Präkognition [1] – „nur“ PSI-Phänomen oder psychisch-physiologisches Faktum?

 

Über die „Unmöglichkeit“, „in der Zeit“ vorauszusehen

 

von Univ. Lektor Prof. Mag. Dr. Walter Weiss, Philosoph in Wien–Klosterneuburg

 

„Er stand neben dem Pferd, das sich plötzlich aufbäumte und voller Angst schrie. Dann hörte auch er das sich nähernde Geräusch, im gleichen Augenblick aber auch all das Ticken, Stundenschlagen, Pendeln und Läuten der Uhren in seines Vaters Geschäft und wunderte sich, daß er diese Geräusche, die er schon lange nicht mehr gehört hatte, ausgerechnet jetzt hörte …

… Wenige Minuten später standen Oberleutnant Marzoner und der Korporal vor einem riesigen Krater mitten in der Straße. Von oben, dort, wo die Montenegriner noch immer ihre Stellung auf dem Krstac hielten, mußte die Granate gekommen sein, ein besonders schweres Kaliber, das die ganze Straße aufgerissen und in den Abgrund geschleudert hatte. Sie hatten beide die Mützen abgenommen, standen da und starrten auf den Einschlag. Da war einfach nichts mehr da, kein noch so kleines Stückchen von Hauptmann Ernst Buchheim und auch nicht von seinem Pferd. Sie hatten sich in Nichts aufgelöst, nur die Reitgerte des Hauptmannes hing etwas weiter weg am Hang in einer kleinen zerfetzten Tanne!“

 

 

Voraussehen oder -ahnen?

 

So beschreibt Herbert Fleck in seinem Buch „Plus ultra“[2] das plötzliche Ende von Hauptmann Ernst von Buchheim – und seinem Pferd. Schauplatz: Kotor im heutigen Montenegro, im Ersten Weltkrieg 1914 beim Sturm der Österreicher auf die Stellungen der Montenegriner in der Boka Kotorska.

 

Szenenwechsel.

 

Ich kann jetzt nicht mehr so genau zitieren, wo darüber ausführlich berichtet worden ist: Aber jeder weiß es aus eigener Erfahrung: Kaum ein – allerdings dem eigenen Kulturkreis zugehöriges – Musikstück, bei dem der aufmerksame und (leidlich) musikalische Zuhörer nicht wüßte, was (also welcher Ton oder welche Tonfolge) als nächstes käme: auch ohne das Musikstück kennen zu müssen. Das ergäbe sich alleine aus dem Gefühl für (gewohnte!)  Harmonie und dem Aufbau – klassischer – Kompositionen, heißt es dazu. Soll sein.

 

Unzählbar die Geschichten („Berichte“ wäre wohl etwas zu weit gegriffen) über Erlebnisse (meist aus dem Krieg; siehe obiges Zitat), nach denen Soldaten den Einschlag einer Granate oder das Herannahen einer Gefahr „gespürt“ hätten – und ihr rechtzeitig ausgewichen seien. Ungleich höher die Zahl jener Opfer freilich, die – ohne jede Vorwarnung oder „Ahnung“ – tödlich getroffen wurden und ergo als „Kollateralschäden“ nicht mehr berichtsfähig waren.

 

Bekannt jene Geschichten, denen zufolge man (oder zumindest der- oder diejenige, von dem/der berichtet wird) gewußt hätte, was gleich  passieren würde. Dazu mein nicht blutsverwandter Onkel, der ein großer Bastler war (oder ist; ich weiß nichts mehr von ihm):  „Da arbeitest du an etwas und weißt Sekundenbruchteile vorher, daß du dich jetzt in den Finger schneiden oder sonst eine Verletzung erfahren wirst – es ist nachgerade unheimlich.“

 

Wie solche „unwissenschaftlichen“ – auch unphilosophischen? – Berichte (wenn sie noch so literarisch sein mögen) einordnen in die Welt des Rationalen und Logischen, also des Überprüfbaren[3] und nicht Abergläubischen?[4]

 

Erlebbare Tatsache hingegen ist, daß jeder, der einen Gedanken denkt, einen Satz spricht oder – so wie eben jetzt hier – niederschreibt, dessen Ende bereits „vorausweiß“; sonst ergäbe das Gesprochene oder Geschriebene ja keinen Sinn, wären Sprache und Schrift gar nicht möglich.

 

Als einer, der seit Jahrzehnten über das Phänomen Zeit philosophiert und darüber ausgiebigst publiziert hat,[5] war die Lektüre von „Plus ultra“ und dort der Tod des Buchheim  Herausforderung, dieses – literarisch aufgearbeitete – Phänomen des Vorausahnens oder gar -wissens philosophisch zu untersuchen. Und zwar als einer, dem Verletzungen beim Heimwerken und Vorauswissen von Tonfolgen ihm unbekannter Kompositionen (mit Ausnahme japanischer oder chinesischer Musikstücke etwa) laufend passieren …

 

Der erste – pragmatische – Zugang zu diesen Phänomenen wird wohl sein, daß man simpel aus Erfahrung weiß, was kommen wird – oder kann. Wer schneidet, hämmert und bohrt, weiß, wie gefährlich diese Tätigkeit ist – wenn man unvorsichtig oder -achtsam ist und dadurch  abrutscht oder danebenschlägt. Eine solche Unachtsamkeit ist aber – auch darüber habe ich des langen und breiten philosophiert und publiziert – keine zufällige, denn: Zufälle gibt es keine. Alles muß so passieren, wie es geschieht – und das hat nichts mit „Vorsehung“[6] zu tun oder gar mit Fatalismus.[7]

 

 

Über den Zufall

 

Mit „Zufall“ bezeichnen wir ein Ereignis, dessen Eintreten wir kausal nicht erklären können. Damit ist alles gesagt, wenn wir wissen (oder definiert haben), daß Kausalität nur eine Methode ist, wie (Selbst-)Bewußtsein das Aufeinander von Ereignissen als deren Auseinander erklärt, soll heißen: Wir haben aus unserer Erfahrung gelernt (das tun allerdings auch Tiere), daß aus einer gewissen Aufeinanderfolge von Geschehnissen immer die gleichen (aber nie dieselben[8]) Resultate erfolgen. Daraus schließen wir: wenn–dann, also aus dem Vorangegangenen. Daß diese Erwartungshaltung (oder, beim Tier: Gewöhnung) sehr unersprießlich sein kann, zeigt das Beispiel des Russell´schen Huhns: Das vertraut der Hand, die es füttert, solange, bis dieselbe ihm den Hals umdreht.

 

In Philosophie und Wissenschaft wird dieses Vertrauen auf die Wiederholbarkeit von Ereignissen „Induktion“ genannt – und sie ist der Schwachpunkt per excellence in unserer Logik,[9] aber auch in unserem Handeln und Tun. Bloß, weil die Sonne jeden Tag aufgeht, heißt das noch lange nicht, daß sie eines Tages nicht mehr aufgehen wird. Die Wissenschaft (sowohl Physik als auch Astronomie) sagt uns, daß dieses Ereignis mit Sicherheit (also mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit) dereinst (man spricht von 4 Milliarden Jahren in der Zukunft) nicht mehr der Fall sein wird.

 

Soviel zur Induktion.

 

Kausalität ist also „nur“ unsere Sicht der Dinge. In der Natur (was immer das nun wieder sein mag)[10] gibt es keine Kausalität – nur wissen das nicht alle, auch nicht alle Physiker, deren Naturgesetze auf der Kausalität beruhen. Die Gescheiten unter den Physikern wissen „natürlich“, daß „Natur“-Gesetze nicht in der Natur wirken, sondern nur in unseren Köpfen, mit denen wir unsere Interpretation von Natur dieser aufzuzwingen trachten: damit wir diese   besser manipulieren können – durch Technik. Daß es freilich etwa alle 50 Jahre einen gravierenden Paradigmenwechsel[11] in der Physik (und somit auch im Weltbild) gibt, sei nur der Originalität wegen erwähnt … von wegen „ewiger Gültigkeit“ von Theorien.

 

Wenn Zufall also nur unsere (unvollkommene) Interpretation von akausalen Ereignisfolgen ist – was ist die Aufeinanderfolge von (allen) Ereignissen dann? Was ist die Alternative zu unserer Sicht von Zufall, „Vorsehung“ (dazu braucht man wohl einen „Gott“) und Fatalismus (wozu sich „Allah“ hervorragend eignet)?

 

„Notwendigkeit“ ist ein dafür sehr nützlicher Begriff. Das war aber jetzt ein Vorgriff, denn  noch muß auf den (zu erwartenden) Einwand gegen unsere Definition von Zufall, nämlich den  Zufallgenerator und den mathematischen Zufall eingegangen werden. Unter beiden versteht man Zahlenfolgen, die jeder Ordnung entbehren,  und Ordnung bedeutet – salopp formuliert – nichts anderes als Wiederholung und daraus sich ergebend: Prognostizierbarkeit.

 

Nun kann man tatsächlich Maschinen (= Computer) konstruieren, die Zahlenfolgen kreieren, die jegliche Ordnung (also Wiederholungen von Zahlengruppen) ausschließen. Dazu ergeben sich allerdings gleich zwei Fragen: Ist bar jeder Ordnung nicht „auch“ Ordnung? Und zwar die vielleicht komplizierteste und komplexeste? Nämlich keine erkennbare Ordnung zu enthalten![12] Völlige Strukturlosigkeit[13] ist wohl die am schwersten zu erzielende Ordnung überhaupt! Und: Jeder Statistiker wird uns zustimmen, daß „im Unendlichen“ (und die Zahlenreihe ist  Musterbeispiel für Endlosigkeit) jede Ordnung auftreten kann (und auch wird!), die man sich nur wünscht.[14] Und was wir so üblich als „Zufall“ bezeichnen, z. B. den Tod eines Menschen, das Eintreten eines Unfalles, die Zahl der Impakte auf einem Planeten oder Mond, die Entstehung von Sternen und ganzen Galaxien: Wir können alle diese Ereignisse – bei Vorhandensein von ausreichendem Datenmaterial (und das wird im Computerzeitalter immer umfangreicher und genauer) – sehr genau prognostizieren: Zwar nicht als Einzelereignis, das jetzt diesem Menschen, Planeten, Mond, Stern oder dieser Galaxie passiert, sondern als Wahrscheinlichkeit, die mit Sicherheit (!) – nein, nicht eintreten wird, sondern eintreten muß! Jeder Mensch muß sterben,[15] jedes radioaktive Element hat seine Halbwertszeit, die jeweilige Scheidungsrate innerhalb einer Population läßt sich auf die Kommastelle genau errechnen – und hält auch auf dieser, bis sich die sozialen Umstände ändern. Diese allerdings ändern sich stetig. Also ändert sich auch die Scheidungsrate – und zwar ebenso permanent … Alles ist im Fluß – und alles steht untereinander in Beziehung. Nichts ist zufällig!

 

 

Alles ist ein(e)s

 

Womit wir eine fundamentale Erkenntnis haben: Alles ist (zugleich) ein(e)s;[16] alles hängt – irgendwie – zusammen. Dieses Irgendwie zu enträtseln, sind die Naturwissenschaft (auch die Theologie) und die dualistische Philosophie angetreten. Nicht aber grübelt darüber der Monismus, da diesem die Einsicht, das Alles Ein(e)s sein muß und Ein(e)s nur als Alles, also als Vieles (als Menge von einzelnem) sein kann, gewiß und logisch[17] zwingend ist. Es bedarf keines „Irgendwie“ mehr: Es ist notwendig, daß es so ist. Es gibt bzw. existiert nichts in der Welt, das losgelöst von allem – also voneinander – ist. Alles ist in Verbindung, alles hängt notwendig zusammen: Alles agiert als Ein(e)s – und das Eine ist nur als Alles.[18]

 

Nicht kausal erfolgt alles Geschehen, sondern notwendig.

 

Kausalität ist (nur) die Methode unseres Bewußtseins, diese Notwendigkeit in den Griff kriegen zu wollen – oder die Welt zu interpretieren: in Form von Selbstbewußtsein, das sich als von seiner Um- bzw. Mitwelt unterschieden erlebt und dabei (in der Regel) vergißt, das jedes Wahrgenommene (inklusive sich selbst) eigenes Produkt ist.

 

Magie (Geisterglaube), Religion, Mystik aber auch Kunst sind Methoden, die diese Einheit von sich und Welt nicht „übersehen“ oder „vergessen“ und je auf ihre Art und Weise versuchen, diese Einheit auszudrücken bzw. sie mitzuteilen.[19] Naturwissenschaft hat sich hingegen der dualistischen Weltinterpretation verschrieben: des Beobachtens und Bewertens durch einen Beobachter und setzt dabei alleine[20] auf die  Kausalität. Das Herausfallen aus der ursprünglichen Einheit[21] ist damit total – und der Manipulation der Umwelt (der „Natur“) Tür und Tor geöffnet: durch Technik.

 

Aber auch Religionen (oder was sich dafür hält) versuchen, der zum „Willen Gottes“ entarteten und damit auch schon verlorengegangenen Einheit mittels Vernunft (= kausalem Denken) beizukommen: etwa durch „Vorsehung“, hier „Prädestination“ genannt …[22] Alle diese Versuche sind aber nur Modelle,[23] die sich der Bildersprache bedienen – außer der Philosophie, die versuchen sollte, ohne Modelle auszukommen.[24] Effizient sind Naturwissenschaften und Religionen allemal: Weltreiche wurden mit den Mitteln der Naturwissenschaft zwar keine geschaffen – mit Hilfe der Religionen aber sehr wohl.[25] Monistisches Denken hingegen strebt gar nicht nach weltlichen Reichen – man denke alleine an das „Tao te king“ Lao Tses (ca. 6. vorchristliches Jahrhundert) und an die rund 3000 Koans[26] des Zen-Buddhismus …[27]

 

Wenn also alles Eines ist, muß dieses Eine Gesamtheit sein, Ein-heit, und nichts kann sich vom Werden dieses Einen abkoppeln oder getrennt von dieser Einheit entwickeln, passieren oder ereignen: Alles erfolgt (als Teil dieses einen Prozesses) notwendig – alles muß also so eintreten, wie es sich ereignet: Es ist wahr, weil alternativlos.

 

Zufälle sind somit nur Ereignisse, deren Zusammenhang mit dem Ganzen (als „Teil“ von ihm,  ihre Einbettung in Es) wir „nur“ nicht erkennen: Weil wir sie nicht in unsere Kausalität einordnen können.

 

Kausalität und Einordnen sind Leistungen unseres Bewußtseins und nicht Eigenschaften des Ein-Allen oder All-Einen. Das Ein-Alle bedarf  keiner (Sub-)Ordnung: Es ist Ordnung – und zwar jene höchstkomplexe, von der wir weiter oben schon berichtet haben: Chaos. Das Ein-Alle ist Chaos und wird in seinen vielen einzelnen zu, und zwar durch sich: Durch welch anderes sollte es auch werden?

 

Ein Einschub tut hier not. Sein kann nur werden. Es ist nicht bloß – und „bloß“ ist nur der Deutlichkeit halber dazugesetzt. Nur durch Veränderung und Entwicklung (= Evolution) kommt etwas ins Sein – und ist dann. Einzelne können nur durch Unterscheidung von anderen zu einzelnen und damit zu vielen werden – und: Unterschiede müssen erkannt werden: Sie sind nicht per se! Wir erkennen schon, wohin uns diese Einsicht führen wird: Selbstbewußtsein ist das All-Eine – und das Ein-Alle ist nur als Selbstbewußtsein.

 

„Außerhalb“ des oder „zusätzlich“ zum Ein(en)-Allen (also: zum Selbstbewußtsein) gibt es nichts. Ordnung sehen wir (allgemein: sieht Selbstbewußtsein) in die Welt hinein, denn Ordnung bedarf immer eines Ordnenden, also jemandes, der außerhalb des zu Ordnenden steht oder das zu Ordnende beobachtet.

 

 

(Selbst-)Bewußtsein

 

Sein bedarf der Veränderung, des Werdens. Nicht-Veränderung wäre nämlich Nichts[28] – und das kann wahrlich nicht „sein“: Weil ihm – per definitionem – das Sein (also das Werden) abgeht. Das Nichts ist nicht, sondern es „nichtet“, wie es Heidegger so unnachahmlich[29] ausgedrückt hat. Das im vorvorigen Satz kursiv gehaltene „wäre“ ist natürlich fehl am Platz, weil dieses Wort den Konjunktiv von „sein“ meint, und Sein (als Kopula: „sein“) dem Nichts eben nicht zukommt oder eigen wäre.

 

Wir sehen schon, wie schwierig es ist, mit Hilfe von Sprache, die sich ursprünglich nur mit Seiendem beschäftigt und sich aus ihm und für es entwickelt hat, Formulierungen zu versuchen, die mit dem Seienden nichts zu tun haben …[30]

 

Wir haben eben oben deduziert, daß das werdende Ein-Alle (oder All-Eine) nur „durch sich“ ist bzw. wird – wodurch sonst? „Durch sich“ schrammt aber nahe am Begriff des Selbst – und ist es auch. Was sonst, außer selbst, sollte „sich“ sein? Nichts Unbelebtes  erkennt“ sich – wie sollte es auch? Setzt „erkennen“ doch die Trennung zwischen Erkennendem und Erkanntem voraus und bedarf es dazu der Vereinzelung: sowohl des Erkennenden als auch des Erkannten.[31]

 

Da aber das Ein-Alle (oder All-Eine) nichts Vereinzeltes sein darf (dazu bedürfte es ja mehrerer – und genau das ist das All-Eine oder Ein-Alle nicht!), kann das All-Eine nur durch (oder: als) Vereinzelte  sein: und zwar durch Werden, das evolutiv zur Selbsterkenntnis kommt. Wir nennen das „Leben“ – oder „Bewußtsein“. Sich selbst erkennendes Bewußtseins wird zu Selbstbewußtsein. Es bedarf also notwendigerweise (!) des Selbstbewußtseins, damit das All-Eine (oder: Ein-Alle) überhaupt sein kann: Weil Selbst nur durch Rückbeziehung auf sich und somit durch Abgrenzung gegen anderes (die vielen einzelnen) sein kann.

 

Keine Welt (= All-Eines oder Ein-Alles) ohne (Selbst-)Bewußtsein.

 

Jetzt erst, versehen mit all diesem Rüstzeug, können wir ins Jahr 1914 und zu Hauptmann Ernst (von) Buchheim zurückkehren.

 

 

Von psychischen und physiologischen Quanten

 

Wenn alles eins ist (und das Eine alles ist), wenn sich dieses All-Eine bzw. Ein-Alle als Selbstbewußtsein äußert und nur sein kann, wenn Selbstbewußtsein ist, dann ist wohl schlüssig, daß Selbstbewußtsein notwendig ist. Selbstbewußtsein und die Notwendigkeit seiner Welt (als Ein-Alles) werden erst durch die Vernunft getrennt. Darunter versteht man  jenes Mittel oder Medium (auch: Vehikel; von der Kirche schlicht als „Sündenfall“ gebrandmarkt!), mit Hilfe dessen wir uns (also „der Mensch“) durch das „Essen vom Baum der Erkenntnis“ aus der Einheit der Welt (= „Paradies“) katapultiert haben.[32]

 

Erst durch diese Trennung in Erkennenden und Erkanntes[33] (= Sündenfall nach der Bibel), geht dem Selbstbewußtsein des Menschen seine Unmittelbarkeit verloren und versucht er, mit Hilfe von Kausalität und seiner Ratio („Deshalb banden sie Feigenblätter zusammen und machten sich Schürzen daraus“, Gen. 3,7)[34] diese plötzliche Getrenntheit (Verstoßung aus dem Paradies)[35],  irgendwie (= durch Technik)[36] leb- und überlebbar zu machen.

 

Wir wollen nun den Spagat zwischen dem Granateneinschlag am Krstac und unserer eben deduzierten philosophischen Einsicht versuchen … und damit den Phänomenen sogenannter Präkognition oder des Vorausahnens (auch wenn es sich nur um Sekundenbruchteile handeln mag) den Nimbus des Unerklärlichen nehmen.

 

Zeit – wir müssen uns natürlich auch mit ihr auseinandersetzen – ist nichts Physikalisch-Objektives, sondern jene höchst subjektive Methode[37] unseres Selbstbewußtseins, die Aufeinanderfolge von Ereignissen zu ordnen.[38] Unser Zeitempfinden erstreckt sich allerdings nur über eine relativ kurze Abfolge von Ereignissen. Wir kennen diese Kürze aus dem Umstand, wie lange wir uns z. B. eine Telefonnummer oder eine Ziffernfolge oder sonst irgend etwas Belangloses merken, wenn wir es lesen oder z. B. in die Adrema unseres Computers tippen. Wir merken uns ja nicht einmal einen etwas längeren Satz, den unser Gesprächspartner spricht! Was wir uns merken, ist der Inhalt oder das Gemeinte des Gesprochenen – wenn es hochkommt und wir interessiert zugehört haben. Wir wissen meist  nicht einmal selbst, was wir genau gesprochen haben. Wir behaupten zwar, dieses und jenes gesagt – oder eben nicht –zu haben: Worauf wir rekurrieren können, ist das Gemeinte unserer Aussage – hoffentlich.[39]

 

Wir erleben unsere Welt also ziemlich häppchenweise. Jedenfalls dauert ein solches „Häppchen“ länger als der sogenannte „Augenblick“, den uns die Physiologie (und die Filmindustrie, die das vermarktet hat), mit 1/16 Sekunde angibt.[40] Diese Häppchen (nennen wir sie psychische Quanten) bestimmen  unser tatsächliches (Er-)Leben: Denn den „Augenblick“ erleben wir gar nicht – dazu ist er zu kurz; er ist als Moment bloß ein physiologisches Quant.

 

Unser tatsächliches Erleben reicht also ein wenig in die Vergangenheit zurück, überspringt  die Gegenwart (= den Augenblick oder Moment) und langt in die Zukunft vor, die wir schon „wissen“, und zwar insofern, als wir gewohnt sind,[41] daß das „Gegenwärtige“, also das Jetzt, verbleibt, also nicht gleich wieder vergeht. Wenn wir – etwa beim Schreiben dieses Artikels –  nach dem neben dem Laptop stehenden Weinglas greifen, um einen belebenden oder „anturnenden“ Schluck daraus zu nehmen, so tun wir dies aus unserem psychischen Quant  heraus, das für uns erlebte Ein- und somit Allheit ist: Sie erfüllt uns durch und durch, wir und unsere Welt sind eins.[42]

 

Wir leben also stets ein wenig in unserer Zukunft und somit immer einige Augenblicke dem jeweiligen Jetzt voraus – was wir aber nicht etwa als zukünftig wahrnehmen (das ginge ja auch physikalisch-philosophisch gar nicht!), sondern das wir schlicht bereits leben.

 

Wie ist das also nun mit dem Pferd von unserem Hauptmann Buchheim, „… das sich plötzlich aufbäumte und voller Angst schrie.“? Und wie ist das mit „… Dann hörte auch er das sich nähernde Geräusch, im gleichen Augenblick (sic!) aber auch all das Ticken, Stundenschlagen, Pendeln und Läuten der Uhren in seines Vaters Geschäft …“?

 

Dazu müssen wir einschieben – um die Sequenz mit dem Ticken und Stundenschlagen zu verstehen –, daß Herbert Fleck in seinem „Plus ultra“-Roman die Kindheit des Hauptmanns Buchheim ausführlich beschreibt, wo dieser im Geschäft seines Vaters, der Uhrmacher war, seine früheste Kindheit, soweit er sich eben noch zurückerinnern konnte, gelebt hatte, und dort seine ersten – erinnerbaren! – Eindrücke eben dieses „Ticken, Stundenschlagen, Pendeln und Läuten der Uhren“ waren.

 

Wie ist es nun erklärbar, daß beim sinnlichen Wahrnehmen („Dann hörte auch er das sich nähernde Geräusch …“) der einfliegenden montenegrinischen Granate sowohl Pferd als auch Reiter ihre finale Ahnung überkommen hat?

 

Abgesehen davon, daß es sich bei Flecks Werk um ein literarisches handelt, verfügt wohl ein  jeder von uns (mich eingeschlossen und Sie als Leser wahrscheinlich nicht ausgenommen) über jede Menge ähnlicher Erfahrungen (wenn auch – noch – nicht der des nahenden eigenen Todes!): Roß und Reiter erleben eine Ahnung – das Pferd offenbar eine totale ( „… und voller Angst schrie“),[43] während sich Buchheim „nur“ in die Anfänge seines Erinnerns  zurückversetzt fühlte. Ein fundamentaler Unterschied. Wieso?

 

Das Tier lebt, ohne Vernunft, unmittelbar: Es (er)lebt zwar die Einheit der Welt, ist  Bewußtsein, aber nicht „sich selbst“. Daher erfährt es in seinem psychischen Quant das Ende seines Empfindens, was pure Angst auslöst!

 

Hauptmann Buchheim hingegen, durch seine ver-mittelnde Vernunft aus der Einheit der Welt seit seinen ersten Erinnerungen herausgefallen[44], weiß um seine Endlichkeit. Auch sein Empfinden induziert ihm angesichts des Hörens der sich nähernden Granate sein Ende. Nur ist zwischen Tier und Mensch ein fundamentaler Unterschied – zumindest behaupten wir ihn: Der Mensch weiß um sein Dasein – das Tier nicht. Der Mensch ist Selbst, das Tier nicht.

 

Wer um sein Dasein weiß, kennt seine Endlichkeit: als seine Lebensspanne. Wem sein Dasein nicht bewußt ist, dem Tier, kennt keine Endlichkeit und damit auch keine Zeit.[45] Zeit ist immer Indiz für Selbstbewußtsein.

 

Daß durch das Hören der anfliegenden Granate Buchheims Gehirn dazu veranlaßt wurde, seine ihm engrammierten Eindrücke aus dem Geschäft seines Vaters spontan zu reproduzieren, ist dichterische Spekulation. Man bekommt derartiges zwar immer wieder erzählt und liest auch darüber, allerdings hat noch kein Gestorbener den Wahrheitsgehalt dieser Mären bestätigt …

 

Philosophische Überlegungen machen solche Berichte aber durchaus glaubwürdig. Zeit selbst ist zeitlos: Nur in der Zeit ereignet sich etwas; die Zeit selbst passiert nicht. Für die Zeit sind alle Erlebnisse (= Ereignisse) gleichzeitig: Was immer wir erinnern, wir erinnern es jetzt. Alles ist jetzt – wir können gar nicht anders, als im Jetzt zu leben: Selbst die fernste Vergangenheit und die am weitest erwartete Zukunft sind jetzt, sobald wir sie erinnern oder entwerfen. Unser gesamtes Leben, all unsere Erinnerungen und Zukunftspläne oder −‍erwartungen erfüllen unser psychisches Quant als Jetzt: Anders wäre Leben gar nicht lebbar.[46]

 

Anfang und Ende fallen daher immer im psychischen Quant zusammen: auch Anfang und Ende unseres Lebens. Fällt der Tod (das unweigerliche Ende von Erinnern-Können) in die kurze Dauer des psychischen Quants, so muß ergo auch der Beginn der Erinnerung präsent sein – und Buchheim hört tatsächlich seine ihn geprägt habenden ersten Empfindungen.

 

Ostisches Denken und Philosophieren haben diese Erkenntnis als Bild (!) zirkularen Geschehens  zu vermitteln versucht. Alle ostischen Philosophien lehren daher in sich geschlossenes, aber NICHT wiederkehrendes[47] Geschehen –, nur das monotheistische Denken beharrt auf einem linearen Weltbild mit Anfang und Ende.[48] Es ist daher durchaus nachvollziehbar, daß sich angesichts der Ahnung (des Hörens der heranorgelnden Granate und des Wissens Buchheims um ihre Wirkung: immerhin war er ja Artillerieoffizier!), was kommen mag, Anfang und Ende in Buchheims letztem psychischen Quant vereint haben.

 

Ein philosophischer Erklärungsversuch, nicht mehr. Er kann weder Hypothese sein, weil er sich nie zu einer – beweis- oder widerlegbaren – Theorie ausweiten wird können: Weil Sterbende oder Gestorbene weder berichten noch verifizieren oder falsifizieren können.

 

Aber er bewegt sich innerhalb philosophischer Einsichtigkeit (um nicht den Begriff der „Evidenz“ bemühen zu müssen), weil (Selbst-)Bewußtsein und Ein-Alles (All-Eines) als dasselbe außerhalb des Zeitlichen sind, die Zeit aber – neben der Kausalität – (nur) eine der  zwei wichtigsten Ordnungsmuster ist.[49]

 

Fazit:

 

Wenn alles Eines ist, ist auch eines Alles – und da nichts darüber hinaus sein kann, muß es selbst sein. Selbst kann nur als einzelnes sein, da es sich von anderem als eigenständiges, dem andere einzelne entgegenstehend, unterscheiden muß.

 

All-Eines, als Nicht-Einzelnes gedacht, kann sich nicht gegen anderes unterscheiden. Wogegen auch? „Gegen“ das Nichts? Das ist bekanntlich nicht, sondern nichtet.

 

All-Eines muß sich daher als vieles vereinzeln, um als Selbstbewußtsein wirken und damit wirklich werden zu können.

 

Jedes Selbstbewußtein[50] ist  Ein-Alles oder das All-Eine: Jeder Vereinzelte schafft durch seine Erkenntnis seine eigene Welt (also alles): als die ein(zig)e wirkliche – nämlich die seine. Alle Welten anderer entspringen der eigenen: Wir können uns bestenfalls in das Leben  anderer hineinversetzen: durch eigenes Denken und Vorstellen.

 

Wenn die eigene Welt die ein(zig)e, die alles ist, dann ist sie in sich geschlossen – und nicht gerichtet. Nur unser Bestreben, solange wie möglich zu überleben, ist gerichtet. Als geschlossene ist unsere Welt ewig. Nur unser Streben – und damit unser Erleben – ist zeitlich.

 

In einer geschlossenen Welt gibt es keinen Anfang und Ende: Sie sind Jetzt – wie in Buchheims letztem Empfinden.

 

Präkognition?

 

Sicherlich nicht. 

 

Erleben von Anfang und Ende (auch des eigenen Lebens) als Einheit?

 

Ja.

 

Klosterneuburg, Am Ölberg, 10. Jänner 2009

Letzte Korrekturen: 12. Jänner 2009

 

 

Es hat selten ein Manuskript gegeben, das an mich zum Verlegen herangetragen worden ist, das mich sosehr bewegt hat, wie „Plus ultra“. In diesem Sinne danke ich auch seinem Autor, Herrn Dr. Herbert Fleck aus Kumberg in der Steiermark, für den Anstoß, den er mir durch das bloße Lesen seine Oevres zu dieser Arbeit gegeben hat.



[1] Zukünftiges vorauswissen oder -ahnen; gilt üblicherweise als PSI-Phänomen, weil naturwissenschaftlich nicht erklärbar und somit aus dem naturwissenschaftlichen Denken (Kanon) ausgegliedert: „Das gibt es nicht!“ bzw. (etwas abgemildert): „Das kann nicht Gegenstand der naturwissenschaftlichen Forschung sein.“

[2] in Vorbereitung; erscheint Herbst 2009 in der Edition va bene, Wien–Klosterneuburg, als Teil 1 der geplanten Trilogie

[3] Allerdings gilt auch: Wer viel mißt, mißt viel Mist.

[4] Aberglaube: vorurteilsvoller, primitiver Glaube an Zusammenhänge, die nach wissenschaftlicher (!) Auffassung nicht bestehen, z. B. Zauberei, Hexerei, an die glücksbringende Wirkung von Amuletten und Talismane, an die Existenz des Teufels (Exorzismus) … auch an jene „Gottes“? „Und wie hältst du ´s mit der Religion?“ (Gretchen an Faust, J. W. v. Goethe, Faust I)

[5] Z. B. in „Einstein und mehr“, Wien–Klosterneuburg 2005, S 61–98 bzw. gemeinsam mit Erwin Kohaut in „Universum und Bewußtsein“, Wien–Klosterneuburg 2004, S 170–190 und „Das Rätsel Gravitation“, Wien–Klosterneuburg 2007, S 453–479 bzw. gemeinsam mit Robert Hofstetter „Gott. Wozu.“, Wien–Klosterneuburg 2008, S 193–199 

[6] Der zu „dienen“ z. B. Adolf Hitler überzeugt war … Tatsächlich argumentieren viele Historiker und auch Philosophen, daß – wenn es nicht Hitler gewesen wäre –, ein anderer den Zweiten Weltkrieg herbeigeführt hätte. Ein Argument, das vieles für sich hat, da jeder einzelne (und nicht nur nach Karl Marx) auch (!) ein Produkt seiner Zeit ist.

[7] Die gegenteilige – wirklich dumme – Überzeugung: Daß man nämlich „eh“ nix machen könne, weil alles vorherbestimmt sei. Dabei bleibt unberücksichtigt, daß es gerade das Tun und Handeln des einzelnen sind, die Geschichte erst ermöglichen und vorantreiben!

[8] Geschichte wiederholt sich nicht!

[9] Alle vier Axiome unserer zweiwertigen Logik gehen davon aus, daß sie immer gültig seien … vor allem aber das 4., das vom zureichenden Grund, steht auf sehr wackeligem „Grund“ und ist auch aus den ersten drei nicht ableitbar – es ist banales Vertrauen, um nicht „Glaube“ zu sagen.

[10] Jedenfalls ein Konstrukt: Wir erleben keine „Natur“, sondern Einzelereignisse, die wir (ein)ordnen – z. B. als „natürlich“ oder „göttlich“, je nach Weltbild …

[11] siehe Thomas Kuhn (1922–1996): „Die Struktur der wissenschaftlichen Revolutionen“ (1976)

[12] Die alten Griechen nannten diesen Zustand „Chaos“. Auch wir bezeichnen Ungeordnetes als chaotisch.

[13] Struktur beinhalten Wiederhol- und Prognostizierbarkeit!

[14] Bekannt ist hier das Beispiel mit dem Affen, der unendlich lange auf einer Tastatur herumklopft, bis er schlußendlich irgendwann einmal (sic: unendlich!) die Bibel zustande gebracht haben wird. Klar doch: Bei unendlich vielen Möglichkeiten (und unendlich vieler Zeit) muß auch jene der buchstabengetreuen Bibel enthalten sein … Logisch ergibt sich hier kein Problem, nur: Weder halten Computertastaturen, noch leben Affen so lange. Wie beruhigend … Walter Krämer hat in „Denkste! Trugschlüsse aus der Welt der Zahlen und des Zufalls“ (Serie Piper, 2443, München 1999) hervorragend darüber geschrieben.

[15] … außer Maria, die Mutter Gottes. Die durfte das nicht, weil sie ohne Erbsünde war, und der Tod  bekanntlich (!) erst mit der Erbsünde (!) zum Menschen kam. Maria ist daher auch lebendig in den Himmel entrückt worden – was ein (amtskirchliches) Dogma ist. Und Jesus Christus ist bekanntlich „vom Tode auferstanden“, was auch ein Dogma ist. Warum er – im Unterschied zu seiner Mutter – vorher sterben mußte oder durfte ist ebenfalls ein Dogma. Wie heißt es so schön? Wer glaubt, wird selig …

[16] Alles muß immer auch ein(e)s sein; denn gäbe es mehr als diese eine Alles, wäre das All(es) nicht alles und das Eine nicht mehr eines, sondern eins von mehreren. Bei „ein(e)s“ ist deswegen das (e) in Klammern gesetzt, um hervorzuheben, daß ein(e)s keine Quantität (also eins, zwei, drei …) meint, sondern das All-Eine, besser: das all-einig Eine!

[17] … allerdings mehrwertig logisch. In der zweiwertigen Logik sind Alles und Eines Gegensätze. Formal gesehen sind sie sogar Widersprüche, was sich in den Wahrheitstabellen („w“ für wahr und „f“ für falsch) ausdrückt, und widersprechen dem 2. logischen Axiom: A ist nicht gleich B (Es heißt auch: Satz vom Widerspruch).

[18] … denn sonst wäre es ja nicht das Eine – was von „vereinen“ (= Qualität) kommt und nicht von eins als Zahlwort (= Quantität). Die Eins alleine (jetzt ohne Koppelungszeichen zwischen all und eine) wäre weder Zahl noch Ziffer noch sonst etwas: Sie (besser: es) wäre Nichts. 

[19] Daher ist es ja auch so schwierig, Kunst zu definieren: Weil Sprache (und Definition) die Einheit spaltet: in Sprechenden (Definierenden) und Besprochenes (Definiertes) … Kunst erfährt bzw. erlebt man – oder man läßt sie sein bzw. kauft sie (Mäzene) … Nur zu verstehen ist sie nicht.

[20] Erst die Quantenphysik hat erkannt, daß mit Kausalität im Mikrokosmos nicht weiterzukommen ist. Daher wird Quantenphysik auch von den meisten (auch von vielen Quantenphysikern) nicht verstanden. Formal umgehen mit ihren Phänomenen kann man freilich … Aber formalisieren bedeutet ja, vom eigentlich Gemeinten abzusehen …

[21] biblisch: Das Essen vom Baum der Erkenntnis.

[22] Vor allem Aurelius Augustinus (354–430) zeichnet dafür verantwortlich. Er wirkte über seine Lehre der „doppelten Prädestination“ (Gott „weiß von Ewigkeit an“, wer verworfen und wer erlöst werden wird; der einzelne kann nichts dazu oder dagegen tun!) bis in die Reformation und ist z. B. für die völlig verqueren Lehren des Calvinismus (in seiner jüngsten Ausprägung als Apartheid politisch geworden) bestimmend gewesen.

[23] … auch wenn diese von den Religiösen z. B. als „Offenbarung (Gottes)“ geglaubt und für „wahr“ gehalten werden: Bildhaftigkeit und kausales Argumentieren überall – auch wenn im Islam das Bilderverbot herrscht. Kausal ist der Islam nämlich allemal: Wenn jemand im Dschihad stirbt, dann kommt er oder sie stante pede in den 7. Himmel … Die Implikation wenn–dann ist pure Kausalität! Einheit „mit“ dem all-einen „Gott“?

[24] … was aber den wenigsten Philosophen und ihren Philosophien gelungen zu sein scheint. Sie alle bedienen sich der Modelle: Platon z. B. des Höhlengleichnisses und seiner „Ideen“, die christlichen „Philosophen“ des Konstruktes „Gottes“, Hegel und Marx jenem der „Dialektik“, die meisten des Dualismus, also der Zweiteilung der Welt in eine „diesseitige“ und „jenseitige“. Nur der Monismus versucht, die Welt als jene Einheit zu sehen, die sie ist: Ihr Autor ist Monist – und ergo Atheist.

[25] Auch wenn heute die USA (noch) mit Hilfe ihrer Technik (Nuklearmacht) die Welt beherrschen: Der Islam wird demnächst mit seiner mittelalterlichen und unaufgeklärten Ideologie (übrigens: auch Naturwissenschaft ist eine Ideologie! Und was für eine noch dazu!) den ganzen ehemaligen Westen beherrschen u. a. „dank“ der Politik Israels (Gaza-Krieg 2009). Aber das nur so nebenbei …

[26] widervernünftige Aussagen, etwa: „Wie tönt das Geräusch einer klatschenden Hand?“ Sinn und Ziel der Koans ist es, die Begrenztheit der Vernunft aufzuzeigen und sie als bloßes Mittel (!) zur Daseinsbewältigung einzusehen. Daß man mit ihr sie auch übersteigen kann, sollte die vorliegende Arbeit zeigen.

[27] Auch Meister Eckhart (1260–1327) hat sich mit seinem Monismus (allerdings auf christlicher Basis! Er war Dominikaner) tief ins Bewußtsein des  Abendlandes gegraben … und ist auch von der Inquisition zum damaligen Papst nach Avignon zitiert worden … Der Mystiker ist – „Gott“ sei Dank – rechtzeitig vor seiner Verurteilung (und zu erwartenden Folterung und Hinrichtung) verstorben …

[28] Weil es keine Unterschiede gäbe!

[29] Wir wollen damit nicht sagen, daß Heidegger ein „großer“ Philosoph gewesen sei. Seine Kunstsprache ist – außer für seine Epigonen – nahezu unnachvollziehbar. Aber mit seinem Kunstwort „nichten“ hat er ausgedrückt, was niemandem vor und nach ihm vorbehalten war. Die Bedeutung eines Menschen liegt nicht in der Quantität seiner Nachlässe, sondern in der Qualität oft nur einer seiner Erkenntnisse! Einsteins Modell des photoelektrischen Effekts (seine Er-findung der Photonen) hat ihm zwar den Nobelpreis eingetragen (unverdienterweise), dafür hat seine Relativitätstheorie (mit der er zwar weltberühmt geworden ist, die aber als nicht nobelpreiswürdig klassifiziert worden war) das naturwissenschaftliche Weltbild verändert. Auch sie ist nur  e i n  Aspekt unter vielen und durch die Quantenphysik noch zu Einsteins Lebzeiten  „relativiert“ worden. Siehe darüber auch „Einstein und mehr“ a. a. O.

[30] Dazu Wittgenstein: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“ Wir tranzendieren diese Sprachgrenzen mit dieser Arbeit und verbleiben dennoch in unserer Welt, trotz Wittgenstein (siehe Heidegger!).

[31] Genaueres dazu in meiner Arbeit „Die Verzwergung Gottes“.

[32] Gen. 3, 1–7

[33] „… und sie merkten, daß sie nackt waren.“ (Gen. 3, 7)

[34] Die erste technische Tat des Menschen – und die erste Anwendung seiner Kausalität: „Deshalb …“

[35] „So vertrieb ihn denn Gott der Herr aus dem Garten von Eden, damit er den Boden bearbeite, von dem er genommen war.“ (Gen. 3, 23)

[36] „Im Schweiße deines Angesichtes wirst du dein Brot verzehren …“ (Gen. 3,19)

[37] … aber trotzdem allen Menschen eigen!

[38] Die Ordnung der Auseinanderfolge haben wir „Kausalität“ genannt.

[39] Daher sind Tonbänder und Filmaufnahmen von Geredetem auch eine ziemlich teuflische Erfindung … zumindest was die Dokumentation von – oft unüberlegt – Dahingesagtem anbelangt. Denn das eigentlich Gemeinte versteckt sich gerne dahinter … und es kommt auf den Good will des Gesprächspartners an, dieses auch akzeptieren zu wollen.

[40] Daher werden Filme auch mit einer Mindestfrequenz von 18 Bilder pro Sekunde abgespielt, um das Ruckeln, das bei nur 16 Bildern pro Sekunde auftritt, zu vermeiden. Daß im Fernsehen 25 Bilder pro Sekunde Standard sind, hat nur damit zu tun, daß 25 die Hälfte von 50 ist – und das ist die Frequenz (Hertz) des international verwendeten Wechselstroms.

[41] In den meisten Fällen jedenfalls – mit Ausnahme jener eher seltenen, wo „plötzlich“ Änderung eintritt, also etwas „passiert“ …

[42] Im Zen-Buddhismus bezeichnet man das als: „Etwas geschieht“; „etwas ist“. Man kann auch „Meditation“ dazu sagen: Wenn Ich und Erleben eins sind, man also nicht etwas tut und dabei an anderes denkt. Wenn Adolf Holl in seinem Buch „Mystik für Anfänger“ dies als durchaus mystisch bezeichnet, hat er recht … Denn wer tut  etwas und denkt nicht schon an anderes?

[43] Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß Pferde nicht „vom Baum der Erkenntnis“ gegessen haben, sich also in der ursprünglichen „vorparadiesischen“ Einheit und nicht in der Dichotomie von Erlebendem und Erlebten befinden.

[44] Man erinnert nur, was man als bereits bewußt Erlebender erfahren hat; daher können wir uns auch nicht an Ereignisse vor unserem 3. Lebensjahr erinnern, da die Selbstbewußtwerdung in der Regel mit Ende des 3. Lebensjahres erfolgt.

[45] Dazu Nietzsche: „Betrachte die Herde, die an dir vorüberweidet: sie weiß nicht, was Gestern, was Heute ist, springt umher, frißt, ruht, verdaut, springt wieder … kurz angebunden … an den Pflock des Augenblicks … Der Mensch fragt wohl einmal das Tier: ,Warum redest du mir nicht …?´ Das Tier will auch antworten …:,Das kommt daher, daß ich immer gleich vergesse, was ich sagen wollte´ – da vergaß es aber auch schon diese Antwort …“ („Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“, Kröner, Bd. 1, S 283 f.)

[46] Auch nicht für Tiere, die zwar erinnern (sonst würden z. B. Hunde – und sicherlich auch anderer höhere Tiere – nicht träumen), wohl kaum aber Zukünftiges entwerfen, auch wenn dies heute aufgrund jüngster Forschungen z. B. bei Bonobos, Schimpansen und Delphinen gar nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Der – bislang, vor allem von den Kirchen   behauptete Unterschied zwischen Mensch und Tier (wonach der Mensch eine „Seele“ habe, das Tier aber nicht; was immer nun „Seele“ wieder sein mag …) ist wohl weiter nicht aufrecht zu erhalten. Ob die Kirchen das auch wissen?

[47] Das ist ja der gravierende Fehler im vulgären Buddhismus: die Wiedergeburt. Buddha hat sich immer gegen diese Lehre des Hinduismus (aus der er ja hervorgegangen war) gestellt. Nur seine Epigonen konnten davon nicht lassen. Eine Parallele tut sich da auf zwischen den Lehren des Rabbi Joshua und seiner Bergpredigt, und der römischen Amtskirche. Jesus hatte sich weder als „Gottes Sohn“ bezeichnet, noch wollte er eine neue Religion gründen. Er war vielmehr – bestenfalls – ein Reformator des klassischen Judentums, der sich gegen die Korruption und die Anmaßungen der Pharisäer erhoben hatte. Erst der Jude Paulus hat sich – aus Gründen, die wir nie erfahren werden, deren versuchte Aufdeckung aber Bibliotheken füllen – das Christentum „ausgedacht“!  

[48] z. B. das Alpha und der Punkt Omega des Pierre Teilhard de Chardin (1881–1955)

[49] Andere – neben der Kausalität – wären die übrigen Kategorien unseres Denkens, wie sie die verschiedenen Philosophen verschieden aufzählen: Modalität, Relation, Quantität, Qualität, Haben, Tun und Leiden seien nur stellvertretend, nicht aber vollzählig angeführt.

[50] … das wir zu Zeit allerdings nur als Mensch kennen bzw. anerkennen! Aliens sind uns noch nicht begegnet und Tieren sprechen wir Selbstbewußtsein (vulgo „Seele“?) – noch – ab!