Der Autor:
Hubert Arnim-Ellissen ist als Jahrgang 1957 in die Ära des Zweiten
Vatikanischen Konzils hineingeboren worden: Vom Aufbruch der Kirche war noch
nichts spürbar, schon gar nicht im Internat, das ihn als Zehnjährigen aus dem
familiären System des Vertrauens und der Geborgenheit riß. Vom Vater, der sich
als „gelernten Österreicher“ sah, weil er nach der Nazizeit und
Kriegsgefangenschaft nicht mehr in seine Geburtsheimat zurückkehren wollte und
Staatsbürger wurde, um eine Österreicherin heiraten zu dürfen, wurde der Autor
von klein auf in einem widerständigen Geist erzogen: „Ein Erwachsener, der dich
schlägt, ist im Unrecht!“ Im katholischen Internat hatte er dann Gelegenheit,
den Schlägen Widerstand zu leisten. Nach Matura und Internat gab es nur die
Alternative, sich von Religion und Glaube endgültig abzuwenden oder Studium des
Systems: Das Theologiestudium hilft zu verstehen, wie das System der Kirche
funktioniert und woher die Disfunktionen kommen. Auf jeder seiner Lebensetappen
wurde er konfrontiert mit dem Schicksal von Menschen, die in kirchlichen und
staatlichen Institutionen physisch und psychisch gequält werden: als
Religionslehrer an Gymnasien und Berufsbildenden Höheren Schulen in Wien, als
Journalist im ORF vor allem in den Jahren der „Causa Groer“. Die Ausbildung zum
Journalisten absolvierte der Autor in Frankreich und Deutschland, begann als
Freier Mitarbeiter 1988 im ORF, zunächst in der Radio-Abteilung Religion und
mit Diskussionsleitungen im Fernsehen. Seit 1995 ist der Autor Redakteur und
Präsentator der Ö1-Journale.
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Reihe: "Eine Dokumentation"
Hubert Arnim-Ellissen
Zöglinge zum Fressen
Autoritätsmißbrauch durch sexuelle und physische Gewalt
208 Seiten, Format 15 x 21 cm
Neuleinen mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-85167-245-9
€ 21,90 |
Der Inhalt:
Auslöser war ein Anruf: „Hubert, wir müssen reden!“ Auf die Idee, daß der
Freund des Autors als Schüler einer katholischen Ordensschule sexuelle und
physische Gewalt erlitten hatte, wäre er nie gekommen: die plötzlich entflammte
Diskussion hatte die Mauer des Schweigens niedergerissen.
„Männerfreundschaften“ sind ja oft geprägt von Verschwiegenheit. Anders ist es
nicht zu erklären, daß der Autor mit dem evangelischen Pfarrer Jürgen Öllinger
zwanzig Jahre befreundet sein konnte ohne zu wissen, daß sie parallel
verlaufende Kindheits- und Jugendjahre erlebt hatten: in kirchlichen Schulen.
Der eine als Internatszögling, der andere als „Externist“, also mit dem
Privileg, abends nach Hause ins Elternhaus gehen zu dürfen. Dennoch hat der
Externist die physische und sexuelle Gewalt mönchischer Erziehungsautoritäten
am eigenen Leib zu spüren bekommen. Der Zögling blieb sexuell verschont – zu
wenig hübsch oder zu wenig angepaßt? – während Mitschüler im Schlafsaal vom
Erzieher „ausgegriffen“ wurden, wie die sexuellen Übergriffe damals von den
Schülern genannt wurden. „Ich habe dich zum Fressen gern“ – eine Bedrohung der
Kinderseele.
Geschlossene Erziehungssysteme sind gefährlich, weil sie Erzieher in die Nähe
unkontrollierter Allmacht bringen. Irgendwann kommt dann bei jedem, der damals
gelitten hat, die Stunde des Ausbruchs: Der Autor sucht im Gespräch mit dem
Theologen nach Strategien gegen die Kinderfresser. Wo immer Systeme
menschlichen Zusammenlebens geschlossen und nach außen abgeschottet sind,
wächst die Gefahr von Übergriffen: in Zweierbeziehungen, Familien, Internaten,
Gefängnissen.
Es hilft aber niemandem einfach nur zu erzählen, was alles passieren kann in
diesen geschlossenen Systemen. Ziel des Buches ist zu analysieren, welche
Strukturen die Gewalt fördern und welche Gegenstrategien entwickelt werden
müssen. |