An der Grenze zwischen Naturwissenschaft und Parapsychologie

 

von Mag. Erwin Kohaut und Dr. Walter Weiss

 

 

1. Teil: Das Experiment (von Mag. Erwin Kohaut)

 

Um die Abgrenzung zu demonstrieren zwischen jenem Bereich der Wirklichkeit, den die Naturwissenschaften für sich in Anspruch nehmen, und dem „Rest“, auf den sie wegen ihrer methodischen Beschränkung verzichten, habe ich an meiner Schule schon mehrmals, sowohl im Wahlpflichtfach Physik als auch (als Gast) im Wahlpflichtfach Psychologie jeweils ein bis zwei Doppelstunden gestaltet.

 

Üblicherweise beginne ich mit dem Unterschied zwischen Hypothese und Theorie sowie der Popperschen These, daß man, da in den Naturwissenschaften nichts verifizierbar ist, nach Falsifizierung trachten solle (eine Hypothese, die durch experimentelle Überprüfung nicht falsifiziert worden ist, kann zur Theorie erhoben werden, bleibt aber immer noch falsifizierbar), und daß also in den Naturwissenschaften nicht der Glaube, sondern der Zweifel das Mittel der Wahl sei, obwohl selbstverständlich immer noch vieles Glaubenssache ist: ob es z.B. eine Realität und eine Kausalität gibt, oder ob es jemals einen Urknall gegeben hat, halte ich für etwas, an das man ebenso gut glauben wie es bezweifeln kann. Dies deshalb, weil es sich dabei um fundamentalere Begriffe handelt als jene, auf welche die naturwissenschaftliche Methode anwendbar ist, deren grundlegendste Fassung von Galilei stammt: Messen, was meßbar ist; meßbar machen, was nicht (unmittelbar) meßbar ist.

 

Alles, was sich in der Natur messend erfassen läßt, wird von Naturwissenschaftern ihrem Gebiet zugezählt, vorausgesetzt, es handelt sich um Größen, die mit entsprechenden Definitionen oder Meßvorschriften ausgestattet sind (Beispiele: Zeit, Druck, Stromstärke), um Größen also, für deren Handhabung man mit naturwissenschaftlichem Vokabular das Auslangen findet. Hier wird aber die Sache unscharf und könnte Anlaß zu umfangreichen Diskussionen geben: Was alles gehört zum naturwissenschaftlichen Vokabular und was nicht? Nehmen wir z.B. das Wort „Wille“ unter die Lupe, so ist zwar einerseits klar, daß ohne Willen eine naturwissenschaftliche Tätigkeit, die zumeist enormen Einsatz erfordert, gar nicht möglich ist, dieser Begriff also für naturwissenschaftliche Tätigkeit Voraussetzung ist, anderseits aber auch, daß „Wille“ naturwissenschaftlicher Tätigkeit selbst nicht zugänglich, weil nicht meßbar ist. Deshalb wird der Begriff „Wille“ selbst von der naturwissenschaftlichen Forschung ausgeschlossen, und sollte sein Einbruch in dieselbige drohen, so müßte er gewaltsam daraus entfernt werden.

 

An dieser Stelle ist es angebracht, ein Experiment durchzuführen (wobei ich zunächst offen lasse, ob jedes Experiment ein naturwissenschaftliches sein muß). Ich benutze dafür Geräte, die jedem scheinbar vertraut sind: Antennen, teleskopartig ausziehbar, wie sie auch an Radios verwendet werden. Der einzige Unterschied ist, daß sie auf Haltegriffen montiert und in die Horizontale klappbar sind. Kugellager in den Griffen sorgen dafür, daß die Antennen um die vertikale Achse frei drehbar sind. Obwohl es sich um technische Instrumente zu handeln scheint, entstammen sie doch dem Bereich der Esoterik (genauer: der Radiästhesie) und sind dort unter dem Namen „Winkelruten“ (einer Sonderform der Wünschelrute) bekannt.

 

Mein Experiment besteht darin, daß ich auf einen ans Stromnetz angeschlossenen, aber nicht eingeschalteten Fernsehapparat zugehe, die Antennen „im Anschlag“, also nach vorne gerichtet, wobei sie aber leicht nach unten geneigt sein müssen, um in einer stabilen Lage zu sein. Sobald ich mich dem Fernsehapparat weit genug genähert habe, schwenken (scheinbar ohne mein Zutun) beide Antennen zur Seite. Die unter den Schülern entstandene Unruhe versuche ich durch eine anscheinend naturwissenschaftliche Erklärung zu dämpfen: „Ihr wißt ja, daß die in den Leitungen befindlichen Elektronen mit der Netzfrequenz schwingen, und zwar auch in den Apparat hinein, bis hin zum Ein- und Ausschalter. Schwingende Ladungen erzeugen elektromagnetische Felder und diese sind biologisch wirksam, das heißt, ich reagiere darauf. Und der Antennenausschlag ist nur das sichtbare Zeichen dafür.“

 

Dann schalte ich den Apparat ohne Programm ein, so daß nur ein Flimmern in Weiß und Schwarz zu sehen ist, was auf die Schüler nicht sehr ablenkend wirkt. „Klar, daß jetzt mehr Störfelder auf mich wirken. Die Antennen werden also schon früher ausschlagen.“ Wieder gehe ich auf den Apparat zu. Die Antennen schlagen deutlich früher aus. Die Schüler sind nicht mehr zu bremsen und wollen es auch versuchen. Nach kurzen technischen Anweisungen zum richtigen Halten der Antennen testet jeder selbst die „Wirkung der elektromagnetischen Felder“ auf ihn. Bei manchen drehen sich die Antennen, wie sie es bei mir getan haben, bei anderen tun sie es nicht.

 

Die Gruppe ist nun in zwei Teile gespaltet: in jene, die glauben, daß es funktioniert, und in jene, die glauben, daß es nicht funktioniert. Genau das lasse ich sie auch ausdrücken, um ihnen klarzumachen, daß es Glaubenssache ist, ob es funktioniert oder nicht, weil ich es ihnen nicht anders erklären kann. Es kommt dabei eben nicht auf naturwissenschaftlich Faßbares (objektiv Meßbares, Reproduzierbares) an. Die Tatsache, daß die auf einem Rollwagen montierten Antennen sich nicht drehen, die in den Händen so mancher Versuchspersonen befindlichen dagegen schon, macht klar, daß, wenn sich ein Effekt zeigt, er auf das Vorhandensein der Person zurückzuführen ist.

 

Diskutiert wird nun, ob der Effekt bewußt (also durch Schummeln) oder unbewußt (z.B. durch eine Reaktion der Person auf das elektromagnetische Feld) zustande kommt. Die, bei denen nichts passiert ist, unterstellen üblicherweise jenen, bei denen sich die Antennen gedreht haben, pauschal leichte Beeinflußbarkeit, Unehrlichkeit oder noch Schlimmeres; und die, bei denen sich ein Effekt eingestellt hat, sind fest davon überzeugt, nicht geschummelt zu haben, können das aber den anderen nicht klarmachen.

 

Damit sind wir bei dem Problem angelangt, das die Parapsychologen ganz allgemein mit den Naturwissenschaftern haben: Sie sind davon überzeugt, es mit natürlich auftretenden Phänomenen zu tun zu haben und streben in der Mehrzahl danach, in ihrer Forschung endlich von Naturwissenschaftern anerkannt zu werden (wozu eigentlich?), was aber nicht möglich ist. Und zwar aus mehreren Gründen, die ich exemplarisch aufzählen möchte:

 

Bei manchen Gesprächen mit Fachkollegen (Physikern also; sowohl aus dem Bereich der AHS als auch von der Uni Wien) habe ich schon die an sich provokante Frage gestellt: „Was hältst Du/halten Sie eigentlich von Parapsychologie?“ Die Antwort ist zumeist negativ ausgefallen (Tenor: „So ein Blödsinn!“). Beim Nachfragen, wieweit sich mein Gesprächspartner schon mit Parapsychologie beschäftigt habe, mußte ich erfahren, daß gerade jene, die am wenigsten davon hielten, auch das geringste Wissen darüber hatten. Diese Erfahrungen zählen zu meinen schlimmsten, weil ich es für eine der wesentlichsten Eigenschaften eines Naturwissenschafters halte, allem gegenüber offen und unvoreingenommen zu sein. Aber leider ...

 

Ein zweiter Punkt sind Bestrebungen, Ergebnisse parapsychologischer Forschung mit Hilfe naturwissenschaftlicher Theorien (und hier vor allem der Quantenphysik) zu erklären, was in jedem mir bekannten Fall auf so peinlich läppische Art geschehen ist, daß es mich nicht wundert, wenn dies bei Physikern auf Ablehnung stößt. Auch bin ich davon überzeugt, daß man sich mit solchen Bemühungen aus prinzipiellen Gründen auf den Holzweg begibt: Parapsychologie und Physik sind nicht vereinbar; darüber aber später mehr.

 

Eine dritte Sache sind die parapsychologischen Experimente, die spätestens seit J. B. Rhine mit einer Akribie durchgeführt werden, die jedem naturwissenschaftlichen Experiment zur Ehre gereichen würde (wer kümmert sich z.B. bei einem x-beliebigen physikalischen oder chemischen Experiment darum, ob der Sonnenstand, die Sonnenaktivität oder die Mondphase einen Einfluß haben, oder, wenn es nicht naheliegend ist, um die Abschirmung des Experiments gegenüber elektromag­netischen Feldern?). All das aber hat den Parapsychologen in mehr als sechs Jahrzehnten kein bißchen mehr Anerkennung unter den Naturwissenschaftern eingetragen. Um dem Warum dafür auf die Spur zu kommen, müssen wir uns wieder der naturwissenschaftlichen Methode zuwenden, und zwar diesmal ihren Grenzen: „Messen ... !“ lautete der Auftrag Galileis.

 

Die Sinnhaftigkeit des Meßvorganges setzt aber einiges voraus: Zunächst einmal, daß klar ist, welche Größe überhaupt gemessen werden soll. Was habe ich bei meinem Antennen-Experiment gemessen? Diese Frage läßt sich für einen Naturwissenschafter nicht zufriedenstellend beantworten. Des weiteren soll ein naturwissenschaftlicher Meßvorgang objektiv nachvollziehbar und reproduzierbar sein. Genau an dieser Stelle können jene Schüler einhaken, denen der Effekt des Drehens der Antenne versagt geblieben ist: Wenn sie einen Stein fallen lassen oder einen Kondensator sich über eine Spule entladen lassen, dann fällt er genauso/kommt genauso eine elektromagnetische Schwingung zustande wie bei allen anderen, die dies tun. Wenn sie aber mit Winkelruten auf einen Fernseher zugehen, passiert nicht dasselbe wie bei anderen. Der Effekt ist also nicht objektiv nachvollziehbar. Reproduzierbar ist er schon gar nicht, weil auch bei ein und derselben Versuchsperson der Effekt einmal eintreten, ein andermal ausbleiben kann.

 

Daraufhin werfe ich dann ein, daß Ergebnisse parapsychologischer Experimente sowohl von der Sensitivität (dem „Können“) der Versuchsperson als auch von deren psychischem Zustand (der „Verfassung“) nicht unabhängig sind. Wir kennen Ähnliches aus dem Alltag: Von zwei Musikschülern kann durchaus einer (der begabtere) ein Musikstück spielen können, an dem der andere (unbegabtere) scheitert. Aber auch dem Begabteren wird es nicht immer gleich gut gelingen. Die Reproduzierbarkeit der Spielbarkeit dieses Musikstücks ist also durchaus nicht gegeben (wenngleich auch naheliegender als bei meinem Experiment). Von der Objektivität der Spielbarkeit aber wird sich in diesem Fall durchaus jeder überzeugen lassen, der das Musikstück bereits von irgend jemandem einwandfrei vorgespielt bekommen hat, wobei aber klar sein muß, daß es echt gespielt worden ist. (Daß Objektivität und Reproduzierbarkeit auch in den Naturwissenschaften nicht so eindeutig sind, wie dies Naturwissenschafter gerne vorgeben bzw. hätten, habe ich in einem Artikel „Naturwissenschaft und Naturphilosophie“ dargelegt, der in der Zeitschrift „AHS“ in den Jahren 1996/97 erschienen ist.)

 

Nachdem ich also die Schüler mit solchen Geschichten hingehalten habe, rücke ich dann mit dem großen Offenbarungsschluß heraus, daß offensichtlich zur Sicherung der Sinnhaftigkeit einer Messung diese unbedingt und zweifelsfrei unbeeinflußt vor sich gegangen sein muß. Und das heißt: unbeeinflußt von jeglichem Willen, gleich, ob die Beeinflussung bewußt oder unbewußt erfolgt.

 

Klar ist, daß dies bedeutet: Es darf (für Naturwissenschafter) ganz einfach nichts und niemanden geben, das oder der beeinflußt! Keinen Dämon, der vielleicht unter meinem fallenden Stein hockt und ihn am Fallen hindert, aber auch keinen Gott, der in den Ablauf dieser Welt eingreift. Dies ist jeder naturwissenschaftlichen Messung als Bedingung vorauszusetzen.

 

Unklarer dagegen ist: Wie hält der Experimentator, dessen Wille ja zweifellos vorhanden ist (sonst hätte das Experiment nicht stattgefunden) seinen Willen aus dem Ergebnis des Experiments heraus? Ich gebe hier zu bedenken, daß das Ergebnis immer Interpretationssache ist, und daher unmöglich vom Willen des Experimentators oder des Auswerters unabhängig gemacht werden kann. Bleibt noch die Frage, wieweit der Wille der Versuchsperson bzw. anderer anwesender Personen den Ablauf des Experiments (und damit dessen Ausgang) beeinflussen können. Für Naturwissenschafter darf diese Frage keine Rolle mehr spielen, da ja die Einflußnahme eines Willens auf das Experiment bereits ausgeschlossen worden ist. Unter Parapsychologen wird die Annahme vertreten, daß sich die Versuchsperson (in unserem Fall der „Wünschelrutengeher“) durch Training von Wünschen bezüglich des Ergebnisses des Experiments frei machen kann.

 

Sobald aber der Ausgang eines Experiments vom Vorhandensein einer Versuchsperson bzw. deren psychischer Verfassung abhängt/abhängen kann, wie es bei allen parapsychologischen Experimenten der Fall ist, ist die erwähnte methodische Grenze der Naturwissenschaften überschritten. Ein solches Experiment ist kein naturwissenschaftliches Experiment; daher lehnen Naturwissenschafter von vornherein ab, sich damit zu beschäftigen. (Für mich selbst bedeutet dies: wenn ich mich damit beschäftige, weiß ich, daß ich es nicht in meiner Eigenschaft als Naturwissenschafter mache; in meiner Eigenschaft als an allem interessierter Mensch aber darf ich es allemal!) Und Parapsycho­logen können tun, was sie wollen: Nie werden ihre Experimente von Naturwissenschaftern anerkannt werden.

 

Naturwissenschaftern, die sich mit Parapsychologie auseinandersetzen, droht Ausgrenzung von Seiten der etablierten Wissenschaft, wie dies William Crookes (auch heute noch bekannt vom „Crookes’schen Dunkelraum“, der in elektrischen Entladungen durch verdünnte Gase auftritt) vor mehr als hundert Jahren passiert ist, als er die durch Daniel Home bewirkten Levitationsphänomene mit wissenschaftlicher Akribie untersuchte und keinerlei Schwindel dabei feststellen konnte. Crookes hat damit klarerweise die Grenze zwischen Naturwissenschaft und Parapsychologie überschritten; er hätte dies (siehe oben) als Mensch, aber nicht als Physiker tun dürfen. Ich bezweifle aber, daß ihm der Spott seiner etablierten Kollegen erspart geblieben wäre, weil (siehe oben) vielen Naturwissenschaftern die Eigenschaft, allem gegenüber offen und unvoreingenommen zu sein, fehlt.

 

Dennoch wäre es falsch, über die „intoleranten Naturwissenschafter“ herzuziehen, weil diese durch die Methode ihrer Wissenschaft eingeschränkt sind. Lao Tse hat dies sinngemäß so ausgedrückt: Mit einem Brunnenfrosch kann man nicht über die Erde reden - er ist begrenzt durch sein Loch; mit einer Eintagsfliege kann man nicht über das Jahr reden - sie ist begrenzt durch ihre Zeit; mit einem Fachmann kann man nicht über das Leben reden - er ist begrenzt durch seine Lehre. Insofern also Psyche und parapsychologische Phänomene Teil unseres Lebens sind, kann man mit Naturwissenschaftern in ihrer Eigenschaft als Naturwissenschafter nicht darüber reden (als Menschen schon).

 

So, wie ich schon in meinem Artikel „Naturwissenschaft und Naturphilosophie“ für die Schaffung einer „neuen Naturphilosophie“ eingetreten bin, die einen möglichst weiten methodischen Rahmen erhalten sollte, mit dem Ziel, möglichst allen Menschen „unsere Welt“ (wiewohl doch jeder seine eigene hat, aber das ist ja mit eine Ursache des Problems) auf welche Weise immer nahebringen zu können (sei es naturwissenschaftlich, magisch, mystisch, mythisch, musikalisch, zeichnerisch, durch Ausdruckstanz oder sonstwie); so, wie ich in meinem 1998 in dieser Zeitschrift erschienenen Artikel „Kritische Gedanken zur Kosmologie“ wieder dieselbe Meinung vertreten habe, weil „das Universum als Ganzes“ - und darüber machen ja die Kosmologen ihre Aussagen - den in der Physik vorgegebenen methodischen Rahmen sprengt, so vertrete ich dieselbe Meinung hier nochmals: Nur der methodisch ausreichend weit gesteckte Rahmen einer neu zu entwickelnden Naturphilosophie könnte geeignet sein, sowohl naturwissenschaftlich handhabbare Phänomene als auch Paraphänomene als Bestandteile unserer Welt zwanglos nebeneinander oder sogar gemeinsam zu behandeln und so den Menschen nahebringen zu können. (Ob Paraphänomene auch der Natur zuzurechnen sind, liegt an der Definition des Begriffes Natur.)

 

Wenn jetzt jemand noch wissen will, ob ich selbst bei meinen Experimenten geschummelt habe: natürlich nicht! Wenn der Einwand kommt, daß man ja während des Gehens die Antennen leicht (bewußt oder unbewußt) aus ihrer stabilen Lage bringen kann, mache ich folgendes Experiment: ich stelle mich mit den nach vorne gerichteten Antennen ganz ruhig hin, ein Schüler/eine Schülerin geht von vorne langsam auf mich zu und bringt in einer gewissen Entfernung von den Antennen diese zum Drehen. Die restlichen Schüler befinden sich seitlich und beobachten meine Handhaltung während des ganzen Vorgangs. Da ich meine Hände ganz offensichtlich nicht bewege, entkräfte ich damit den Einwand, die Antennen durch Kippen der Haltegriffe zum Drehen zu bringen. Die Tatsache, daß sich die Antennen bei Annäherung eines Schülers/einer Schülerin drehen, „erkläre“ ich wieder mit der Wirkung, die jener Mensch auf mich ausübt, der auf mich zugeht. Die Distanzen, bei denen die Antennen sich drehen, reichen in diesem Fall von 0 (der-/diejenige steht praktisch an den Antennen an) bis etwa 4 Meter.

 

 

Als ich den vorliegenden Artikel bis hierher geschrieben hatte, habe ich ihn an Herrn Dr. Walter Weiss übergeben mit der Bitte um Kritik und Verbesserungsvorschläge (seit unserem gemeinsamen Artikel „Universum versus Multiversa“ machen wir das gegenseitig so). Das Ergebnis: Einerseits war er begeistert, anderseits enttäuscht, weil ich für Paraphänomene keine naturwissenschaftliche Erklärung anzubieten hatte. Zwar gibt es spekulative Theorien, die Platz für Paraphänomene lassen; hier tritt aber der Unterschied zwischen Theorie und Praxis (Messen!) wieder deutlich - und schmerzlich - zutage. Da Herr Dr. Weiss laut eigener Aussage „naturwissenschaftsgläubiger ist als viele Naturwissenschafter“, wollte er sich damit nicht abfinden, daß eine naturwissenschaftliche Erklärung nicht möglich sei und hat sich voll Elan an die Arbeit gemacht, das Gebiet der Parapsychologie doch noch für die Naturwissenschaften zu retten. Hier sein Ergebnis:

 

 

2. Teil: Die Erklärung (von Mag. Dr. Walter Weiss)

 

Der 1. Teil der Arbeit beschreibt viel und erklärt nichts. Er legt emotionslos dar, daß gewisse Phänomene - eben außersinnliche oder paranormale - jeder Erklärung Widerstand entgegen setzen, vergleichbar den Koans des östlichen Monismus, die auch die Vernunft in ihre Schranken weisen wollen - den Verstand ohnedies. Wollen wir also PSI-Phänomene „erklären“, müssen wir vorerst (er)klären, was mit dem Begriff „erklären“ - im allgemeinen Sprachgebrauch und üblichen Verständnis - gemeint ist.

 

Erklären ist abhängig vom Bewußtseinszustand sowohl desjenigen, der erklärt, als auch jenes, dem es erklärt wird. Eine Erklärung bringt nur dann Klarheit, wenn die Bewußtseinszustände beider Beteiligten - annähernd - gleiches Niveau aufweisen. Dabei fühlen wir „westlich Denkenden“ uns ganz eindeutig dem nachaufgeklärten, postindustriellen, schon ein wenig post-mechanistischen, jedenfalls aber rationalen, analytischen, zweiwertig-logischen - und damit widerspruchsfreien - kausalen Denken verpflichtet. Das bedeutet: Was ihm nicht entspricht - vor allem: was nicht widerspruchsfrei und kausal ist! - wird von uns als Erklärung abgelehnt.

 

Das ist - natürlich! - eine arge Einschränkung all des Geschehens auf der Welt. Denn wer bestimmt eigentlich, ob die Widerspruchsfreiheit (das 3. Axiom der zweiwertigen Logik, auch „Tertium non datur“ genannt) tatsächlich  d a s  Kriterium ist, nach dem die Welt sich zu verhalten habe? Wer sagt, daß nur Widerspruchsfreiheit und Wahrheit zusammenfallen? Es gibt doch jede Menge anderer Erklärungsmuster! Da bietet sich z. B. das religiöse (auch magisch, mystisch oder mythisch genannte) Denkmodell an: Dieses ist weder rational, noch analytisch, nicht zweiwertig logisch und auch nicht widerspruchsfrei - und dennoch hängt ihm die absolute Mehrheit der Menschen an. Vor allem ist es widersprüchlich zum - um Widerspruchsfreiheit bemühten - rationalen Denken: Denn wie läßt sich ein drei-einiger Gott, eine jungfräuliche Geburt, eine Auferstehung von den Toten, die Reinkarnation, lassen sich Hölle und Himmel, das Jenseits überhaupt rational fassen? Dennoch gelten die Hochreligionen, in denen dieses „Glaubensgut“ als dogmatische Wahrheit verkündet wird, als unantastbar. Im Gegenteil: Die Scholastik gipfelte in dem Satz: Ich glaube,  w e i l  es unvernünftig ist!

 

Und wie ist das mit dem kindlichen, mit dem magischen Glauben? Einem Kind kann man von Zwergen, Hexen, Feen, guten und bösen Geister erzählen - es  g l a u b t  daran, ja es fürchtet sich - mitunter - sogar vor dem einen oder anderen; und wenn es sein muß auch zu Tode. Zu Tode gefürchtet ist eben auch gestorben ... Argumente müssen durchaus nicht rational und damit widerspruchsfrei sein; sie müssen nur als wahr (und damit als wirksam) angesehen werden. „Der Glaube versetzt Berge.“ Wenn keine - rational begründbare - Aussicht auf Heilung (oder Rettung) mehr besteht, dann erst beginnt die Hoch-Zeit von Glaube und Hoffnung: „In der Not füllen sich die Kirchen.“

 

Erklären heißt also allgemein, Argumente zu akzeptieren. Und diese Argumente müssen keine rational-logisch-widerspruchsfreien sein. Nur wir „Aufgeklärten“ des euro-amerikanischen Weltbildes des 21. Jahrhunderts bilden uns ein, daß Widerspruchsfreiheit der Garant für Wahrheit sei. PSI-Phänomene werfen uns da ganz schön zurück! Diese sind nämlich

a) nicht widerspruchsfrei

b) nicht kausal

c) nicht jederzeit wiederholbar

d) nicht prognostizierbar

e) nicht allgemein gültig

und damit - nach unserem (naturwissenschaftlich geprägten) Denken - nicht erklärbar.

 

Wir westlich Denkenden haben vor allem Probleme mit der Kausalität. Diese Probleme sind so tiefgehend, daß sogar der Mythos (und jede Religion) es sich nicht leisten kann, auf die Verknüpfung von Ursache und Wirkung zu einer (schein-)logischen Kette zu verzichten. Nicht einmal die plumpeste Sage oder das primitivste Märchen kann auf Kausalität verzichten: Immer ist von Belohnung oder Strafe die Rede und vom Sieg des Guten über das Böse (manchmal auch umgekehrt). Welchen Sinn ergäbe dieses Moralisieren schon, würde man nicht einen Kausalnexus im Geschehen erwarten, also vom einen aufs andere schließen und - vielleicht? - die Lehre daraus ziehen? Alles, was geschieht,  m u ß  auf eine Ursache zurück geführt werden können; dies scheint ein Urgesetz menschlichen Denkens zu sein.[1]

 

Die Kontradiktion zu kausal ist: unverursacht. Dafür kennen wir mehrere adäquate Begriffe: launisch, spontan, kreativ, schöpferisch, willkürlich, wahrscheinlich und zufällig. Wir kommen mit Unverursachtem also durchaus zurecht und es ist uns sogar sehr vertraut. Vor allem der Zufall hat es uns angetan: die Glücksspielindustrie lebt von unserem Glauben an das Glück - und das ist nur ein anderes Wort für Zufall.

 

Was ist nun der Zufall? Zufällig ist fürs eine, was uns unverursacht erscheint. Wir können für ein Geschehen keine Ursache angeben. Nur noch nicht oder prinzipiell nicht? Das kommt auf das Geschehen an. Beim Wetter dürften uns „nur“ noch jede Menge Parameter für eine zufriedenstellende (niemals aber exakte) Wetterprognose fehlen. Bei sogenannten Zufallsgeneratoren ist der Zufall hingegen anders definiert: nämlich als Fehlen jeder Art von - erkennbarer - Ordnung. Aber im Grunde genommen ist diese Definition falsch: Denn wenn partout keine Ordnung herrscht, ist das durchaus auch Ordnung: jene nämlich, die dafür sorgt, daß keine andere entsteht! Und es ist eine hochkomplexe Meta-Ordnung, die jede darunterliegende Ordnung unterdrücken kann! Erst diese „darunter liegende“ Ordnung ist dann so definiert, daß sich - z. B. auf einer Zahlenreihe - keine Zifferngruppen wiederholen. Doch auch hier ist das Kriterium die Beobachtbarkeit: Wenn ich über einen beliebig langen Zeitraum hinweg keine geordnete Ziffernabfolge erkennen kann, mag man von „zufällig“ sprechen können. Extrapoliert auf eine hypothetisch unendliche Beobachtungszeit ist die Ordnung der nicht Wiederholbarkeit nicht aufrecht zu erhalten! Zufälle sind also stets bewußtseinsabhängig! Das mag ein wichtiger Zugang zu den PSI-Phänomenen sein, die ja stets nur in bezug auf Bewußtsein auftreten!

 

Ein „Mittelding“ zwischen strenger Kausalität und platter Willkür ist die Wahrscheinlichkeit“. Dieser ist immer eine beliebige Menge von möglichen Ereignissen vorausgesetzt, die, je länger der Beobachtungszeitraum ist, desto bestimmter eintreten. Dies geht so weit, daß bei - theoretisch - unendlich langer Beobachtungszeit jedes mögliche Ereignis garantiert eintritt (Wir kennen dieses statistische Phänomen schon vom Zufall her!).

 

Nun scheint es in unserer Welt zwei Bereiche zu geben: jenen, in dem nur mit Wahrscheinlichkeiten sinnvoll gearbeitet werden kann, wo also strenge Ursache-Wirkungs-Ketten nicht beobachtet werden können (und zwar prinzipiell nicht!), und jene Sphäre, die wir den Mesokosmos nennen, und der uns ganz gut bekannt ist: die Welt unserer Praxis. Doch auch hier treten - wir erwähnten es bereits - Akausalitäten auf: Glücksspiele, Zufälle, „das Schicksal“ als solches, aber auch jeder zwischenmenschliche Kontakt entzieht sich der strengen Kausalität, ja, zwischenmenschliches Handeln scheint überhaupt akausal abzulaufen.[2]

 

Auch scheint das Leben als solches akausal (=unbegründbar) abzulaufen, ebenso die Evolution, sodaß für den ursprünglich von uns als so breit angesehenen Bereich der kausalen Wirklich- oder Wirksamkeit (=Welt unserer Praxis) nur jener schmale Grat an Beobachtbarem übrig zu bleiben scheint, den sich die Naturwissenschaft als ihr Gebiet reserviert hat: Optik, Mechanik, Akustik und Elektromagnetismus. Nicht mehr exakt kausal hinterfragbar ist die Elektronik und schon gar nicht mehr die Kybernetik (Computerwissenschaften): Da geht viel mehr nicht als tatsächlich geht, trial and error triumphieren.

 

Was bestärkt uns also darin, der Kausalität einen derart hohen Stellenwert in der Wahrheitsfindung zuzuweisen?

 

Natürlich gilt die Kausalität auch nicht im Makrokosmos. Keine (einsehbare!) Ursache kann angegeben werden, warum die Welt überhaupt existiert, warum sich die Sterne bewegen, was die Galaxien (angeblich) auseinander treibt. Und was sonst wäre das Kriterium für Ursache, wenn nicht ihre Einsehbarkeit? Nur aufgrund dieser Einsehbarkeit konstruieren wir ja die Ursache - und bauen darauf die von uns daraus gefolgerten (!) und „Wirkungen“ genannten Ereignisse auf!

 

Warum also erscheinen uns PSI-Phänomene als „unheimlich“ oder unerklärbar? Nur aufgrund ihrer Akausalität? Das wäre angesichts der wahren Bedeutung und relativ geringen Verbreitung von berechtigt und zutreffend kausal interpretierbaren Ereignissen etwas dürr. Vielmehr bereitet uns eher der Umstand Kopfzerbrechen, daß sich die Phänomene nicht auf zumindest eine der vier im heutigen physikalischen Denken akzeptierten Grundkräfte (schwache und starke Kernkraft, Elektromagnetismus und Gravitation) zurückführen lassen. Auch scheinen bei PSI-Phänomenen die uns gewohnten Bedingungen von Raum und Zeit aufgehoben: der Raum stellt (z. B. beim Hellsehen) kein Hindernis mehr dar und die Zeit scheint uns (z. B. bei der Präkognition) auch nicht mehr „im Wege zu stehen“. Wenn also keine bekannten Kräfte für ein Phänomen verantwortlich gemacht werden können und nicht einmal die Grundvoraussetzungen allen (natur-)wissenschaftlichen Geschehens, Raum und Zeit nämlich (das „Raum-Zeit-Kontinuum“) Gültigkeit zu haben scheinen: Wie soll da eine Erklärung greifen? Und eine naturwissenschaftliche noch dazu?

 

Was ist es denn überhaupt, das den vier naturwissenschaftlich anerkannten Grundkräften gemeinsam ist? So unerwartet es klingen mag: genau das, was den PSI-Phänomenen mangelt - ihre „Erklärung“ als nahwirkend nämlich. Das bedeutet, daß eine Kraft nur dann wirken kann, wenn sie direkt ansetzt bzw. ihre Fortpflanzung „lückenlos“ ist. Das ist genau dasjenige, das wir bei PSI-Phänomenen nicht beobachten können: Die uns unbekannte „Kraft“ - wenn es überhaupt eine solche gibt! - wirkt nicht nah sondern fern, und das heißt, Raum und Zeit sind für sie keinen Bedingungen.[3]

 

Die Naturwissenschaft hat sich in ihr eigenes Korsett gezwängt: Alles, was ihren - selbstauferlegten - Kriterien nicht entspricht, gilt als nicht naturwissenschaftlich. Alles, was nicht auf die vier Grundkräfte des Standardmodells zurückgeführt werden kann, ist nicht wahr - besser, ist für die Naturwissenschaft nicht erklärbar und damit nicht existent, ist „Täuschung“, „Halluzination“, „Einbildung“ oder sonst irgend etwas, nur keine „Tatsache“. Alles, was nicht auf Nahwirkung zurückgeführt werden kann, gilt für die Naturwissenschaft nicht. Da können sich die Parapsychologen noch so (be-)mühen, ihre Experimente den naturwissenschaftlichen Experimentierbedingungen gemäß anzulegen: Da die von ihnen untersuchten Phänomene nicht auf die vier gültigen (=geltenden, akzeptierten) Grundkräfte des herrschenden (!) physikalischen Weltbildes zurückgeführt werden können, werden die Parapsychologen von den Physikern und anderen Naturwissenschaftlern nicht als Wissenschafter anerkannt. Und jeder Naturwissenschafter, der sich mit parapsychologischen Phänomenen auseinandersetzt, ihre Existenz also nicht explizit leugnet, wird - zumindest - von seinen Fachkollegen scheel angesehen, wenn er nicht überhaupt seine fachliche Reputation verliert.

 

Nun ist das mit den vier anerkannten Grundkräften freilich gar nicht so eng zu sehen. Die Physiker selbst postulieren darüber hinausgehende Kräfte: eine superschwache Kraft, die für den Zerfall des Protons verantwortlich sein soll, die elektroschwache Kraft und die Supergravitation, aus der sich die heutigen vier (oder) fünf Kräfte nach dem Urknall „entkoppelt“ haben sollen; und vor noch nicht einmal hundert Jahren haben die Biologen durchaus ernsthaft von einer „Vitalkraft“ gesprochen, auf die sie das Leben zurückführen wollten. Die Vitalkraft ist heute zwar „gestorben“, das Leben erklärt ist aber auch nicht.

 

Völlig unvorstellbar wird die „Erklärung“ der Gravitation, jener Kraft, die wir am unmittelbarsten erleben - vom Tag unserer Geburt an. Hier sind im Standardmodell der Physik sowohl die Gravitations“wellen“ als auch das Boson der Gravitation, das „Graviton“, rein hypothetisch. Kein Experiment hat bislang noch eine Gravitationswelle oder ein Graviton nachgewiesen - und es sind dafür mehrere zig-Tonnen schwere Detektoren errichtet worden. Also ist die Gravitation eine fernwirkende Kraft? Naturwissenschaftlich undenkbar, ein Frevel diese Frage. Aber: Alles er-klärt? Vorstellungsmäßig befriedigend? Widerspruchsfrei? Logisch? Kausal zwingend?

 

Was hindert also, zur Erklärung der PSI-Phänomene eine noch nicht entdeckte und damit auch noch nicht anerkannte Kraft anzunehmen? Die Bedingungen, denen eine solche Kraft (oder mehrere solche Kräfte) gehorchen sollten, kennen wir schon:

a) diese Kraft darf nicht streng kausal wirken - oder wenn sie kausal wirken sollte, müßte es Ursachen geben, die wir noch nicht kennen, aber vielleicht einmal erkennen können;

b) sie dürfte nicht nahwirkend sondern müßte fernwirkend sein, da Raum und Zeit für sie kein Hindernis darstellen.[4]

 

Das alles klingt sehr unwissenschaftlich - und muß es ja auch sein; wir postulieren ja etwas, das die Naturwissenschaft transzendiert, also deren selbstauferlegten Rahmen sprengt und damit per definitionam unwissenschaftlich sein muß.

 

Conclusio: Um PSI-Phänomene „erklären“ zu können, müssen wir uns vor folgende Entscheidung stellen:

1) Wollen wir „erklären“ so verstehen, wie die Naturwissenschaft „erklärt“ erklärt haben will, so ist die Naturwissenschaft aufzufordern, ihr enges Korsett zu lockern und nach neuen Kräften Ausschau zu halten. Allzu schwer sollte es ihr nicht fallen: nach Hyperräumen und Hyperzeiten, nach 11 bis n Dimensionen (angesichts eines erfahrbaren „nur“ dreidimensionalen Raumes), nach Supersymmetrie und Superstringtheorie, nach Null- und Eindimensionalität - was hindert die Theoretiker, eine 5. oder 6. Kraft zu postulieren?

2) Oder wir verstehen „erklären“  n i c h t  naturwissenschaftlich und akzeptieren PSI-Phänomene genauso bedenkenlos wie Liebe, Spontanheilungen, Ahnungen, Sympathie, Freundschaft, die Änderung der Aktienwerte, die Abfolge von Krieg und Frieden und den Umstand, daß niemand weiß, was im nächsten Augenblick passiert - auch wenn die Naturwissenschaft die Prognostizierbarkeit von Ereignissen als conditio sine qua non auf ihr Denkkorsett geheftet hat. Dann müssen wir an PSI-Phänomene so glauben wie an die Wiedergeburt, die Gottessohnschaft Christi oder die „Existenz des Teufels“: mit einem gravierenden Unterschied: Dem Teufel ist noch niemand begegnet, PSI-Phänomenen aber schon fast jeder von uns.

 

Resumé: Die neue Naturphilosophie muß es sich zur Aufgabe machen, die Naturwissenschaft zu ermuntern, ihr enges Denkkorsett zu transzendieren. Das gegenwärtige naturwissenschaftliche Denken reicht bei weitem nicht aus,  a l l e  Phänomene unserer Welt zu erklären. Wenn es hoch her geht, können wir vielleicht zwei oder drei Prozent all dessen, was uns an einem Tag so widerfährt, naturwissenschaftlich streng kausal „erklären“. Nicht nur die eher raren PSI-Phänomene, die dem Durchschnittsbürger so widerfahren, sind „unerklärlich“, sondern unerklärlich (und zwar im Sinne von Kausalität) ist auch, warum mich meine Frau verlassen hat, warum mir diese (neue) Frau gefällt, warum sie mich erhört und warum ich überhaupt diese Tat setze.[5] Unerklärlich (zufällig?) ist auch, warum nur (vielleicht) 13 % der Wiener diesen Herbst an Grippe erkranken werden und noch uneinsichtiger ist, warum ich nie krank werde und mein Freund immer. Die „Stärke des Immunsystems“ ist genauso eine unbefriedigende „Erklärung“ dafür wie daß gute Taten (hoffentlich) gute Folgen haben und die Bösen (fast) immer das („verdiente“) Schicksal ereilt.

 

Wenn eine neue Naturphilosophie all diese Phänomene als natürlich und wissenschaftlich akzeptiert, ist der Naturwissenschaft damit nicht geschadet, den Menschen aber geholfen. Die Naturwissenschaft hätte ihr Terrain erweitert und schon längst obsolete Denkeinschnürungen (Kausalität, Widerspruchsfreiheit) aufgegeben.

 

Präkognition würde allerdings auch dann völlig unerklärlich bleiben. Aber man wird dann zumindest an sie glauben dürfen und damit zu leben lernen ...



[1] Luzifer wurde für seinen Frevel gestürzt (=Ursache - Wirkung) und Jesus starb „für“ die Menschen am Kreuze (=Ursache mit Folgewirkung der „Erlösung“, was immer das auch bedeuten mag!). Die Welt entsproß den Griechen noch der Urmutter (Gäa) nach Zeugung durch Chronos (geschlechtlicher Anthropomorphismus von Ursache und Wirkung), unser Kosmos hingegen geht „schon“ auf den Urknall zurück (und greift damit auf das uns sehr geläufige Bild einer „Explosion“ zurück. Jeder Zivilisationsstufe dein ihr entsprechendes anthropomorphes Bild!). Der Kausalität verpflichtet sind sie alle.

[2] Die Liebe etwa (oder eine Freundschaft) zwischen zwei Menschen ist völlig akausal. Zwar versuchen wir im Nachhinein Gründe für ihr Zustandekommen zu konstruieren, liegen damit aber immer - und nicht nur meistens - falsch. Liebe „passiert“ und wird nicht konstruiert!

[3] Beim direkten Ansetzen von Kraft am Beispiel des angetriebenen Autoreifens auf den Asphalt haben wir keine Vorstellungs- und Verständnisschwierigkeiten. Bei der Auswirkung einer Tsunami auf eine Küstensiedlung ebenfalls nicht. Bei Schallwellen funktioniert die Vorstellung auch noch: die Dichteschwankungen des Mediums Luft setzen sich von der Schallquelle bis zum Trommelfell „nahtlos“ fort. Von dort werden die Druckunterschiede über Nervenbahnen ins Gehirn weitergeleitet. Wie es dort dann „weitergeht“ bis wir wirklich „Die Forelle“ von Schubert als solche erkennen, weiß allerdings niemand. Mit Radio- und Lichtwellen (beide das gleiche, nur die Frequenzen sind verschieden) hat unsere Vorstellung schon Schwierigkeiten: da ist kein Medium mehr, das schwingt, da ist keine materielle Welle mehr, die sich fortsetzte. Um diesen Verständnisschwierigkeiten abzuhelfen (=Erklärungsbedarf der Nahwirkung!), hat man sogenannten Feldquanten der (nun „Wechselwirkung“ genannten) Kräfte erfunden, die sogenannten Bosonen. Diese „befördern“ die „Energie“ (oder „Kraft“) nun von „einem“ Fermion (das sind Elementarteilchen der Materie) zum „nächsten“ (obwohl auch das nicht so einfach ist, wie es hier klingt). Der „Kraftschluß“ ist damit nahwirkend („eins stößt ans andere“) „erklärt“. Ist er wirklich er-klärt? Ver-steht das noch irgend jemand im Sinne von Vor-Stellung?

[4] Sie ähnelte damit der Gravitation, die übrigens mit den anderen drei anerkannten Kräften nicht unter einen Hut zu bringen ist. Die GUT (die Grand unification theory), der Versuch, alle Kräfte unter ein Rechenmodell zu vereinen, scheitert u. a. an dieser „Sperrigkeit“ der Gravitation .

[5] Die Freiheit des Menschen ist selbstverständlich naturwissenschaftlich geleugnet; wer sich mit einem freien Willen ausgestattet wähnt, wird sich über diesen Umstand freuen!