und daß also in
den Naturwissenschaften nicht der Glaube, sondern der Zweifel das Mittel der
Wahl sei, obwohl selbstverständlich immer noch vieles Glaubenssache ist: ob es
z.B. eine Realität und eine Kausalität gibt, oder ob es jemals einen Urknall
gegeben hat, halte ich für etwas, an das man ebenso gut glauben wie es
bezweifeln kann. Dies deshalb, weil es sich dabei um fundamentalere Begriffe
handelt als jene, auf welche die naturwissenschaftliche Methode anwendbar ist,
deren grundlegendste Fassung von Galilei stammt: Messen, was meßbar ist; meßbar
machen, was nicht (unmittelbar) meßbar ist.
Alles, was sich in der Natur messend erfassen läßt, wird von
Naturwissenschaftern ihrem Gebiet zugezählt, vorausgesetzt, es handelt sich um
Größen, die mit entsprechenden Definitionen oder Meßvorschriften ausgestattet
sind (Beispiele: Zeit, Druck, Stromstärke), um Größen also, für deren
Handhabung man mit naturwissenschaftlichem Vokabular das Auslangen findet. Hier
wird aber die Sache unscharf und könnte Anlaß zu umfangreichen Diskussionen
geben: Was alles gehört zum naturwissenschaftlichen Vokabular und was nicht?
Nehmen wir z.B. das Wort „Wille“ unter die Lupe, so ist zwar einerseits
klar, daß ohne Willen eine naturwissenschaftliche Tätigkeit, die zumeist
enormen Einsatz erfordert, gar nicht möglich ist, dieser Begriff also für
naturwissenschaftliche Tätigkeit Voraussetzung ist, anderseits aber auch, daß
„Wille“ naturwissenschaftlicher Tätigkeit selbst nicht zugänglich, weil
nicht meßbar ist. Deshalb wird der Begriff „Wille“ selbst von der
naturwissenschaftlichen Forschung ausgeschlossen, und sollte sein Einbruch in
dieselbige drohen, so müßte er gewaltsam daraus entfernt werden.
An dieser Stelle ist es angebracht, ein Experiment durchzuführen (wobei
ich zunächst offen lasse, ob jedes Experiment ein naturwissenschaftliches sein
muß). Ich benutze dafür Geräte, die jedem scheinbar vertraut sind: Antennen,
teleskopartig ausziehbar, wie sie auch an Radios verwendet werden. Der einzige
Unterschied ist, daß sie auf Haltegriffen montiert und in die Horizontale
klappbar sind. Kugellager in den Griffen sorgen dafür, daß die Antennen um die
vertikale Achse frei drehbar sind. Obwohl es sich um technische Instrumente zu
handeln scheint, entstammen sie doch dem Bereich der Esoterik (genauer: der Radiästhesie)
und sind dort unter dem Namen „Winkelruten“ (einer Sonderform der Wünschelrute)
bekannt.
Mein Experiment besteht darin, daß ich auf einen ans Stromnetz
angeschlossenen, aber nicht eingeschalteten Fernsehapparat zugehe, die Antennen
„im Anschlag“, also nach vorne gerichtet, wobei sie aber leicht nach unten
geneigt sein müssen, um in einer stabilen Lage zu sein. Sobald ich mich dem
Fernsehapparat weit genug genähert habe, schwenken (scheinbar ohne mein Zutun)
beide Antennen zur Seite. Die unter den Schülern entstandene Unruhe versuche
ich durch eine anscheinend naturwissenschaftliche Erklärung zu dämpfen: „Ihr
wißt ja, daß die in den Leitungen befindlichen Elektronen mit der Netzfrequenz
schwingen, und zwar auch in den Apparat hinein, bis hin zum Ein- und
Ausschalter. Schwingende Ladungen erzeugen elektromagnetische Felder und diese
sind biologisch wirksam, das heißt, ich reagiere darauf. Und der
Antennenausschlag ist nur das sichtbare Zeichen dafür.“
Dann schalte ich den Apparat ohne Programm ein, so daß nur ein Flimmern
in Weiß und Schwarz zu sehen ist, was auf die Schüler nicht sehr ablenkend
wirkt. „Klar, daß jetzt mehr Störfelder auf mich wirken. Die Antennen werden
also schon früher ausschlagen.“ Wieder gehe ich auf den Apparat zu. Die
Antennen schlagen deutlich früher aus. Die Schüler sind nicht mehr zu bremsen
und wollen es auch versuchen. Nach kurzen technischen Anweisungen zum richtigen
Halten der Antennen testet jeder selbst die „Wirkung der elektromagnetischen
Felder“ auf ihn. Bei manchen drehen sich die Antennen, wie sie es bei mir
getan haben, bei anderen tun sie es nicht.
Die Gruppe ist nun in zwei Teile gespaltet: in jene, die glauben, daß
es funktioniert, und in jene, die glauben, daß es nicht funktioniert. Genau das
lasse ich sie auch ausdrücken, um ihnen klarzumachen, daß es Glaubenssache
ist, ob es funktioniert oder nicht, weil ich es ihnen nicht anders erklären
kann. Es kommt dabei eben nicht auf naturwissenschaftlich Faßbares (objektiv Meßbares,
Reproduzierbares) an. Die Tatsache, daß die auf einem Rollwagen montierten
Antennen sich nicht drehen, die in den Händen so mancher Versuchspersonen
befindlichen dagegen schon, macht klar, daß, wenn sich ein Effekt zeigt, er auf
das Vorhandensein der Person zurückzuführen ist.
Diskutiert wird nun, ob der Effekt bewußt (also durch Schummeln) oder
unbewußt (z.B. durch eine Reaktion der Person auf das elektromagnetische Feld)
zustande kommt. Die, bei denen nichts passiert ist, unterstellen üblicherweise
jenen, bei denen sich die Antennen gedreht haben, pauschal leichte Beeinflußbarkeit,
Unehrlichkeit oder noch Schlimmeres; und die, bei denen sich ein Effekt
eingestellt hat, sind fest davon überzeugt, nicht geschummelt zu haben, können
das aber den anderen nicht klarmachen.
Damit sind wir bei dem Problem angelangt, das die Parapsychologen ganz
allgemein mit den Naturwissenschaftern haben: Sie sind davon überzeugt, es mit
natürlich auftretenden Phänomenen zu tun zu haben und streben in der Mehrzahl
danach, in ihrer Forschung endlich von Naturwissenschaftern anerkannt zu werden
(wozu eigentlich?), was aber nicht möglich ist. Und zwar aus mehreren Gründen,
die ich exemplarisch aufzählen möchte:
Bei manchen Gesprächen mit Fachkollegen (Physikern also; sowohl aus dem
Bereich der AHS als auch von der Uni Wien) habe ich schon die an sich provokante
Frage gestellt: „Was hältst Du/halten Sie eigentlich von Parapsychologie?“
Die Antwort ist zumeist negativ ausgefallen (Tenor: „So ein Blödsinn!“).
Beim Nachfragen, wieweit sich mein Gesprächspartner schon mit Parapsychologie
beschäftigt habe, mußte ich erfahren, daß gerade jene, die am wenigsten davon
hielten, auch das geringste Wissen darüber hatten. Diese Erfahrungen zählen zu
meinen schlimmsten, weil ich es für eine der wesentlichsten Eigenschaften eines
Naturwissenschafters halte, allem gegenüber offen und unvoreingenommen zu sein.
Aber leider ...
Ein zweiter Punkt sind Bestrebungen, Ergebnisse parapsychologischer
Forschung mit Hilfe naturwissenschaftlicher Theorien (und hier vor allem der
Quantenphysik) zu erklären, was in jedem mir bekannten Fall auf so peinlich läppische
Art geschehen ist, daß es mich nicht wundert, wenn dies bei Physikern auf
Ablehnung stößt. Auch bin ich davon überzeugt, daß man sich mit solchen Bemühungen
aus prinzipiellen Gründen auf den Holzweg begibt: Parapsychologie und Physik
sind nicht vereinbar; darüber aber später mehr.
Eine dritte Sache sind die parapsychologischen Experimente, die spätestens
seit J. B. Rhine mit einer Akribie durchgeführt werden, die jedem
naturwissenschaftlichen Experiment zur Ehre gereichen würde (wer kümmert sich
z.B. bei einem x-beliebigen physikalischen oder chemischen Experiment darum, ob
der Sonnenstand, die Sonnenaktivität oder die Mondphase einen Einfluß haben,
oder, wenn es nicht naheliegend ist, um die Abschirmung des Experiments gegenüber
elektromagnetischen Feldern?). All das aber hat den Parapsychologen in mehr
als sechs Jahrzehnten kein bißchen mehr Anerkennung unter den
Naturwissenschaftern eingetragen. Um dem Warum dafür auf die Spur zu kommen, müssen
wir uns wieder der naturwissenschaftlichen Methode zuwenden, und zwar diesmal
ihren Grenzen: „Messen ... !“ lautete der Auftrag Galileis.
Die Sinnhaftigkeit des Meßvorganges setzt aber einiges voraus: Zunächst
einmal, daß klar ist, welche Größe überhaupt gemessen werden soll. Was habe
ich bei meinem Antennen-Experiment gemessen? Diese Frage läßt sich für einen
Naturwissenschafter nicht zufriedenstellend beantworten. Des weiteren soll ein
naturwissenschaftlicher Meßvorgang objektiv nachvollziehbar und reproduzierbar
sein. Genau an dieser Stelle können jene Schüler einhaken, denen der Effekt
des Drehens der Antenne versagt geblieben ist: Wenn sie einen Stein fallen
lassen oder einen Kondensator sich über eine Spule entladen lassen, dann fällt
er genauso/kommt genauso eine elektromagnetische Schwingung zustande wie bei
allen anderen, die dies tun. Wenn sie aber mit Winkelruten auf einen Fernseher
zugehen, passiert nicht dasselbe wie bei anderen. Der Effekt ist also nicht
objektiv nachvollziehbar. Reproduzierbar ist er schon gar nicht, weil auch bei
ein und derselben Versuchsperson der Effekt einmal eintreten, ein andermal
ausbleiben kann.
Daraufhin werfe ich dann ein, daß Ergebnisse parapsychologischer
Experimente sowohl von der Sensitivität (dem „Können“) der Versuchsperson
als auch von deren psychischem Zustand (der „Verfassung“) nicht unabhängig
sind. Wir kennen Ähnliches aus dem Alltag: Von zwei Musikschülern kann
durchaus einer (der begabtere) ein Musikstück spielen können, an dem der
andere (unbegabtere) scheitert. Aber auch dem Begabteren wird es nicht immer
gleich gut gelingen. Die Reproduzierbarkeit der Spielbarkeit dieses Musikstücks
ist also durchaus nicht gegeben (wenngleich auch naheliegender als bei meinem
Experiment). Von der Objektivität der Spielbarkeit aber wird sich in diesem
Fall durchaus jeder überzeugen lassen, der das Musikstück bereits von irgend
jemandem einwandfrei vorgespielt bekommen hat, wobei aber klar sein muß, daß
es echt gespielt worden ist. (Daß Objektivität und Reproduzierbarkeit
auch in den Naturwissenschaften nicht so eindeutig sind, wie dies
Naturwissenschafter gerne vorgeben bzw. hätten, habe ich in einem Artikel
„Naturwissenschaft und Naturphilosophie“ dargelegt, der in der Zeitschrift
„AHS“ in den Jahren 1996/97 erschienen ist.)
Nachdem ich also die Schüler mit solchen Geschichten hingehalten habe,
rücke ich dann mit dem großen Offenbarungsschluß heraus, daß offensichtlich
zur Sicherung der Sinnhaftigkeit einer Messung diese unbedingt und zweifelsfrei
unbeeinflußt vor sich gegangen sein muß. Und das heißt: unbeeinflußt von
jeglichem Willen, gleich, ob die Beeinflussung bewußt oder unbewußt erfolgt.
Klar ist, daß dies bedeutet: Es darf (für Naturwissenschafter) ganz
einfach nichts und niemanden geben, das oder der beeinflußt! Keinen Dämon, der
vielleicht unter meinem fallenden Stein hockt und ihn am Fallen hindert, aber
auch keinen Gott, der in den Ablauf dieser Welt eingreift. Dies ist jeder
naturwissenschaftlichen Messung als Bedingung vorauszusetzen.
Unklarer dagegen ist: Wie hält der Experimentator, dessen Wille ja
zweifellos vorhanden ist (sonst hätte das Experiment nicht stattgefunden)
seinen Willen aus dem Ergebnis des Experiments heraus? Ich gebe hier zu
bedenken, daß das Ergebnis immer Interpretationssache ist, und daher unmöglich
vom Willen des Experimentators oder des Auswerters unabhängig gemacht werden
kann. Bleibt noch die Frage, wieweit der Wille der Versuchsperson bzw. anderer
anwesender Personen den Ablauf des Experiments (und damit dessen Ausgang)
beeinflussen können. Für Naturwissenschafter darf diese Frage keine Rolle mehr
spielen, da ja die Einflußnahme eines Willens auf das Experiment bereits
ausgeschlossen worden ist. Unter Parapsychologen wird die Annahme vertreten, daß
sich die Versuchsperson (in unserem Fall der „Wünschelrutengeher“) durch
Training von Wünschen bezüglich des Ergebnisses des Experiments frei machen
kann.
Sobald aber der Ausgang eines Experiments vom Vorhandensein einer
Versuchsperson bzw. deren psychischer Verfassung abhängt/abhängen kann, wie es
bei allen parapsychologischen Experimenten der Fall ist, ist die erwähnte
methodische Grenze der Naturwissenschaften überschritten. Ein solches
Experiment ist kein naturwissenschaftliches Experiment; daher lehnen
Naturwissenschafter von vornherein ab, sich damit zu beschäftigen. (Für mich
selbst bedeutet dies: wenn ich mich damit beschäftige, weiß ich, daß ich es
nicht in meiner Eigenschaft als Naturwissenschafter mache; in meiner Eigenschaft
als an allem interessierter Mensch aber darf ich es allemal!) Und Parapsychologen
können tun, was sie wollen: Nie werden ihre Experimente von
Naturwissenschaftern anerkannt werden.
Naturwissenschaftern, die sich mit Parapsychologie auseinandersetzen,
droht Ausgrenzung von Seiten der etablierten Wissenschaft, wie dies William
Crookes (auch heute noch bekannt vom „Crookes’schen Dunkelraum“, der in
elektrischen Entladungen durch verdünnte Gase auftritt) vor mehr als hundert
Jahren passiert ist, als er die durch Daniel Home bewirkten Levitationsphänomene
mit wissenschaftlicher Akribie untersuchte und keinerlei Schwindel dabei
feststellen konnte. Crookes hat damit klarerweise die Grenze zwischen
Naturwissenschaft und Parapsychologie überschritten; er hätte dies (siehe
oben) als Mensch, aber nicht als Physiker tun dürfen. Ich bezweifle aber, daß
ihm der Spott seiner etablierten Kollegen erspart geblieben wäre, weil (siehe
oben) vielen Naturwissenschaftern die Eigenschaft, allem gegenüber offen und
unvoreingenommen zu sein, fehlt.
Dennoch wäre es falsch, über die „intoleranten
Naturwissenschafter“ herzuziehen, weil diese durch die Methode ihrer
Wissenschaft eingeschränkt sind. Lao Tse hat dies sinngemäß so ausgedrückt:
Mit einem Brunnenfrosch kann man nicht über die Erde reden - er ist begrenzt
durch sein Loch; mit einer Eintagsfliege kann man nicht über das Jahr reden -
sie ist begrenzt durch ihre Zeit; mit einem Fachmann kann man nicht über das
Leben reden - er ist begrenzt durch seine Lehre. Insofern also Psyche und
parapsychologische Phänomene Teil unseres Lebens sind, kann man mit
Naturwissenschaftern in ihrer Eigenschaft als Naturwissenschafter nicht darüber
reden (als Menschen schon).
So, wie ich schon in meinem Artikel „Naturwissenschaft und
Naturphilosophie“ für die Schaffung einer „neuen Naturphilosophie“
eingetreten bin, die einen möglichst weiten methodischen Rahmen erhalten
sollte, mit dem Ziel, möglichst allen Menschen „unsere Welt“ (wiewohl doch
jeder seine eigene hat, aber das ist ja mit eine Ursache des Problems) auf
welche Weise immer nahebringen zu können (sei es naturwissenschaftlich,
magisch, mystisch, mythisch, musikalisch, zeichnerisch, durch Ausdruckstanz oder
sonstwie); so, wie ich in meinem 1998 in dieser Zeitschrift erschienenen Artikel
„Kritische Gedanken zur Kosmologie“ wieder dieselbe Meinung vertreten habe,
weil „das Universum als Ganzes“ - und darüber machen ja die Kosmologen ihre
Aussagen - den in der Physik vorgegebenen methodischen Rahmen sprengt, so
vertrete ich dieselbe Meinung hier nochmals: Nur der methodisch ausreichend weit
gesteckte Rahmen einer neu zu entwickelnden Naturphilosophie könnte geeignet
sein, sowohl naturwissenschaftlich handhabbare Phänomene als auch Paraphänomene
als Bestandteile unserer Welt zwanglos nebeneinander oder sogar gemeinsam zu
behandeln und so den Menschen nahebringen zu können. (Ob Paraphänomene auch
der Natur zuzurechnen sind, liegt an der Definition des Begriffes Natur.)
Wenn jetzt jemand noch wissen will, ob ich selbst bei meinen
Experimenten geschummelt habe: natürlich nicht! Wenn der Einwand kommt, daß
man ja während des Gehens die Antennen leicht (bewußt oder unbewußt) aus
ihrer stabilen Lage bringen kann, mache ich folgendes Experiment: ich stelle
mich mit den nach vorne gerichteten Antennen ganz ruhig hin, ein Schüler/eine
Schülerin geht von vorne langsam auf mich zu und bringt in einer gewissen
Entfernung von den Antennen diese zum Drehen. Die restlichen Schüler befinden
sich seitlich und beobachten meine Handhaltung während des ganzen Vorgangs. Da
ich meine Hände ganz offensichtlich nicht bewege, entkräfte ich damit den
Einwand, die Antennen durch Kippen der Haltegriffe zum Drehen zu bringen. Die
Tatsache, daß sich die Antennen bei Annäherung eines Schülers/einer Schülerin
drehen, „erkläre“ ich wieder mit der Wirkung, die jener Mensch auf mich ausübt,
der auf mich zugeht. Die Distanzen, bei denen die Antennen sich drehen, reichen
in diesem Fall von 0 (der-/diejenige steht praktisch an den Antennen an) bis
etwa 4 Meter.
Als ich den vorliegenden Artikel bis hierher geschrieben hatte, habe ich
ihn an Herrn Dr. Walter Weiss übergeben mit der Bitte um Kritik und
Verbesserungsvorschläge (seit unserem gemeinsamen Artikel „Universum versus
Multiversa“ machen wir das gegenseitig so). Das Ergebnis: Einerseits war er
begeistert, anderseits enttäuscht, weil ich für Paraphänomene keine
naturwissenschaftliche Erklärung anzubieten hatte. Zwar gibt es spekulative
Theorien, die Platz für Paraphänomene lassen; hier tritt aber der Unterschied
zwischen Theorie und Praxis (Messen!) wieder deutlich -
und schmerzlich -
zutage. Da Herr Dr. Weiss laut eigener Aussage „naturwissenschaftsgläubiger
ist als viele Naturwissenschafter“, wollte er sich damit nicht abfinden, daß
eine naturwissenschaftliche Erklärung nicht möglich sei und hat sich voll Elan
an die Arbeit gemacht, das Gebiet der Parapsychologie doch noch für die
Naturwissenschaften zu retten. Hier sein Ergebnis:
2.
Teil: Die Erklärung
(von
Mag. Dr. Walter Weiss)
Der 1. Teil der Arbeit beschreibt viel und
erklärt nichts. Er legt emotionslos dar, daß gewisse Phänomene - eben außersinnliche
oder paranormale - jeder Erklärung Widerstand entgegen setzen, vergleichbar den
Koans des östlichen Monismus, die auch die Vernunft in ihre Schranken weisen
wollen - den Verstand ohnedies. Wollen wir also PSI-Phänomene „erklären“,
müssen wir vorerst (er)klären, was mit dem Begriff „erklären“ - im
allgemeinen Sprachgebrauch und üblichen Verständnis - gemeint ist.
Erklären ist abhängig vom Bewußtseinszustand
sowohl desjenigen, der erklärt, als auch jenes, dem es erklärt wird. Eine Erklärung
bringt nur dann Klarheit, wenn die Bewußtseinszustände beider Beteiligten -
annähernd - gleiches Niveau aufweisen. Dabei fühlen wir „westlich
Denkenden“ uns ganz eindeutig dem nachaufgeklärten, postindustriellen, schon
ein wenig post-mechanistischen, jedenfalls aber rationalen, analytischen,
zweiwertig-logischen - und damit widerspruchsfreien - kausalen Denken
verpflichtet. Das bedeutet: Was ihm nicht entspricht - vor allem: was nicht
widerspruchsfrei und kausal ist! - wird von uns als Erklärung abgelehnt.
Das ist - natürlich! - eine arge Einschränkung
all des Geschehens auf der Welt. Denn wer bestimmt eigentlich, ob die
Widerspruchsfreiheit (das 3. Axiom der zweiwertigen Logik, auch „Tertium non
datur“ genannt) tatsächlich d a
s Kriterium ist, nach dem die Welt
sich zu verhalten habe? Wer sagt, daß nur Widerspruchsfreiheit und Wahrheit
zusammenfallen? Es gibt doch jede Menge anderer Erklärungsmuster! Da bietet
sich z. B. das religiöse (auch magisch, mystisch oder mythisch genannte)
Denkmodell an: Dieses ist weder rational, noch analytisch, nicht zweiwertig
logisch und auch nicht widerspruchsfrei - und dennoch hängt ihm die absolute
Mehrheit der Menschen an. Vor allem ist es widersprüchlich zum - um
Widerspruchsfreiheit bemühten - rationalen Denken: Denn wie läßt sich ein
drei-einiger Gott, eine jungfräuliche Geburt, eine Auferstehung von den Toten,
die Reinkarnation, lassen sich Hölle und Himmel, das Jenseits überhaupt
rational fassen? Dennoch gelten die Hochreligionen, in denen dieses
„Glaubensgut“ als dogmatische Wahrheit verkündet wird, als unantastbar. Im
Gegenteil: Die Scholastik gipfelte in dem Satz: Ich glaube,
w e i l es unvernünftig
ist!
Und wie ist das mit dem kindlichen, mit dem
magischen Glauben? Einem Kind kann man von Zwergen, Hexen, Feen, guten und bösen
Geister erzählen -
es g l a u b t
daran, ja es fürchtet sich -
mitunter -
sogar vor dem einen oder anderen; und wenn es sein muß auch zu Tode. Zu Tode
gefürchtet ist eben auch gestorben ... Argumente müssen durchaus nicht
rational und damit widerspruchsfrei sein; sie müssen nur als wahr (und damit
als wirksam) angesehen werden. „Der Glaube versetzt Berge.“ Wenn keine -
rational begründbare - Aussicht auf Heilung (oder Rettung) mehr besteht, dann
erst beginnt die Hoch-Zeit von Glaube und Hoffnung: „In der Not füllen sich
die Kirchen.“
Erklären heißt also allgemein, Argumente zu
akzeptieren. Und diese Argumente müssen keine
rational-logisch-widerspruchsfreien sein. Nur wir „Aufgeklärten“ des
euro-amerikanischen Weltbildes des 21. Jahrhunderts bilden uns ein, daß
Widerspruchsfreiheit der Garant für Wahrheit sei. PSI-Phänomene werfen uns da
ganz schön zurück! Diese sind nämlich
a)
nicht widerspruchsfrei
b)
nicht kausal
c)
nicht jederzeit wiederholbar
d)
nicht prognostizierbar
e) nicht allgemein gültig
und damit -
nach unserem (naturwissenschaftlich geprägten) Denken -
nicht erklärbar.
Wir westlich Denkenden haben vor allem
Probleme mit der Kausalität. Diese Probleme sind so tiefgehend, daß sogar der
Mythos (und jede Religion) es sich nicht leisten kann, auf die Verknüpfung von
Ursache und Wirkung zu einer (schein-)logischen Kette zu verzichten. Nicht
einmal die plumpeste Sage oder das primitivste Märchen kann auf Kausalität
verzichten: Immer ist von Belohnung oder Strafe die Rede und vom Sieg des Guten
über das Böse (manchmal auch umgekehrt). Welchen Sinn ergäbe dieses
Moralisieren schon, würde man nicht einen Kausalnexus im Geschehen erwarten,
also vom einen aufs andere schließen und - vielleicht? - die Lehre daraus
ziehen? Alles, was geschieht, m u
ß auf eine Ursache zurück geführt
werden können; dies scheint ein Urgesetz menschlichen Denkens zu sein.[1]
Die Kontradiktion zu kausal ist: unverursacht.
Dafür kennen wir mehrere adäquate Begriffe: launisch, spontan, kreativ, schöpferisch,
willkürlich, wahrscheinlich und zufällig. Wir kommen mit Unverursachtem also
durchaus zurecht und es ist uns sogar sehr vertraut. Vor allem der Zufall hat es
uns angetan: die Glücksspielindustrie lebt von unserem Glauben an das Glück -
und das ist nur ein anderes Wort für Zufall.
Was ist nun der Zufall? Zufällig ist fürs
eine, was uns unverursacht erscheint.
Wir können für ein Geschehen keine Ursache angeben. Nur noch nicht oder
prinzipiell nicht? Das kommt auf das Geschehen an. Beim Wetter dürften uns
„nur“ noch jede Menge Parameter für eine zufriedenstellende (niemals aber
exakte) Wetterprognose fehlen. Bei sogenannten Zufallsgeneratoren ist der Zufall
hingegen anders definiert: nämlich als Fehlen jeder Art von - erkennbarer -
Ordnung. Aber im Grunde genommen ist diese Definition falsch: Denn wenn partout
keine Ordnung herrscht, ist das durchaus auch Ordnung: jene nämlich, die dafür
sorgt, daß keine andere entsteht! Und es ist eine hochkomplexe Meta-Ordnung,
die jede darunterliegende Ordnung unterdrücken kann! Erst diese „darunter
liegende“ Ordnung ist dann so definiert, daß sich - z. B. auf einer
Zahlenreihe - keine Zifferngruppen wiederholen. Doch auch hier ist das Kriterium
die Beobachtbarkeit: Wenn ich über einen
beliebig langen Zeitraum hinweg keine geordnete Ziffernabfolge erkennen
kann, mag man von „zufällig“ sprechen können. Extrapoliert auf eine
hypothetisch unendliche Beobachtungszeit ist die Ordnung der nicht
Wiederholbarkeit nicht aufrecht zu erhalten! Zufälle sind also stets bewußtseinsabhängig!
Das mag ein wichtiger Zugang zu den PSI-Phänomenen sein, die ja stets nur in
bezug auf Bewußtsein auftreten!
Ein „Mittelding“ zwischen strenger
Kausalität und platter Willkür ist die Wahrscheinlichkeit“. Dieser ist immer
eine beliebige Menge von möglichen Ereignissen vorausgesetzt, die, je länger
der Beobachtungszeitraum ist, desto bestimmter eintreten. Dies geht so weit, daß
bei - theoretisch - unendlich langer Beobachtungszeit jedes mögliche Ereignis garantiert
eintritt (Wir kennen dieses statistische Phänomen schon vom Zufall her!).
Nun scheint es in unserer Welt zwei Bereiche
zu geben: jenen, in dem nur mit Wahrscheinlichkeiten sinnvoll gearbeitet werden
kann, wo also strenge Ursache-Wirkungs-Ketten nicht beobachtet werden können
(und zwar prinzipiell nicht!), und jene Sphäre, die wir den Mesokosmos nennen,
und der uns ganz gut bekannt ist: die Welt unserer Praxis. Doch auch hier treten
- wir erwähnten es bereits - Akausalitäten auf: Glücksspiele, Zufälle,
„das Schicksal“ als solches, aber auch jeder zwischenmenschliche Kontakt
entzieht sich der strengen Kausalität, ja, zwischenmenschliches
Handeln scheint überhaupt akausal abzulaufen.[2]
Auch scheint das Leben als solches akausal
(=unbegründbar) abzulaufen, ebenso die Evolution, sodaß für den ursprünglich
von uns als so breit angesehenen Bereich der kausalen Wirklich- oder Wirksamkeit
(=Welt unserer Praxis) nur jener schmale Grat an Beobachtbarem übrig zu bleiben
scheint, den sich die Naturwissenschaft als ihr Gebiet reserviert hat: Optik,
Mechanik, Akustik und Elektromagnetismus. Nicht mehr exakt kausal hinterfragbar
ist die Elektronik und schon gar nicht mehr die Kybernetik
(Computerwissenschaften): Da geht viel mehr nicht als tatsächlich geht, trial
and error triumphieren.
Was bestärkt uns also darin, der Kausalität
einen derart hohen Stellenwert in der Wahrheitsfindung zuzuweisen?
Natürlich gilt die Kausalität auch nicht im
Makrokosmos. Keine (einsehbare!) Ursache kann angegeben werden, warum
die Welt überhaupt existiert, warum sich die Sterne bewegen, was die
Galaxien (angeblich) auseinander treibt. Und was sonst wäre das Kriterium für
Ursache, wenn nicht ihre Einsehbarkeit? Nur aufgrund dieser Einsehbarkeit
konstruieren wir ja die Ursache - und bauen darauf die von uns daraus
gefolgerten (!) und „Wirkungen“ genannten Ereignisse auf!
Warum also erscheinen uns PSI-Phänomene als
„unheimlich“ oder unerklärbar? Nur aufgrund ihrer Akausalität? Das wäre
angesichts der wahren Bedeutung und relativ geringen Verbreitung von berechtigt
und zutreffend kausal interpretierbaren Ereignissen etwas dürr. Vielmehr
bereitet uns eher der Umstand Kopfzerbrechen, daß sich die Phänomene nicht auf
zumindest eine der vier im heutigen physikalischen Denken akzeptierten Grundkräfte
(schwache und starke Kernkraft, Elektromagnetismus und Gravitation) zurückführen
lassen. Auch scheinen bei PSI-Phänomenen die uns gewohnten Bedingungen von Raum
und Zeit aufgehoben: der Raum stellt (z. B. beim Hellsehen) kein Hindernis mehr
dar und die Zeit scheint uns (z. B. bei der Präkognition) auch nicht mehr „im
Wege zu stehen“. Wenn also keine bekannten Kräfte für ein Phänomen
verantwortlich gemacht werden können und nicht einmal die Grundvoraussetzungen
allen (natur-)wissenschaftlichen Geschehens, Raum und Zeit nämlich (das
„Raum-Zeit-Kontinuum“) Gültigkeit zu haben scheinen: Wie soll da eine Erklärung
greifen? Und eine naturwissenschaftliche noch dazu?
Was ist es denn überhaupt, das den vier
naturwissenschaftlich anerkannten Grundkräften gemeinsam ist? So unerwartet es
klingen mag: genau das, was den PSI-Phänomenen mangelt - ihre „Erklärung“
als nahwirkend nämlich. Das bedeutet,
daß eine Kraft nur dann wirken kann, wenn sie direkt ansetzt bzw. ihre
Fortpflanzung „lückenlos“ ist. Das ist genau dasjenige, das wir bei PSI-Phänomenen
nicht beobachten können: Die uns unbekannte „Kraft“ - wenn es überhaupt
eine solche gibt! - wirkt nicht nah sondern fern, und das heißt, Raum und Zeit
sind für sie keinen Bedingungen.[3]
Die Naturwissenschaft hat sich in ihr eigenes
Korsett gezwängt: Alles, was ihren - selbstauferlegten - Kriterien nicht
entspricht, gilt als nicht naturwissenschaftlich. Alles, was nicht auf die vier
Grundkräfte des Standardmodells zurückgeführt werden kann, ist nicht wahr -
besser, ist für die Naturwissenschaft nicht erklärbar und damit nicht
existent, ist „Täuschung“, „Halluzination“, „Einbildung“ oder sonst
irgend etwas, nur keine „Tatsache“. Alles, was nicht auf Nahwirkung zurückgeführt
werden kann, gilt für die Naturwissenschaft nicht. Da können sich die
Parapsychologen noch so (be-)mühen, ihre Experimente den
naturwissenschaftlichen Experimentierbedingungen gemäß anzulegen: Da die von
ihnen untersuchten Phänomene nicht auf die vier gültigen (=geltenden,
akzeptierten) Grundkräfte des herrschenden (!) physikalischen Weltbildes zurückgeführt
werden können, werden die Parapsychologen von den Physikern und anderen
Naturwissenschaftlern nicht als Wissenschafter anerkannt. Und jeder
Naturwissenschafter, der sich mit parapsychologischen Phänomenen
auseinandersetzt, ihre Existenz also nicht explizit leugnet, wird - zumindest -
von seinen Fachkollegen scheel angesehen, wenn er nicht überhaupt seine
fachliche Reputation verliert.
Nun ist das mit den vier anerkannten Grundkräften
freilich gar nicht so eng zu sehen. Die Physiker selbst postulieren darüber
hinausgehende Kräfte: eine superschwache Kraft, die für den Zerfall des
Protons verantwortlich sein soll, die elektroschwache Kraft und die
Supergravitation, aus der sich die heutigen vier (oder) fünf Kräfte nach dem
Urknall „entkoppelt“ haben sollen; und vor noch nicht einmal hundert Jahren
haben die Biologen durchaus ernsthaft von einer „Vitalkraft“ gesprochen, auf
die sie das Leben zurückführen wollten. Die Vitalkraft ist heute zwar
„gestorben“, das Leben erklärt ist aber auch nicht.
Völlig unvorstellbar wird die „Erklärung“
der Gravitation, jener Kraft, die wir am unmittelbarsten erleben - vom Tag
unserer Geburt an. Hier sind im Standardmodell der Physik sowohl die
Gravitations“wellen“ als auch das Boson der Gravitation, das „Graviton“,
rein hypothetisch. Kein Experiment hat bislang noch eine Gravitationswelle oder
ein Graviton nachgewiesen - und es sind dafür mehrere zig-Tonnen schwere
Detektoren errichtet worden. Also ist die Gravitation eine fernwirkende Kraft?
Naturwissenschaftlich undenkbar, ein Frevel diese Frage. Aber: Alles er-klärt?
Vorstellungsmäßig befriedigend? Widerspruchsfrei? Logisch? Kausal zwingend?
Was hindert also, zur Erklärung der PSI-Phänomene
eine noch nicht entdeckte und damit auch noch nicht anerkannte Kraft anzunehmen?
Die Bedingungen, denen eine solche Kraft (oder mehrere solche Kräfte) gehorchen
sollten, kennen wir schon:
a)
diese Kraft darf nicht streng kausal wirken - oder wenn sie kausal wirken
sollte, müßte es Ursachen geben, die wir noch nicht kennen, aber vielleicht
einmal erkennen können;
b)
sie dürfte nicht nahwirkend sondern müßte fernwirkend sein, da Raum und Zeit
für sie kein Hindernis darstellen.[4]
Das alles klingt sehr unwissenschaftlich - und
muß es ja auch sein; wir postulieren ja etwas, das die Naturwissenschaft
transzendiert, also deren selbstauferlegten Rahmen sprengt und damit per
definitionam unwissenschaftlich sein muß.
Conclusio: Um PSI-Phänomene „erklären“
zu können, müssen wir uns vor folgende Entscheidung stellen:
1)
Wollen wir „erklären“ so verstehen, wie die Naturwissenschaft „erklärt“
erklärt haben will, so ist die Naturwissenschaft aufzufordern, ihr enges
Korsett zu lockern und nach neuen Kräften Ausschau zu halten. Allzu schwer
sollte es ihr nicht fallen: nach Hyperräumen und Hyperzeiten, nach 11 bis n
Dimensionen (angesichts eines erfahrbaren „nur“ dreidimensionalen Raumes),
nach Supersymmetrie und Superstringtheorie, nach Null- und Eindimensionalität -
was hindert die Theoretiker, eine 5. oder 6. Kraft zu postulieren?
2)
Oder wir verstehen „erklären“ n
i c h t naturwissenschaftlich und
akzeptieren PSI-Phänomene genauso bedenkenlos wie Liebe, Spontanheilungen,
Ahnungen, Sympathie, Freundschaft, die Änderung der Aktienwerte, die Abfolge
von Krieg und Frieden und den Umstand, daß niemand weiß, was im nächsten
Augenblick passiert - auch wenn die Naturwissenschaft die Prognostizierbarkeit
von Ereignissen als conditio sine qua non auf ihr Denkkorsett geheftet hat. Dann
müssen wir an PSI-Phänomene so glauben wie an die Wiedergeburt, die
Gottessohnschaft Christi oder die „Existenz des Teufels“: mit einem
gravierenden Unterschied: Dem Teufel ist noch niemand begegnet, PSI-Phänomenen
aber schon fast jeder von uns.
Resumé:
Die neue Naturphilosophie muß es sich zur Aufgabe machen, die Naturwissenschaft
zu ermuntern, ihr enges Denkkorsett zu transzendieren. Das gegenwärtige
naturwissenschaftliche Denken reicht bei weitem nicht aus,
a l l e Phänomene unserer
Welt zu erklären. Wenn es hoch her geht, können wir vielleicht zwei oder drei
Prozent all dessen, was uns an einem Tag so widerfährt, naturwissenschaftlich
streng kausal „erklären“. Nicht nur die eher raren PSI-Phänomene, die dem
Durchschnittsbürger so widerfahren, sind „unerklärlich“, sondern unerklärlich
(und zwar im Sinne von Kausalität) ist auch, warum mich meine Frau verlassen
hat, warum mir diese (neue) Frau gefällt, warum sie mich erhört und warum ich
überhaupt diese Tat setze.[5]
Unerklärlich (zufällig?) ist auch, warum nur (vielleicht) 13 % der Wiener
diesen Herbst an Grippe erkranken werden und noch uneinsichtiger ist, warum ich
nie krank werde und mein Freund immer. Die „Stärke des Immunsystems“ ist
genauso eine unbefriedigende „Erklärung“ dafür wie daß gute Taten
(hoffentlich) gute Folgen haben und die Bösen (fast) immer das
(„verdiente“) Schicksal ereilt.
Wenn eine neue Naturphilosophie all diese Phänomene
als natürlich und wissenschaftlich akzeptiert, ist der Naturwissenschaft damit
nicht geschadet, den Menschen aber geholfen. Die Naturwissenschaft hätte ihr
Terrain erweitert und schon längst obsolete Denkeinschnürungen (Kausalität,
Widerspruchsfreiheit) aufgegeben.
Präkognition würde allerdings auch dann völlig
unerklärlich bleiben. Aber man wird dann zumindest an sie glauben dürfen und
damit zu leben lernen ...
[1]
Luzifer wurde für seinen Frevel gestürzt (=Ursache -
Wirkung) und Jesus starb „für“ die Menschen am Kreuze (=Ursache mit
Folgewirkung der „Erlösung“, was immer das auch bedeuten mag!). Die
Welt entsproß den Griechen noch der Urmutter (Gäa) nach Zeugung durch
Chronos (geschlechtlicher Anthropomorphismus von Ursache und Wirkung), unser
Kosmos hingegen geht „schon“ auf den Urknall zurück (und greift damit
auf das uns sehr geläufige Bild einer „Explosion“ zurück. Jeder
Zivilisationsstufe dein ihr entsprechendes anthropomorphes Bild!). Der
Kausalität verpflichtet sind sie alle.
[2] Die Liebe etwa (oder eine Freundschaft) zwischen zwei Menschen ist völlig akausal. Zwar versuchen wir im Nachhinein Gründe für ihr Zustandekommen zu konstruieren, liegen damit aber immer - und nicht nur meistens - falsch. Liebe „passiert“ und wird nicht konstruiert!
[3] Beim direkten Ansetzen von Kraft am Beispiel des angetriebenen Autoreifens auf den Asphalt haben wir keine Vorstellungs- und Verständnisschwierigkeiten. Bei der Auswirkung einer Tsunami auf eine Küstensiedlung ebenfalls nicht. Bei Schallwellen funktioniert die Vorstellung auch noch: die Dichteschwankungen des Mediums Luft setzen sich von der Schallquelle bis zum Trommelfell „nahtlos“ fort. Von dort werden die Druckunterschiede über Nervenbahnen ins Gehirn weitergeleitet. Wie es dort dann „weitergeht“ bis wir wirklich „Die Forelle“ von Schubert als solche erkennen, weiß allerdings niemand. Mit Radio- und Lichtwellen (beide das gleiche, nur die Frequenzen sind verschieden) hat unsere Vorstellung schon Schwierigkeiten: da ist kein Medium mehr, das schwingt, da ist keine materielle Welle mehr, die sich fortsetzte. Um diesen Verständnisschwierigkeiten abzuhelfen (=Erklärungsbedarf der Nahwirkung!), hat man sogenannten Feldquanten der (nun „Wechselwirkung“ genannten) Kräfte erfunden, die sogenannten Bosonen. Diese „befördern“ die „Energie“ (oder „Kraft“) nun von „einem“ Fermion (das sind Elementarteilchen der Materie) zum „nächsten“ (obwohl auch das nicht so einfach ist, wie es hier klingt). Der „Kraftschluß“ ist damit nahwirkend („eins stößt ans andere“) „erklärt“. Ist er wirklich er-klärt? Ver-steht das noch irgend jemand im Sinne von Vor-Stellung?
[4] Sie ähnelte damit der Gravitation, die übrigens mit den anderen drei anerkannten Kräften nicht unter einen Hut zu bringen ist. Die GUT (die Grand unification theory), der Versuch, alle Kräfte unter ein Rechenmodell zu vereinen, scheitert u. a. an dieser „Sperrigkeit“ der Gravitation .
[5] Die Freiheit des Menschen ist selbstverständlich naturwissenschaftlich geleugnet; wer sich mit einem freien Willen ausgestattet wähnt, wird sich über diesen Umstand freuen!